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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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I. Vorbegriffe. §. 4. Neue Erfindungen.
(Bd. I S. 204) mitgetheilten Ausführungen Aragos hervorgeht,
den Zweck, den Patentschutz auch denjenigen Erfindungen zu
sichern, deren Gegenstand nicht in einem bisher unbekannten
Producte, noch auch in neuen Vorrichtungen oder Prozessen
besteht, welche vielmehr sich als neue Erfindungen dadurch
characterisiren, dass sie einen wissenschaftlich erkannten Erfah-
rungssatz in einer technischen Anwendung gewerblich nutzbar
machen. Auch die französische Praxis hat im Anschluss an
diese Motive der Gesetzgebung die Patentfähigkeit solcher auf
das gewerbliche Gebiet übertragenen wissenschaftlichen Ent-
deckungen in verschiedenen Beispielen anerkannt, wie die oben
erwähnten Patente von Sorel, Deville und Verguin beweisen.
(Bd. I S. 205. Bd. II S. 5 Note 1, S. 11.) Wenn in diesen Fällen
die Gültigkeit der nachgesuchten Patente bisher nicht ange-
fochten ist, obgleich die Fabrikation sowohl des Aluminiums
als der Anilinfarben sich in den wenigen Jahren seit ihrer
Entdeckung zu einem sehr wichtigen Gewerbszweige ausgebildet
hat, so liegt darin vielleicht ein stärkerer Beweis für die gel-
tende allgemeine Rechtsüberzeugung, als solcher in einem con-
tradictorischen Urtheile gefunden werden könnte. Es fehlt je-
doch auch nicht an der judicatmässigen Feststellung der hier
erläuterten Auslegung des Französischen Patentgesetzes. In
dem von Renouard1) mitgetheilten Urtheile des Pariser Cassa-
tionshofes vom 13. August 1845 werden die Einwendungen ge-
gen die Gültigkeit des Elkingtonschen Patentes über Anwen-
dung einer alkalischen Goldlösung zur Vergoldung aus fol-
genden Gründen verworfen: "Wenn auch nach der thatsächli-
chen Feststellung des Appellationsgerichtshofes die alkalische
Goldlösung, wie sie Elkington anwendet, seit langer Zeit be-
kannt und beschrieben war, so war doch die Entdeckung eine
rein wissenschaftliche geblieben; und Elkington hat sie zuerst
wirklich auf das Gewerbe der Vergoldung angewendet. Elking-
ton bezeichnet überdies in seiner Patentbeschreibung als Ge-
genstand seiner Erfindung die Anwendung des kohlensauren
Kalis oder Natrons in Verbindung mit einer Goldlösung zum
Zwecke der technischen Vergoldung und diese Anwendung
ist es eben, welche in dem angefochtenen Urtheile als neu be-
zeichnet wird. Jede neue gewerbliche Anwendung auch eines

1) Traite des brevets d'inventions p. 277.

I. Vorbegriffe. §. 4. Neue Erfindungen.
(Bd. I S. 204) mitgetheilten Ausführungen Aragos hervorgeht,
den Zweck, den Patentschutz auch denjenigen Erfindungen zu
sichern, deren Gegenstand nicht in einem bisher unbekannten
Producte, noch auch in neuen Vorrichtungen oder Prozessen
besteht, welche vielmehr sich als neue Erfindungen dadurch
characterisiren, dass sie einen wissenschaftlich erkannten Erfah-
rungssatz in einer technischen Anwendung gewerblich nutzbar
machen. Auch die französische Praxis hat im Anschluss an
diese Motive der Gesetzgebung die Patentfähigkeit solcher auf
das gewerbliche Gebiet übertragenen wissenschaftlichen Ent-
deckungen in verschiedenen Beispielen anerkannt, wie die oben
erwähnten Patente von Sorel, Deville und Verguin beweisen.
(Bd. I S. 205. Bd. II S. 5 Note 1, S. 11.) Wenn in diesen Fällen
die Gültigkeit der nachgesuchten Patente bisher nicht ange-
fochten ist, obgleich die Fabrikation sowohl des Aluminiums
als der Anilinfarben sich in den wenigen Jahren seit ihrer
Entdeckung zu einem sehr wichtigen Gewerbszweige ausgebildet
hat, so liegt darin vielleicht ein stärkerer Beweis für die gel-
tende allgemeine Rechtsüberzeugung, als solcher in einem con-
tradictorischen Urtheile gefunden werden könnte. Es fehlt je-
doch auch nicht an der judicatmässigen Feststellung der hier
erläuterten Auslegung des Französischen Patentgesetzes. In
dem von Renouard1) mitgetheilten Urtheile des Pariser Cassa-
tionshofes vom 13. August 1845 werden die Einwendungen ge-
gen die Gültigkeit des Elkingtonschen Patentes über Anwen-
dung einer alkalischen Goldlösung zur Vergoldung aus fol-
genden Gründen verworfen: »Wenn auch nach der thatsächli-
chen Feststellung des Appellationsgerichtshofes die alkalische
Goldlösung, wie sie Elkington anwendet, seit langer Zeit be-
kannt und beschrieben war, so war doch die Entdeckung eine
rein wissenschaftliche geblieben; und Elkington hat sie zuerst
wirklich auf das Gewerbe der Vergoldung angewendet. Elking-
ton bezeichnet überdies in seiner Patentbeschreibung als Ge-
genstand seiner Erfindung die Anwendung des kohlensauren
Kalis oder Natrons in Verbindung mit einer Goldlösung zum
Zwecke der technischen Vergoldung und diese Anwendung
ist es eben, welche in dem angefochtenen Urtheile als neu be-
zeichnet wird. Jede neue gewerbliche Anwendung auch eines

