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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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I. Vorbegriffe. §. 3. Eintheilung der Erfindungen.
Anwendung einer neuen Bewegungskraft für sich allein als Ge-
genstand eines Erfindungspatentes bezeichnet wird, so fehlt es
an der nothwendigen objectiven Begrenzung des Rechtes des
Erfinders; denn die benutzte Productivkraft der Natur kann
durch die vereinzelte Anwendung nicht für alle möglichen künf-
tigen Arten der Verwendung monopolisirt werden. Es würde
eine ungerechtfertigte Beschränkung des Erfindungsgeistes ein-
schliessen, wenn jede neue Anwendung einer zuerst in einer
bestimmten Form verwendeten Betriebskraft nur dem Urheber
dieser ersten Verwendung gestattet würde. Das ausschliessliche
Recht des Erfinders muss daher vernünftiger Weise auf die-
jenige Anwendung beschränkt bleiben, welche er zuerst von
der neuen Bewegungskraft gemacht hat. Die Nothwendigkeit
dieser Beschränkung wird durch die Geschichte der Dampfma-
schine deutlich gemacht.

Watt erfand (oder vervollkommnete) zuerst das Mittel,
die Spannkraft der Dämpfe durch ihre abwechselnde Conden-
sation in eine continuirliche Bewegung umzusetzen. Hornblo-
wer und Trevithik, die Erfinder der Hochdruckmaschine, erreich-
ten später denselben Zweck auf einem andern Wege, indem
sie hochgespannte Dämpfe ohne Mithülfe der Condensation
mit dem Drucke der Atmosphäre in Wechselwirkung setzten.
Woolf verband hierauf die Anwendung des Hochdrucks mit der
Condensation und machte dadurch noch die Expansion der
hochgespannten Dämpfe nutzbar. Endlich wurde in der jüng-
sten Zeit das Ausströmen der gespannten Dämpfe in das Was-
ser unmittelbar als Mittel zur Fortbewegung von Schiffen ver-
wendet. -- Jede dieser Erfindungen hatte einen selbständigen
Gegenstand und war für sich patentfähig, obgleich dieselben auf
der Verwendung eines und desselben Motors beruhten. Ebenso
leuchtet ein, dass die Erfindung des electrischen Telegraphen
nicht die Patentirung einer electromagnetischen Kraftmaschine
oder des electrischen Lichtes ausschliessen könnte.

Daher kann nicht die neu erfundene Bewegungskraft,
sondern nur der ausgeführte Motor Gegenstand des Erfindungs-
patentes sein, d. h. die äussere Vorrichtung oder das Verfahren,
durch welches die Bewegungskraft technisch nutzbar gemacht
wird1) und die Erfindung eines Motors muss entweder der

1) Dagegen schliesst das für einen solchen Motor ertheilte Pa-

I. Vorbegriffe. §. 3. Eintheilung der Erfindungen.
Anwendung einer neuen Bewegungskraft für sich allein als Ge-
genstand eines Erfindungspatentes bezeichnet wird, so fehlt es
an der nothwendigen objectiven Begrenzung des Rechtes des
Erfinders; denn die benutzte Productivkraft der Natur kann
durch die vereinzelte Anwendung nicht für alle möglichen künf-
tigen Arten der Verwendung monopolisirt werden. Es würde
eine ungerechtfertigte Beschränkung des Erfindungsgeistes ein-
schliessen, wenn jede neue Anwendung einer zuerst in einer
bestimmten Form verwendeten Betriebskraft nur dem Urheber
dieser ersten Verwendung gestattet würde. Das ausschliessliche
Recht des Erfinders muss daher vernünftiger Weise auf die-
jenige Anwendung beschränkt bleiben, welche er zuerst von
der neuen Bewegungskraft gemacht hat. Die Nothwendigkeit
dieser Beschränkung wird durch die Geschichte der Dampfma-
schine deutlich gemacht.

