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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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Englisches und Französisches Recht.
eingeräumt, für die Veränderungen, Verbesserungen und Zu-
sätze, für welche er während dieses Jahres ein Zusatzcertificat
oder ein Patent gelöst hat.

Diese Bestimmung ist in das Italienische Gesetz vom 30. Oc-
tober 1859 Art. 26 mit der Einschränkung der Schutzfrist auf
6 Monate übernommen. Sie ist den übrigen Patentgesetzgebun-
gen fremd und ihre Zweckmässigkeit ist auch in Frankreich nicht
unbestritten. Bei den Kammerberathungen über den Entwurf
des Patentgesetzes, welcher nur den ersten der oben angeführ-
ten Sätze als Art. 18 enthielt, erklärten sich Gay Lussac, Arago
und Marie auf das Bestimmteste gegen eine solche Ausdeh-
nung der Rechte des Erfinders. Der Erstere bemerkte:

"Das Gesetz verleiht dem Erfinder ein beschränktes Monopol
für die unter den Patentschutz gestellte Erfindung. Allein es
ist niemals seine Absicht gewesen, den einen Erfinder durch
Beraubung des andern zu schützen und dem Patentinhaber auch
die künftig möglichen Anwendungen seiner Erfindung vorzubehal-
ten unter dem Vorwande, dass er sie später gefunden haben
würde, wenn ihm nicht ein Anderer zuvorgekommen wäre. Ge-
wiss! dadurch würde dem ersten Erfinder ein mächtiger Schutz
gewährt. Er hat nicht vermocht, seine Entdeckung zu vollen-
den, aber alle Gewerbtreibenden werden für ihn arbeiten, wie
Leibeigene ihres neuen Herrn. Die Frucht ihrer Intelligenz,
ihrer Anstrengungen und ihrer Auslagen, alles wird zum Vor-
theile des glücklichen Patentinhabers confiscirt. Und das nennt
man Schutz? Ich würde als gewerblicher Erfinder dessen nicht
begehren, ich würde ihn als eine offene und schreiende Berau-
bung Anderer verschmähen"1).

Diesen Einwendungen im Interesse der concurrirenden
Erfinder fügte Marie vom Gesichtspuncte des gewerblichen
Fortschrittes noch folgende Bemerkungen hinzu:

"Die Folge des Artikels wird sein, dass dem Erfinder nicht
bloss das Monopol für die gemachte Erfindung, sondern auch
für alle während eines Jahres zu machenden Verbesserungen ge-
währt wird. Das wird zur Folge haben, dass alle Gewerbtrei-
benden, welche sich mit der weiteren Entwickelung und Ver-
bessernng der Erfindung beschäftigen könnten, nichts besseres
1) Renouard, Traite des brevets d'invention p. 290.

Englisches und Französisches Recht.
eingeräumt, für die Veränderungen, Verbesserungen und Zu-
sätze, für welche er während dieses Jahres ein Zusatzcertificat
oder ein Patent gelöst hat.

Diese Bestimmung ist in das Italienische Gesetz vom 30. Oc-
tober 1859 Art. 26 mit der Einschränkung der Schutzfrist auf
6 Monate übernommen. Sie ist den übrigen Patentgesetzgebun-
gen fremd und ihre Zweckmässigkeit ist auch in Frankreich nicht
unbestritten. Bei den Kammerberathungen über den Entwurf
des Patentgesetzes, welcher nur den ersten der oben angeführ-
ten Sätze als Art. 18 enthielt, erklärten sich Gay Lussac, Arago
und Marie auf das Bestimmteste gegen eine solche Ausdeh-
nung der Rechte des Erfinders. Der Erstere bemerkte:

