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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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da sie nur an sich selbst, an ihren Reichthum und an die
Kirche, sonst aber an Nichts in der Welt glaubte, so
schien es ihr ganz undenkbar, daß der eigene Mann, den
sie eine Zeit lang als ihre Puppe angesehen, etwas
Rechtes sein könnte.

Sie schlug eine unangenehme Lache auf, indem sie
rief:

"Nun merk' ich, was Du für ein Windbeutel bist!
Ein Schlucker wie Du, den ich schiffbrüchig am Strande
aufgelesen, und der berühmte, der reiche Don Correa!"

"Da Du mich nur mir selbst gegenüberstellst und der
Vergleich Deine bösliche Beschimpfung aufwiegt, so kann
ich darüber hinweg gehen!"

Mit diesen Worten, die er mit einer durch die äußerste
Noth gebotenen Gelassenheit aussprach, da die Zeit
unaufhaltsam verstrich und er in seiner Verstrickung aller
Sinne nur die Schande und das gefährdete Ansehen er¬
blickte, wenn er wie ein Thor unverrichteter Sache zu
seinen Schiffen zurückkehrte, -- mit diesen Worten ergriff
er das Weib am Arme und führte es an ein Fenster,
welches auf das nächtliche Weltmeer hinausging.

"Dort liegen meine Schiffe vor Anker", sagte er;
"in einer halben Stunde werden wir Beide dort sein, wo
viele Herren und Damen uns erwarten und Du als
meine Gemahlin begrüßt wirst! Morgen früh kehren
wir nochmals hierher zurück, um einzupacken und eine
zwischenweilige Verwaltung zu bestellen, denn Du wirst

da ſie nur an ſich ſelbſt, an ihren Reichthum und an die
Kirche, ſonſt aber an Nichts in der Welt glaubte, ſo
ſchien es ihr ganz undenkbar, daß der eigene Mann, den
ſie eine Zeit lang als ihre Puppe angeſehen, etwas
Rechtes ſein könnte.

Sie ſchlug eine unangenehme Lache auf, indem ſie
rief:

„Nun merk' ich, was Du für ein Windbeutel biſt!
Ein Schlucker wie Du, den ich ſchiffbrüchig am Strande
aufgeleſen, und der berühmte, der reiche Don Correa!“

„Da Du mich nur mir ſelbſt gegenüberſtellſt und der
Vergleich Deine bösliche Beſchimpfung aufwiegt, ſo kann
ich darüber hinweg gehen!“

Mit dieſen Worten, die er mit einer durch die äußerſte
Noth gebotenen Gelaſſenheit ausſprach, da die Zeit
unaufhaltſam verſtrich und er in ſeiner Verſtrickung aller
Sinne nur die Schande und das gefährdete Anſehen er¬
blickte, wenn er wie ein Thor unverrichteter Sache zu
ſeinen Schiffen zurückkehrte, — mit dieſen Worten ergriff
er das Weib am Arme und führte es an ein Fenſter,
welches auf das nächtliche Weltmeer hinausging.

„Dort liegen meine Schiffe vor Anker“, ſagte er;
„in einer halben Stunde werden wir Beide dort ſein, wo
viele Herren und Damen uns erwarten und Du als
meine Gemahlin begrüßt wirſt! Morgen früh kehren
wir nochmals hierher zurück, um einzupacken und eine
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[292/0302] da ſie nur an ſich ſelbſt, an ihren Reichthum und an die Kirche, ſonſt aber an Nichts in der Welt glaubte, ſo ſchien es ihr ganz undenkbar, daß der eigene Mann, den ſie eine Zeit lang als ihre Puppe angeſehen, etwas Rechtes ſein könnte. Sie ſchlug eine unangenehme Lache auf, indem ſie rief: „Nun merk' ich, was Du für ein Windbeutel biſt! Ein Schlucker wie Du, den ich ſchiffbrüchig am Strande aufgeleſen, und der berühmte, der reiche Don Correa!“ „Da Du mich nur mir ſelbſt gegenüberſtellſt und der Vergleich Deine bösliche Beſchimpfung aufwiegt, ſo kann ich darüber hinweg gehen!“ Mit dieſen Worten, die er mit einer durch die äußerſte Noth gebotenen Gelaſſenheit ausſprach, da die Zeit unaufhaltſam verſtrich und er in ſeiner Verſtrickung aller Sinne nur die Schande und das gefährdete Anſehen er¬ blickte, wenn er wie ein Thor unverrichteter Sache zu ſeinen Schiffen zurückkehrte, — mit dieſen Worten ergriff er das Weib am Arme und führte es an ein Fenſter, welches auf das nächtliche Weltmeer hinausging. „Dort liegen meine Schiffe vor Anker“, ſagte er; „in einer halben Stunde werden wir Beide dort ſein, wo viele Herren und Damen uns erwarten und Du als meine Gemahlin begrüßt wirſt! Morgen früh kehren wir nochmals hierher zurück, um einzupacken und eine zwiſchenweilige Verwaltung zu beſtellen, denn Du wirſt

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/302>, abgerufen am 14.05.2024.