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Kleist, Heinrich von: Der zerbrochne Krug. Berlin, 1811.

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Eve.
Nun schickt die Mutter gestern
Mich in gleichgültigem Geschäft in's Amt,
Zum Richter Adam. Und da ich in das Zimmer trete,
"Gott grüß dich, Evchen! Ei, warum so traurig?"
Spricht er. "Das Köpfchen hängt dir ja wie'n Maien-
glöckchen!
Ich glaubte fast, du weißt, daß es dir steht.
Der Ruprecht! Gelt? Der Ruprecht!" -- Je nun
freilich,
Der Ruprecht, sag' ich; wenn der Mensch was liebt,
Muß er schon auch auf Erden etwas leiden.
Drauf er: "du armes Ding! Hm! Was wohl gäbst du,
Wenn ich den Ruprecht dir von der Miliz befreite?"
Und ich: wenn ihr den Ruprecht mir befreitet?
Ei nun, dafür mögt' ich euch schon was geben.
Wie fingt ihr das wohl an? -- "Du Närrchen, sagt er,
Der Physikus, der kann, und ich kann schreiben,
Verborgne Leibesschäden sieht man nicht,
Und bringt der Ruprecht ein Attest darüber
Zur Comission, so giebt die ihm den Abschied:
Das ist ein Handel, wie um eine Semmel." --
So, sag ich. -- "Ja" -- So, so! Nun, laßt's nur sein,
Herr Dorfrichter, sprech' ich. Daß Gott der Herr
Gerad' den Ruprecht mir zur Lust erschaffen,
Mag ich nicht vor der Commission verläugnen.
Eve.
Nun ſchickt die Mutter geſtern
Mich in gleichguͤltigem Geſchaͤft in’s Amt,
Zum Richter Adam. Und da ich in das Zimmer trete,
„Gott gruͤß dich, Evchen! Ei, warum ſo traurig?“
Spricht er. „Das Koͤpfchen haͤngt dir ja wie’n Maien-
gloͤckchen!
Ich glaubte faſt, du weißt, daß es dir ſteht.
Der Ruprecht! Gelt? Der Ruprecht!“ — Je nun
freilich,
Der Ruprecht, ſag’ ich; wenn der Menſch was liebt,
Muß er ſchon auch auf Erden etwas leiden.
Drauf er: „du armes Ding! Hm! Was wohl gaͤbſt du,
Wenn ich den Ruprecht dir von der Miliz befreite?“
Und ich: wenn ihr den Ruprecht mir befreitet?
Ei nun, dafuͤr moͤgt’ ich euch ſchon was geben.
Wie fingt ihr das wohl an? — „Du Naͤrrchen, ſagt er,
Der Phyſikus, der kann, und ich kann ſchreiben,
Verborgne Leibesſchaͤden ſieht man nicht,
Und bringt der Ruprecht ein Atteſt daruͤber
Zur Comiſſion, ſo giebt die ihm den Abſchied:
Das iſt ein Handel, wie um eine Semmel.“ —
So, ſag ich. — „Ja“ — So, ſo! Nun, laßt’s nur ſein,
Herr Dorfrichter, ſprech’ ich. Daß Gott der Herr
Gerad’ den Ruprecht mir zur Luſt erſchaffen,
Mag ich nicht vor der Commiſſion verlaͤugnen.
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[151/0157] Eve. Nun ſchickt die Mutter geſtern Mich in gleichguͤltigem Geſchaͤft in’s Amt, Zum Richter Adam. Und da ich in das Zimmer trete, „Gott gruͤß dich, Evchen! Ei, warum ſo traurig?“ Spricht er. „Das Koͤpfchen haͤngt dir ja wie’n Maien- gloͤckchen! Ich glaubte faſt, du weißt, daß es dir ſteht. Der Ruprecht! Gelt? Der Ruprecht!“ — Je nun freilich, Der Ruprecht, ſag’ ich; wenn der Menſch was liebt, Muß er ſchon auch auf Erden etwas leiden. Drauf er: „du armes Ding! Hm! Was wohl gaͤbſt du, Wenn ich den Ruprecht dir von der Miliz befreite?“ Und ich: wenn ihr den Ruprecht mir befreitet? Ei nun, dafuͤr moͤgt’ ich euch ſchon was geben. Wie fingt ihr das wohl an? — „Du Naͤrrchen, ſagt er, Der Phyſikus, der kann, und ich kann ſchreiben, Verborgne Leibesſchaͤden ſieht man nicht, Und bringt der Ruprecht ein Atteſt daruͤber Zur Comiſſion, ſo giebt die ihm den Abſchied: Das iſt ein Handel, wie um eine Semmel.“ — So, ſag ich. — „Ja“ — So, ſo! Nun, laßt’s nur ſein, Herr Dorfrichter, ſprech’ ich. Daß Gott der Herr Gerad’ den Ruprecht mir zur Luſt erſchaffen, Mag ich nicht vor der Commiſſion verlaͤugnen.

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Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Der zerbrochne Krug. Berlin, 1811, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_krug_1811/157>, abgerufen am 29.04.2024.