»Das Gesetz verleiht dem Erfinder ein beschränktes Monopol
für die unter den Patentschutz gestellte Erfindung. Allein es
ist niemals seine Absicht gewesen, den einen Erfinder durch
Beraubung des andern zu schützen und dem Patentinhaber auch
die künftig möglichen Anwendungen seiner Erfindung vorzubehal-
ten unter dem Vorwande, dass er sie später gefunden haben
würde, wenn ihm nicht ein Anderer zuvorgekommen wäre. Ge-
wiss! dadurch würde dem ersten Erfinder ein mächtiger Schutz
gewährt. Er hat nicht vermocht, seine Entdeckung zu vollen-
den, aber alle Gewerbtreibenden werden für ihn arbeiten, wie
Leibeigene ihres neuen Herrn. Die Frucht ihrer Intelligenz,
ihrer Anstrengungen und ihrer Auslagen, alles wird zum Vor-
theile des glücklichen Patentinhabers confiscirt. Und das nennt
man Schutz? Ich würde als gewerblicher Erfinder dessen nicht
begehren, ich würde ihn als eine offene und schreiende Berau-
bung Anderer verschmähen«1).

Diesen Einwendungen im Interesse der concurrirenden
Erfinder fügte Marie vom Gesichtspuncte des gewerblichen
Fortschrittes noch folgende Bemerkungen hinzu:

»Die Folge des Artikels wird sein, dass dem Erfinder nicht
bloss das Monopol für die gemachte Erfindung, sondern auch
für alle während eines Jahres zu machenden Verbesserungen ge-
währt wird. Das wird zur Folge haben, dass alle Gewerbtrei-
benden, welche sich mit der weiteren Entwickelung und Ver-
bessernng der Erfindung beschäftigen könnten, nichts besseres
1) Renouard, Traité des brevets d’invention p. 290.
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[63/0090] Englisches und Französisches Recht. eingeräumt, für die Veränderungen, Verbesserungen und Zu- sätze, für welche er während dieses Jahres ein Zusatzcertificat oder ein Patent gelöst hat. Diese Bestimmung ist in das Italienische Gesetz vom 30. Oc- tober 1859 Art. 26 mit der Einschränkung der Schutzfrist auf 6 Monate übernommen. Sie ist den übrigen Patentgesetzgebun- gen fremd und ihre Zweckmässigkeit ist auch in Frankreich nicht unbestritten. Bei den Kammerberathungen über den Entwurf des Patentgesetzes, welcher nur den ersten der oben angeführ- ten Sätze als Art. 18 enthielt, erklärten sich Gay Lussac, Arago und Marie auf das Bestimmteste gegen eine solche Ausdeh- nung der Rechte des Erfinders. Der Erstere bemerkte: »Das Gesetz verleiht dem Erfinder ein beschränktes Monopol für die unter den Patentschutz gestellte Erfindung. Allein es ist niemals seine Absicht gewesen, den einen Erfinder durch Beraubung des andern zu schützen und dem Patentinhaber auch die künftig möglichen Anwendungen seiner Erfindung vorzubehal- ten unter dem Vorwande, dass er sie später gefunden haben würde, wenn ihm nicht ein Anderer zuvorgekommen wäre. Ge- wiss! dadurch würde dem ersten Erfinder ein mächtiger Schutz gewährt. Er hat nicht vermocht, seine Entdeckung zu vollen- den, aber alle Gewerbtreibenden werden für ihn arbeiten, wie Leibeigene ihres neuen Herrn. Die Frucht ihrer Intelligenz, ihrer Anstrengungen und ihrer Auslagen, alles wird zum Vor- theile des glücklichen Patentinhabers confiscirt. Und das nennt man Schutz? Ich würde als gewerblicher Erfinder dessen nicht begehren, ich würde ihn als eine offene und schreiende Berau- bung Anderer verschmähen« 1). Diesen Einwendungen im Interesse der concurrirenden Erfinder fügte Marie vom Gesichtspuncte des gewerblichen Fortschrittes noch folgende Bemerkungen hinzu: »Die Folge des Artikels wird sein, dass dem Erfinder nicht bloss das Monopol für die gemachte Erfindung, sondern auch für alle während eines Jahres zu machenden Verbesserungen ge- währt wird. Das wird zur Folge haben, dass alle Gewerbtrei- benden, welche sich mit der weiteren Entwickelung und Ver- bessernng der Erfindung beschäftigen könnten, nichts besseres 1) Renouard, Traité des brevets d’invention p. 290.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/90>, abgerufen am 29.04.2024.