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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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Dieser neue Dämon in der Unglücklichen gab sich bald
als einen vor Jahren zu X. verstorbenen, mir wohlbekannten
Sünder zu erkennen. Es ist entschieden, daß U. diesen Men-
schen im Leben nie sah, nie etwas von ihm hörte, um
so auffallender und beweisender war es, daß sie, so oft der
Dämon in ihr aufstieg, durchaus die ganz gleichen Ge-
sichtszüge bekam, die dieser im Leben hatte, und die sehr
marquirt waren, so das es nöthig war, die U. in ihren
Anfällen nun jedesmal von den Menschen zu entfernen,
weil Jeder, der jenen Verstorbenen im Leben kannte, ihn
jetzt sogleich in den Gesichtszügen der Dämonischen wieder
erkannte, was zu unangenehmen Reden hätte Veranlassung
geben können. Auch bewiesen sonst Einzelheiten, die der
Dämon aus seinem frühern Leben angab, von welchen die
Frau nicht das mindeste wußte und wissen konnte, daß Er
es wirklich und kein Anderer, oder daß er keine bloße fixe
Idee oder leere Fratze war.

Der Schutzgeist der Frau sagte ihr im guten magnetischen
Zustande: dieser Dämon habe erst kürzlich in sie geschickt
werden können nach Austreibung des letztern, weil man
versäumt habe, sie gegen solche Anfechtungen auf immer
zu verwahren.

Die Teufeley und Hartnäckigkeit dieses Dämons schien
auch die früheren weit zu übertreffen und die Leiden der
Unglücklichen waren Tag und Nacht so groß, daß sie gar
nicht zu beschreiben sind, und wir mit ihr in die größte
Verzweiflung kamen.

Von Bekehrung und Buße wollte dieser Dämon nichts
wissen, alle Versuche, ihn dazu zu bringen, waren fruchtlos,
er erklärte, daß er nie aus ihr weichen und sie bis zum
Tode Tag und Nacht fortmartern werde.

Es war jetzt klar, daß das bloße Austreiben der Dämonen
nicht hinreichend war, indem immer ein Anderer die Stelle
wieder einnahm, welche der Vorhergehende leer gelassen hatte.
Sollte die Unglückliche gänzlich geheilt werden, so mußte
sie auch für die Zukunft verwahrt seyn. Es wurde mir

7 *

Dieſer neue Dämon in der Unglücklichen gab ſich bald
als einen vor Jahren zu X. verſtorbenen, mir wohlbekannten
Sünder zu erkennen. Es iſt entſchieden, daß U. dieſen Men-
ſchen im Leben nie ſah, nie etwas von ihm hörte, um
ſo auffallender und beweiſender war es, daß ſie, ſo oft der
Dämon in ihr aufſtieg, durchaus die ganz gleichen Ge-
ſichtszüge bekam, die dieſer im Leben hatte, und die ſehr
marquirt waren, ſo das es nöthig war, die U. in ihren
Anfällen nun jedesmal von den Menſchen zu entfernen,
weil Jeder, der jenen Verſtorbenen im Leben kannte, ihn
jetzt ſogleich in den Geſichtszügen der Dämoniſchen wieder
erkannte, was zu unangenehmen Reden hätte Veranlaſſung
geben können. Auch bewieſen ſonſt Einzelheiten, die der
Dämon aus ſeinem frühern Leben angab, von welchen die
Frau nicht das mindeſte wußte und wiſſen konnte, daß Er
es wirklich und kein Anderer, oder daß er keine bloße fixe
Idee oder leere Fratze war.

Der Schutzgeiſt der Frau ſagte ihr im guten magnetiſchen
Zuſtande: dieſer Dämon habe erſt kürzlich in ſie geſchickt
werden können nach Austreibung des letztern, weil man
verſäumt habe, ſie gegen ſolche Anfechtungen auf immer
zu verwahren.

Die Teufeley und Hartnäckigkeit dieſes Dämons ſchien
auch die früheren weit zu übertreffen und die Leiden der
Unglücklichen waren Tag und Nacht ſo groß, daß ſie gar
nicht zu beſchreiben ſind, und wir mit ihr in die größte
Verzweiflung kamen.

Von Bekehrung und Buße wollte dieſer Dämon nichts
wiſſen, alle Verſuche, ihn dazu zu bringen, waren fruchtlos,
er erklärte, daß er nie aus ihr weichen und ſie bis zum
Tode Tag und Nacht fortmartern werde.

Es war jetzt klar, daß das bloße Austreiben der Dämonen
nicht hinreichend war, indem immer ein Anderer die Stelle
wieder einnahm, welche der Vorhergehende leer gelaſſen hatte.
Sollte die Unglückliche gänzlich geheilt werden, ſo mußte
ſie auch für die Zukunft verwahrt ſeyn. Es wurde mir

7 *
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[99/0113] Dieſer neue Dämon in der Unglücklichen gab ſich bald als einen vor Jahren zu X. verſtorbenen, mir wohlbekannten Sünder zu erkennen. Es iſt entſchieden, daß U. dieſen Men- ſchen im Leben nie ſah, nie etwas von ihm hörte, um ſo auffallender und beweiſender war es, daß ſie, ſo oft der Dämon in ihr aufſtieg, durchaus die ganz gleichen Ge- ſichtszüge bekam, die dieſer im Leben hatte, und die ſehr marquirt waren, ſo das es nöthig war, die U. in ihren Anfällen nun jedesmal von den Menſchen zu entfernen, weil Jeder, der jenen Verſtorbenen im Leben kannte, ihn jetzt ſogleich in den Geſichtszügen der Dämoniſchen wieder erkannte, was zu unangenehmen Reden hätte Veranlaſſung geben können. Auch bewieſen ſonſt Einzelheiten, die der Dämon aus ſeinem frühern Leben angab, von welchen die Frau nicht das mindeſte wußte und wiſſen konnte, daß Er es wirklich und kein Anderer, oder daß er keine bloße fixe Idee oder leere Fratze war. Der Schutzgeiſt der Frau ſagte ihr im guten magnetiſchen Zuſtande: dieſer Dämon habe erſt kürzlich in ſie geſchickt werden können nach Austreibung des letztern, weil man verſäumt habe, ſie gegen ſolche Anfechtungen auf immer zu verwahren. Die Teufeley und Hartnäckigkeit dieſes Dämons ſchien auch die früheren weit zu übertreffen und die Leiden der Unglücklichen waren Tag und Nacht ſo groß, daß ſie gar nicht zu beſchreiben ſind, und wir mit ihr in die größte Verzweiflung kamen. Von Bekehrung und Buße wollte dieſer Dämon nichts wiſſen, alle Verſuche, ihn dazu zu bringen, waren fruchtlos, er erklärte, daß er nie aus ihr weichen und ſie bis zum Tode Tag und Nacht fortmartern werde. Es war jetzt klar, daß das bloße Austreiben der Dämonen nicht hinreichend war, indem immer ein Anderer die Stelle wieder einnahm, welche der Vorhergehende leer gelaſſen hatte. Sollte die Unglückliche gänzlich geheilt werden, ſo mußte ſie auch für die Zukunft verwahrt ſeyn. Es wurde mir 7 *

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/113>, abgerufen am 28.04.2024.