Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

aber mit Gewalt eine aufgesprengt und alle Zugänge mit
lohendem Feuer angefüllt sah, welches zu durchschreiten
schon nicht mehr möglich war, kehrte endlich die ruhige
und klare Besonnenheit des thatkundigen Mannes wieder
bei ihm ein; statt den Ausgang in der Tiefe zu suchen,
die vom Feuer verrammelt war, erstieg er die oberste
Höhe des Hauptthurmes, in dem er sich befand. Dort
hing in einer Mauerlücke eine Glocke, deren Seil aus¬
wendig bis in den Hof hinunter ging und dort gezogen
zu werden pflegte. Don Correa hatte selbst ein neues
Seil besorgt, das nicht dick aber stark genug war für
eine kühne That, wenn nur der oberste Punkt, die Ver¬
bindung mit dem Glöcklein selbst, versichert wurde. Er
stieg also mit allem Bedacht hinauf, ein Licht in der
Hand, das freilich von den aus der Tiefe nach der Höhe
wallenden Rauch- und Hitzewogen beinah ausgelöscht
wurde. Auf der obersten Thurmtreppe schnitt er ein Seil,
das statt eines Geländers diente, entzwei und befestigte
das Glockenseil damit derart, daß er die Fahrt wagen
durfte. Dazu diente ihm auch der alte gestirnte Mantel,
in dessen Falten er beide Hände wickelte, als er nun vom
hohen Thurme niederglitt. Auf dem Hofe angekommen,
mußte er schon zwischen den verschiedenen Brandanstalten
hindurch springen, um ein Ausgangsloch zu erreichen, an
welches die Mordbrenner nicht gedacht hatten.

Im Boote angelangt und seinen Sitz einnehmend be¬
fahl er die sofortige Abfahrt, und als er genugsam vom

aber mit Gewalt eine aufgeſprengt und alle Zugänge mit
lohendem Feuer angefüllt ſah, welches zu durchſchreiten
ſchon nicht mehr möglich war, kehrte endlich die ruhige
und klare Beſonnenheit des thatkundigen Mannes wieder
bei ihm ein; ſtatt den Ausgang in der Tiefe zu ſuchen,
die vom Feuer verrammelt war, erſtieg er die oberſte
Höhe des Hauptthurmes, in dem er ſich befand. Dort
hing in einer Mauerlücke eine Glocke, deren Seil aus¬
wendig bis in den Hof hinunter ging und dort gezogen
zu werden pflegte. Don Correa hatte ſelbſt ein neues
Seil beſorgt, das nicht dick aber ſtark genug war für
eine kühne That, wenn nur der oberſte Punkt, die Ver¬
bindung mit dem Glöcklein ſelbſt, verſichert wurde. Er
ſtieg alſo mit allem Bedacht hinauf, ein Licht in der
Hand, das freilich von den aus der Tiefe nach der Höhe
wallenden Rauch- und Hitzewogen beinah ausgelöſcht
wurde. Auf der oberſten Thurmtreppe ſchnitt er ein Seil,
das ſtatt eines Geländers diente, entzwei und befeſtigte
das Glockenſeil damit derart, daß er die Fahrt wagen
durfte. Dazu diente ihm auch der alte geſtirnte Mantel,
in deſſen Falten er beide Hände wickelte, als er nun vom
hohen Thurme niederglitt. Auf dem Hofe angekommen,
mußte er ſchon zwiſchen den verſchiedenen Brandanſtalten
hindurch ſpringen, um ein Ausgangsloch zu erreichen, an
welches die Mordbrenner nicht gedacht hatten.

