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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

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färbte ihn schwarz, sein häusliches Band,
da er seine Familie nicht mehr zu erhalten
wußte, ward ihm zur Last, und er fieng
für immer an zu glauben, daß die Gerech-
tigkeit, nicht den Vorsitz, bey der Austhei-
lung des Glücks der Menschen habe. Er
nagte an dem Gedanken: wie und woher es
käme, daß der fähige Kopf und der edle
Mann, überall unterdrückt, vernachläßigt
sey, im Elende schmachte, während der
Schelm und der Dummkopf, reich, glück-
lich und angesehen wären. So leicht nun
Weisen und Prediger diesen Zweifel zu he-
ben wissen, so erbittert er gleichwohl, da sie
nur zu dem Verstande reden, und das Ge-
fühl durch die tägliche Erfahrung verwun-
det wird, das Herz des Stolzen, und schlägt
den Sanftern nieder.

2.

In dieser düstern Stimmung, wanderte
Faust von Mainz nach Frankfurth, dem
Hochweisen Magistrat, eine von ihm ge-

druckte

faͤrbte ihn ſchwarz, ſein haͤusliches Band,
da er ſeine Familie nicht mehr zu erhalten
wußte, ward ihm zur Laſt, und er fieng
fuͤr immer an zu glauben, daß die Gerech-
tigkeit, nicht den Vorſitz, bey der Austhei-
lung des Gluͤcks der Menſchen habe. Er
nagte an dem Gedanken: wie und woher es
kaͤme, daß der faͤhige Kopf und der edle
Mann, uͤberall unterdruͤckt, vernachlaͤßigt
ſey, im Elende ſchmachte, waͤhrend der
Schelm und der Dummkopf, reich, gluͤck-
lich und angeſehen waͤren. So leicht nun
Weiſen und Prediger dieſen Zweifel zu he-
ben wiſſen, ſo erbittert er gleichwohl, da ſie
nur zu dem Verſtande reden, und das Ge-
fuͤhl durch die taͤgliche Erfahrung verwun-
det wird, das Herz des Stolzen, und ſchlaͤgt
den Sanftern nieder.

2.

In dieſer duͤſtern Stimmung, wanderte
Fauſt von Mainz nach Frankfurth, dem
Hochweiſen Magiſtrat, eine von ihm ge-

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[8/0019] faͤrbte ihn ſchwarz, ſein haͤusliches Band, da er ſeine Familie nicht mehr zu erhalten wußte, ward ihm zur Laſt, und er fieng fuͤr immer an zu glauben, daß die Gerech- tigkeit, nicht den Vorſitz, bey der Austhei- lung des Gluͤcks der Menſchen habe. Er nagte an dem Gedanken: wie und woher es kaͤme, daß der faͤhige Kopf und der edle Mann, uͤberall unterdruͤckt, vernachlaͤßigt ſey, im Elende ſchmachte, waͤhrend der Schelm und der Dummkopf, reich, gluͤck- lich und angeſehen waͤren. So leicht nun Weiſen und Prediger dieſen Zweifel zu he- ben wiſſen, ſo erbittert er gleichwohl, da ſie nur zu dem Verſtande reden, und das Ge- fuͤhl durch die taͤgliche Erfahrung verwun- det wird, das Herz des Stolzen, und ſchlaͤgt den Sanftern nieder. 2. In dieſer duͤſtern Stimmung, wanderte Fauſt von Mainz nach Frankfurth, dem Hochweiſen Magiſtrat, eine von ihm ge- druckte

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Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/19>, abgerufen am 16.04.2024.