Watt erfand (oder vervollkommnete) zuerst das Mittel,
die Spannkraft der Dämpfe durch ihre abwechselnde Conden-
sation in eine continuirliche Bewegung umzusetzen. Hornblo-
wer und Trevithik, die Erfinder der Hochdruckmaschine, erreich-
ten später denselben Zweck auf einem andern Wege, indem
sie hochgespannte Dämpfe ohne Mithülfe der Condensation
mit dem Drucke der Atmosphäre in Wechselwirkung setzten.
Woolf verband hierauf die Anwendung des Hochdrucks mit der
Condensation und machte dadurch noch die Expansion der
hochgespannten Dämpfe nutzbar. Endlich wurde in der jüng-
sten Zeit das Ausströmen der gespannten Dämpfe in das Was-
ser unmittelbar als Mittel zur Fortbewegung von Schiffen ver-
wendet. — Jede dieser Erfindungen hatte einen selbständigen
Gegenstand und war für sich patentfähig, obgleich dieselben auf
der Verwendung eines und desselben Motors beruhten. Ebenso
leuchtet ein, dass die Erfindung des electrischen Telegraphen
nicht die Patentirung einer electromagnetischen Kraftmaschine
oder des electrischen Lichtes ausschliessen könnte.

Daher kann nicht die neu erfundene Bewegungskraft,
sondern nur der ausgeführte Motor Gegenstand des Erfindungs-
patentes sein, d. h. die äussere Vorrichtung oder das Verfahren,
durch welches die Bewegungskraft technisch nutzbar gemacht
wird1) und die Erfindung eines Motors muss entweder der

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[32/0059] I. Vorbegriffe. §. 3. Eintheilung der Erfindungen. Anwendung einer neuen Bewegungskraft für sich allein als Ge- genstand eines Erfindungspatentes bezeichnet wird, so fehlt es an der nothwendigen objectiven Begrenzung des Rechtes des Erfinders; denn die benutzte Productivkraft der Natur kann durch die vereinzelte Anwendung nicht für alle möglichen künf- tigen Arten der Verwendung monopolisirt werden. Es würde eine ungerechtfertigte Beschränkung des Erfindungsgeistes ein- schliessen, wenn jede neue Anwendung einer zuerst in einer bestimmten Form verwendeten Betriebskraft nur dem Urheber dieser ersten Verwendung gestattet würde. Das ausschliessliche Recht des Erfinders muss daher vernünftiger Weise auf die- jenige Anwendung beschränkt bleiben, welche er zuerst von der neuen Bewegungskraft gemacht hat. Die Nothwendigkeit dieser Beschränkung wird durch die Geschichte der Dampfma- schine deutlich gemacht. Watt erfand (oder vervollkommnete) zuerst das Mittel, die Spannkraft der Dämpfe durch ihre abwechselnde Conden- sation in eine continuirliche Bewegung umzusetzen. Hornblo- wer und Trevithik, die Erfinder der Hochdruckmaschine, erreich- ten später denselben Zweck auf einem andern Wege, indem sie hochgespannte Dämpfe ohne Mithülfe der Condensation mit dem Drucke der Atmosphäre in Wechselwirkung setzten. Woolf verband hierauf die Anwendung des Hochdrucks mit der Condensation und machte dadurch noch die Expansion der hochgespannten Dämpfe nutzbar. Endlich wurde in der jüng- sten Zeit das Ausströmen der gespannten Dämpfe in das Was- ser unmittelbar als Mittel zur Fortbewegung von Schiffen ver- wendet. — Jede dieser Erfindungen hatte einen selbständigen Gegenstand und war für sich patentfähig, obgleich dieselben auf der Verwendung eines und desselben Motors beruhten. Ebenso leuchtet ein, dass die Erfindung des electrischen Telegraphen nicht die Patentirung einer electromagnetischen Kraftmaschine oder des electrischen Lichtes ausschliessen könnte. Daher kann nicht die neu erfundene Bewegungskraft, sondern nur der ausgeführte Motor Gegenstand des Erfindungs- patentes sein, d. h. die äussere Vorrichtung oder das Verfahren, durch welches die Bewegungskraft technisch nutzbar gemacht wird 1) und die Erfindung eines Motors muss entweder der 1) Dagegen schliesst das für einen solchen Motor ertheilte Pa-

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/59>, abgerufen am 29.04.2024.