Im Boote angelangt und ſeinen Sitz einnehmend be¬
fahl er die ſofortige Abfahrt, und als er genugſam vom

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0306" n="296"/>
aber mit Gewalt eine aufge&#x017F;prengt und alle Zugänge mit<lb/>
lohendem Feuer angefüllt &#x017F;ah, welches zu durch&#x017F;chreiten<lb/>
&#x017F;chon nicht mehr möglich war, kehrte endlich die ruhige<lb/>
und klare Be&#x017F;onnenheit des thatkundigen Mannes wieder<lb/>
bei ihm ein; &#x017F;tatt den Ausgang in der Tiefe zu &#x017F;uchen,<lb/>
die vom Feuer verrammelt war, er&#x017F;tieg er die ober&#x017F;te<lb/>
Höhe des Hauptthurmes, in dem er &#x017F;ich befand. Dort<lb/>
hing in einer Mauerlücke eine Glocke, deren Seil aus¬<lb/>
wendig bis in den Hof hinunter ging und dort gezogen<lb/>
zu werden pflegte. Don Correa hatte &#x017F;elb&#x017F;t ein neues<lb/>
Seil be&#x017F;orgt, das nicht dick aber &#x017F;tark genug war für<lb/>
eine kühne That, wenn nur der ober&#x017F;te Punkt, die Ver¬<lb/>
bindung mit dem Glöcklein &#x017F;elb&#x017F;t, ver&#x017F;ichert wurde. Er<lb/>
&#x017F;tieg al&#x017F;o mit allem Bedacht hinauf, ein Licht in der<lb/>
Hand, das freilich von den aus der Tiefe nach der Höhe<lb/>
wallenden Rauch- und Hitzewogen beinah ausgelö&#x017F;cht<lb/>
wurde. Auf der ober&#x017F;ten Thurmtreppe &#x017F;chnitt er ein Seil,<lb/>
das &#x017F;tatt eines Geländers diente, entzwei und befe&#x017F;tigte<lb/>
das Glocken&#x017F;eil damit derart, daß er die Fahrt wagen<lb/>
durfte. Dazu diente ihm auch der alte ge&#x017F;tirnte Mantel,<lb/>
in de&#x017F;&#x017F;en Falten er beide Hände wickelte, als er nun vom<lb/>
hohen Thurme niederglitt. Auf dem Hofe angekommen,<lb/>
mußte er &#x017F;chon zwi&#x017F;chen den ver&#x017F;chiedenen Brandan&#x017F;talten<lb/>
hindurch &#x017F;pringen, um ein Ausgangsloch zu erreichen, an<lb/>
welches die Mordbrenner nicht gedacht hatten.</p><lb/>
          <p>Im Boote angelangt und &#x017F;einen Sitz einnehmend be¬<lb/>
fahl er die &#x017F;ofortige Abfahrt, und als er genug&#x017F;am vom<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0306] aber mit Gewalt eine aufgeſprengt und alle Zugänge mit lohendem Feuer angefüllt ſah, welches zu durchſchreiten ſchon nicht mehr möglich war, kehrte endlich die ruhige und klare Beſonnenheit des thatkundigen Mannes wieder bei ihm ein; ſtatt den Ausgang in der Tiefe zu ſuchen, die vom Feuer verrammelt war, erſtieg er die oberſte Höhe des Hauptthurmes, in dem er ſich befand. Dort hing in einer Mauerlücke eine Glocke, deren Seil aus¬ wendig bis in den Hof hinunter ging und dort gezogen zu werden pflegte. Don Correa hatte ſelbſt ein neues Seil beſorgt, das nicht dick aber ſtark genug war für eine kühne That, wenn nur der oberſte Punkt, die Ver¬ bindung mit dem Glöcklein ſelbſt, verſichert wurde. Er ſtieg alſo mit allem Bedacht hinauf, ein Licht in der Hand, das freilich von den aus der Tiefe nach der Höhe wallenden Rauch- und Hitzewogen beinah ausgelöſcht wurde. Auf der oberſten Thurmtreppe ſchnitt er ein Seil, das ſtatt eines Geländers diente, entzwei und befeſtigte das Glockenſeil damit derart, daß er die Fahrt wagen durfte. Dazu diente ihm auch der alte geſtirnte Mantel, in deſſen Falten er beide Hände wickelte, als er nun vom hohen Thurme niederglitt. Auf dem Hofe angekommen, mußte er ſchon zwiſchen den verſchiedenen Brandanſtalten hindurch ſpringen, um ein Ausgangsloch zu erreichen, an welches die Mordbrenner nicht gedacht hatten. Im Boote angelangt und ſeinen Sitz einnehmend be¬ fahl er die ſofortige Abfahrt, und als er genugſam vom

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/306
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/306>, abgerufen am 14.05.2024.