1) Traité des brevets d’inventions p. 277.
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[38/0065] I. Vorbegriffe. §. 4. Neue Erfindungen. (Bd. I S. 204) mitgetheilten Ausführungen Aragos hervorgeht, den Zweck, den Patentschutz auch denjenigen Erfindungen zu sichern, deren Gegenstand nicht in einem bisher unbekannten Producte, noch auch in neuen Vorrichtungen oder Prozessen besteht, welche vielmehr sich als neue Erfindungen dadurch characterisiren, dass sie einen wissenschaftlich erkannten Erfah- rungssatz in einer technischen Anwendung gewerblich nutzbar machen. Auch die französische Praxis hat im Anschluss an diese Motive der Gesetzgebung die Patentfähigkeit solcher auf das gewerbliche Gebiet übertragenen wissenschaftlichen Ent- deckungen in verschiedenen Beispielen anerkannt, wie die oben erwähnten Patente von Sorel, Deville und Verguin beweisen. (Bd. I S. 205. Bd. II S. 5 Note 1, S. 11.) Wenn in diesen Fällen die Gültigkeit der nachgesuchten Patente bisher nicht ange- fochten ist, obgleich die Fabrikation sowohl des Aluminiums als der Anilinfarben sich in den wenigen Jahren seit ihrer Entdeckung zu einem sehr wichtigen Gewerbszweige ausgebildet hat, so liegt darin vielleicht ein stärkerer Beweis für die gel- tende allgemeine Rechtsüberzeugung, als solcher in einem con- tradictorischen Urtheile gefunden werden könnte. Es fehlt je- doch auch nicht an der judicatmässigen Feststellung der hier erläuterten Auslegung des Französischen Patentgesetzes. In dem von Renouard 1) mitgetheilten Urtheile des Pariser Cassa- tionshofes vom 13. August 1845 werden die Einwendungen ge- gen die Gültigkeit des Elkingtonschen Patentes über Anwen- dung einer alkalischen Goldlösung zur Vergoldung aus fol- genden Gründen verworfen: »Wenn auch nach der thatsächli- chen Feststellung des Appellationsgerichtshofes die alkalische Goldlösung, wie sie Elkington anwendet, seit langer Zeit be- kannt und beschrieben war, so war doch die Entdeckung eine rein wissenschaftliche geblieben; und Elkington hat sie zuerst wirklich auf das Gewerbe der Vergoldung angewendet. Elking- ton bezeichnet überdies in seiner Patentbeschreibung als Ge- genstand seiner Erfindung die Anwendung des kohlensauren Kalis oder Natrons in Verbindung mit einer Goldlösung zum Zwecke der technischen Vergoldung und diese Anwendung ist es eben, welche in dem angefochtenen Urtheile als neu be- zeichnet wird. Jede neue gewerbliche Anwendung auch eines 1) Traité des brevets d’inventions p. 277.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/65>, abgerufen am 28.04.2024.