Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

cher ist, da es jedem Verständigen ihre Klein-
heit und Schwäche nur merklicher macht.
Einige Tage verstrichen unter Jagd- und an-
dern Ergötzlichkeiten, und der freundliche
Prinz zog Fausten immer mehr an sich. Das
Einzige was ihm mißfiel, war die Neigung
des Prinzen zu seinem Beichtvater, dem
Benediktiner. Er überhäufte diesen mit so
vieler Zärtlichkeit und Freundschaft, ließ
seinen Willen so gefällig von ihm lenken,
und der Mönch beantwortete alles mit so
einer frömmelnden Miene, daß Faust nicht be-
greifen konnte, wie ein Mann von so off-
nem Betragen eine solche heuchlerische Mas-
ke liebkosen könnte. Der Teufel enthüllte
ihm bald das Räthsel, durch das Verhältniß
des Prinzen mit der Dame Montserau. Der
Prinz hatte eben so viel Liebe für sie, als
Furcht vor der Hölle, und weil ihr Gemahl
noch lebte, so machte es seine Lage mit ihr be-
denklich. Da er ihr also nicht entsagen,
und doch der Hölle gern entgehen wollte,
so bediente er sich des bekannten Seiten-

wegs,
Q 3

cher iſt, da es jedem Verſtaͤndigen ihre Klein-
heit und Schwaͤche nur merklicher macht.
Einige Tage verſtrichen unter Jagd- und an-
dern Ergoͤtzlichkeiten, und der freundliche
Prinz zog Fauſten immer mehr an ſich. Das
Einzige was ihm mißfiel, war die Neigung
des Prinzen zu ſeinem Beichtvater, dem
Benediktiner. Er uͤberhaͤufte dieſen mit ſo
vieler Zaͤrtlichkeit und Freundſchaft, ließ
ſeinen Willen ſo gefaͤllig von ihm lenken,
und der Moͤnch beantwortete alles mit ſo
einer froͤmmelnden Miene, daß Fauſt nicht be-
greifen konnte, wie ein Mann von ſo off-
nem Betragen eine ſolche heuchleriſche Mas-
ke liebkoſen koͤnnte. Der Teufel enthuͤllte
ihm bald das Raͤthſel, durch das Verhaͤltniß
des Prinzen mit der Dame Montſerau. Der
Prinz hatte eben ſo viel Liebe fuͤr ſie, als
Furcht vor der Hoͤlle, und weil ihr Gemahl
noch lebte, ſo machte es ſeine Lage mit ihr be-
denklich. Da er ihr alſo nicht entſagen,
und doch der Hoͤlle gern entgehen wollte,
ſo bediente er ſich des bekannten Seiten-

wegs,
Q 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0256" n="245"/>
cher i&#x017F;t, da es jedem Ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen ihre Klein-<lb/>
heit und Schwa&#x0364;che nur merklicher macht.<lb/>
Einige Tage ver&#x017F;trichen unter Jagd- und an-<lb/>
dern Ergo&#x0364;tzlichkeiten, und der freundliche<lb/>
Prinz zog Fau&#x017F;ten immer mehr an &#x017F;ich. Das<lb/>
Einzige was ihm mißfiel, war die Neigung<lb/>
des Prinzen zu &#x017F;einem Beichtvater, dem<lb/>
Benediktiner. Er u&#x0364;berha&#x0364;ufte die&#x017F;en mit &#x017F;o<lb/>
vieler Za&#x0364;rtlichkeit und Freund&#x017F;chaft, ließ<lb/>
&#x017F;einen Willen &#x017F;o gefa&#x0364;llig von ihm lenken,<lb/>
und der Mo&#x0364;nch beantwortete alles mit &#x017F;o<lb/>
einer fro&#x0364;mmelnden Miene, daß Fau&#x017F;t nicht be-<lb/>
greifen konnte, wie ein Mann von &#x017F;o off-<lb/>
nem Betragen eine &#x017F;olche heuchleri&#x017F;che Mas-<lb/>
ke liebko&#x017F;en ko&#x0364;nnte. Der Teufel enthu&#x0364;llte<lb/>
ihm bald das Ra&#x0364;th&#x017F;el, durch das Verha&#x0364;ltniß<lb/>
des Prinzen mit der Dame Mont&#x017F;erau. Der<lb/>
Prinz hatte eben &#x017F;o viel Liebe fu&#x0364;r &#x017F;ie, als<lb/>
Furcht vor der Ho&#x0364;lle, und weil ihr Gemahl<lb/>
noch lebte, &#x017F;o machte es &#x017F;eine Lage mit ihr be-<lb/>
denklich. Da er ihr al&#x017F;o nicht ent&#x017F;agen,<lb/>
und doch der Ho&#x0364;lle gern entgehen wollte,<lb/>
&#x017F;o bediente er &#x017F;ich des bekannten Seiten-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 3</fw><fw place="bottom" type="catch">wegs,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0256] cher iſt, da es jedem Verſtaͤndigen ihre Klein- heit und Schwaͤche nur merklicher macht. Einige Tage verſtrichen unter Jagd- und an- dern Ergoͤtzlichkeiten, und der freundliche Prinz zog Fauſten immer mehr an ſich. Das Einzige was ihm mißfiel, war die Neigung des Prinzen zu ſeinem Beichtvater, dem Benediktiner. Er uͤberhaͤufte dieſen mit ſo vieler Zaͤrtlichkeit und Freundſchaft, ließ ſeinen Willen ſo gefaͤllig von ihm lenken, und der Moͤnch beantwortete alles mit ſo einer froͤmmelnden Miene, daß Fauſt nicht be- greifen konnte, wie ein Mann von ſo off- nem Betragen eine ſolche heuchleriſche Mas- ke liebkoſen koͤnnte. Der Teufel enthuͤllte ihm bald das Raͤthſel, durch das Verhaͤltniß des Prinzen mit der Dame Montſerau. Der Prinz hatte eben ſo viel Liebe fuͤr ſie, als Furcht vor der Hoͤlle, und weil ihr Gemahl noch lebte, ſo machte es ſeine Lage mit ihr be- denklich. Da er ihr alſo nicht entſagen, und doch der Hoͤlle gern entgehen wollte, ſo bediente er ſich des bekannten Seiten- wegs, Q 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/256
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/256>, abgerufen am 06.05.2024.