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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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Aus Allem aber erhellt, daß ein förmlicher Contrakt mit
dem Meister der Unnatur keine blose Fiction der Dichter
ist, und daß die Faustianer dieses Reich bey weitem noch
nicht in jenen tiefern Beziehungen erfaßt haben, in wel-
chen die satanische Ironie und Prostitution mit der Men-
schennatur liegt.

Statt daß jetzt die Juristen einen solchen Contrakt als
einen verpönten Rechtshandel von sich weisen, kann man sich
vielmehr darüber wundern, daß sich noch keine Rabbulisten
aufgeworfen haben, welche dem Satan sein Recht, das
er durch einen förmlichen Contrakt auf Leib und
Seele seiner Clienten sich erworben
, als jus quae-
situm
vor den ordentlichen Gerichten vindiciren. Denn da
er doch Persona publica ist und als Fürst der Welt, wie
wir aus der Versuchungsgeschichte wissen, Reiche und Herr-
lichkeiten zu verschenken hat, so ist es doch auffallend, daß
ihm noch kein privilegirter Gerichtsstand eingeräumt ist, vor
welchem seine Anwälte plaidiren. So viel ist gewiß, daß
er vor einem absoluten Forum die meisten Prozesse gewin-
nen würde. Da ihm aber das öffentliche Libelliren noch
nicht gestattet ist, so muß er sich freilich auf die Politik
beschränken, durch Suggestionen die Zaubereyen für Fabeln
zu erklären und ihre Prozesse sogleich zu aboliren.

Gibt es aber wirklich einen Contrakt der Art, so ist ein
anderer Umstand der größten Aufmerksamkeit des Richters
werth, nämlich daß die gewöhnlich schon in früher Jugend
verführten, verblendeten und betrogenen Menschen, die als
verlorene Seelen zu betrachten sind, noch zu rechter Zeit
zu Erkenntniß ihrer Sünden und zur Reue und Bekehrung
gelangen, um ihrer ewigen Bestimmung genügen zu kön-
nen. Und dazu ist nur, wie wir aus unsern Protokollen
ersehen, ein nach den obigen Qualitäten eingerichtetes rich-
terliches Verfahren geeignet.



Aus Allem aber erhellt, daß ein förmlicher Contrakt mit
dem Meiſter der Unnatur keine bloſe Fiction der Dichter
iſt, und daß die Fauſtianer dieſes Reich bey weitem noch
nicht in jenen tiefern Beziehungen erfaßt haben, in wel-
chen die ſataniſche Ironie und Proſtitution mit der Men-
ſchennatur liegt.

Statt daß jetzt die Juriſten einen ſolchen Contrakt als
einen verpönten Rechtshandel von ſich weiſen, kann man ſich
vielmehr darüber wundern, daß ſich noch keine Rabbuliſten
aufgeworfen haben, welche dem Satan ſein Recht, das
er durch einen förmlichen Contrakt auf Leib und
Seele ſeiner Clienten ſich erworben
, als jus quæ-
situm
vor den ordentlichen Gerichten vindiciren. Denn da
er doch Persona publica iſt und als Fürſt der Welt, wie
wir aus der Verſuchungsgeſchichte wiſſen, Reiche und Herr-
lichkeiten zu verſchenken hat, ſo iſt es doch auffallend, daß
ihm noch kein privilegirter Gerichtsſtand eingeräumt iſt, vor
welchem ſeine Anwälte plaidiren. So viel iſt gewiß, daß
er vor einem abſoluten Forum die meiſten Prozeſſe gewin-
nen würde. Da ihm aber das öffentliche Libelliren noch
nicht geſtattet iſt, ſo muß er ſich freilich auf die Politik
beſchränken, durch Suggeſtionen die Zaubereyen für Fabeln
zu erklären und ihre Prozeſſe ſogleich zu aboliren.

Gibt es aber wirklich einen Contrakt der Art, ſo iſt ein
anderer Umſtand der größten Aufmerkſamkeit des Richters
werth, nämlich daß die gewöhnlich ſchon in früher Jugend
verführten, verblendeten und betrogenen Menſchen, die als
verlorene Seelen zu betrachten ſind, noch zu rechter Zeit
zu Erkenntniß ihrer Sünden und zur Reue und Bekehrung
gelangen, um ihrer ewigen Beſtimmung genügen zu kön-
nen. Und dazu iſt nur, wie wir aus unſern Protokollen
erſehen, ein nach den obigen Qualitäten eingerichtetes rich-
terliches Verfahren geeignet.



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[173/0187] Aus Allem aber erhellt, daß ein förmlicher Contrakt mit dem Meiſter der Unnatur keine bloſe Fiction der Dichter iſt, und daß die Fauſtianer dieſes Reich bey weitem noch nicht in jenen tiefern Beziehungen erfaßt haben, in wel- chen die ſataniſche Ironie und Proſtitution mit der Men- ſchennatur liegt. Statt daß jetzt die Juriſten einen ſolchen Contrakt als einen verpönten Rechtshandel von ſich weiſen, kann man ſich vielmehr darüber wundern, daß ſich noch keine Rabbuliſten aufgeworfen haben, welche dem Satan ſein Recht, das er durch einen förmlichen Contrakt auf Leib und Seele ſeiner Clienten ſich erworben, als jus quæ- situm vor den ordentlichen Gerichten vindiciren. Denn da er doch Persona publica iſt und als Fürſt der Welt, wie wir aus der Verſuchungsgeſchichte wiſſen, Reiche und Herr- lichkeiten zu verſchenken hat, ſo iſt es doch auffallend, daß ihm noch kein privilegirter Gerichtsſtand eingeräumt iſt, vor welchem ſeine Anwälte plaidiren. So viel iſt gewiß, daß er vor einem abſoluten Forum die meiſten Prozeſſe gewin- nen würde. Da ihm aber das öffentliche Libelliren noch nicht geſtattet iſt, ſo muß er ſich freilich auf die Politik beſchränken, durch Suggeſtionen die Zaubereyen für Fabeln zu erklären und ihre Prozeſſe ſogleich zu aboliren. Gibt es aber wirklich einen Contrakt der Art, ſo iſt ein anderer Umſtand der größten Aufmerkſamkeit des Richters werth, nämlich daß die gewöhnlich ſchon in früher Jugend verführten, verblendeten und betrogenen Menſchen, die als verlorene Seelen zu betrachten ſind, noch zu rechter Zeit zu Erkenntniß ihrer Sünden und zur Reue und Bekehrung gelangen, um ihrer ewigen Beſtimmung genügen zu kön- nen. Und dazu iſt nur, wie wir aus unſern Protokollen erſehen, ein nach den obigen Qualitäten eingerichtetes rich- terliches Verfahren geeignet.

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/187>, abgerufen am 29.03.2024.