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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

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ler Fausts Gestalt erscheinen, und versezte
sie immer in die anziehendsten Lagen. Sie
sah ihn einen Schatten verfolgen der ihr
glich, und um ihret willen die größten Tha-
ten unternahm, sich den schrecklichsten Ge-
fahren unterwarf, und nachdem er ihre Auf-
merksamkeit gänzlich gefesselt hatte, und
wahrnahm, daß die Neugierde, die Ver-
wicklung, worin Fausts Gestalt mit ihr ver-
flochten war, aufzulösen wünschte, so ver-
wandelte er die Scene, und ließ in schnellem
Wirrwarr die schlüpfrigsten und üppigsten
Erscheinungen der thierischen Liebe, mit den
reizendsten Farben bekleidet, vor den Augen
der unschuldigen Lauscherin gaukeln. Der
Blitz erleuchtet nicht so schnell das Dunkel,
der Wunsch nach Ehebruch entsteht nicht
so schnell in dem Herzen des Wollüstlings,
als diese Erscheinungen vorüberflogen. Eine
Sekunde ist Dauer dagegen. Kaum hatte
die Unschuldige das Auge an den Kasten ge-
legt, als das Gift schon in ihr Herz geflos-
sen war. Sie sah, bevor sie fliehen konnte.

Nun

ler Fauſts Geſtalt erſcheinen, und verſezte
ſie immer in die anziehendſten Lagen. Sie
ſah ihn einen Schatten verfolgen der ihr
glich, und um ihret willen die groͤßten Tha-
ten unternahm, ſich den ſchrecklichſten Ge-
fahren unterwarf, und nachdem er ihre Auf-
merkſamkeit gaͤnzlich gefeſſelt hatte, und
wahrnahm, daß die Neugierde, die Ver-
wicklung, worin Fauſts Geſtalt mit ihr ver-
flochten war, aufzuloͤſen wuͤnſchte, ſo ver-
wandelte er die Scene, und ließ in ſchnellem
Wirrwarr die ſchluͤpfrigſten und uͤppigſten
Erſcheinungen der thieriſchen Liebe, mit den
reizendſten Farben bekleidet, vor den Augen
der unſchuldigen Lauſcherin gaukeln. Der
Blitz erleuchtet nicht ſo ſchnell das Dunkel,
der Wunſch nach Ehebruch entſteht nicht
ſo ſchnell in dem Herzen des Wolluͤſtlings,
als dieſe Erſcheinungen voruͤberflogen. Eine
Sekunde iſt Dauer dagegen. Kaum hatte
die Unſchuldige das Auge an den Kaſten ge-
legt, als das Gift ſchon in ihr Herz gefloſ-
ſen war. Sie ſah, bevor ſie fliehen konnte.

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[226/0237] ler Fauſts Geſtalt erſcheinen, und verſezte ſie immer in die anziehendſten Lagen. Sie ſah ihn einen Schatten verfolgen der ihr glich, und um ihret willen die groͤßten Tha- ten unternahm, ſich den ſchrecklichſten Ge- fahren unterwarf, und nachdem er ihre Auf- merkſamkeit gaͤnzlich gefeſſelt hatte, und wahrnahm, daß die Neugierde, die Ver- wicklung, worin Fauſts Geſtalt mit ihr ver- flochten war, aufzuloͤſen wuͤnſchte, ſo ver- wandelte er die Scene, und ließ in ſchnellem Wirrwarr die ſchluͤpfrigſten und uͤppigſten Erſcheinungen der thieriſchen Liebe, mit den reizendſten Farben bekleidet, vor den Augen der unſchuldigen Lauſcherin gaukeln. Der Blitz erleuchtet nicht ſo ſchnell das Dunkel, der Wunſch nach Ehebruch entſteht nicht ſo ſchnell in dem Herzen des Wolluͤſtlings, als dieſe Erſcheinungen voruͤberflogen. Eine Sekunde iſt Dauer dagegen. Kaum hatte die Unſchuldige das Auge an den Kaſten ge- legt, als das Gift ſchon in ihr Herz gefloſ- ſen war. Sie ſah, bevor ſie fliehen konnte. Nun

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Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/237>, abgerufen am 06.05.2024.