Franzmann zum Geschenke gab. Die Spitä- ler liefern uns häufig dergleichen traurige Schlachtopfer -- da geh hin, wenn du mensch- liches Elend sehen willst -- da geh hin, wenn die Sirenenstimme der Wollust, dich an ihr tödlich Ufer einladet, und gewiß du wirst zurückbe- ben, wenn du noch Gefühl für dein eignes Wol hast.
Jch will nicht bei den Jdeen stehen bleiben, die euch meine Fantasie hier entworfen hat, ob ich gleich für ihre Warheit Bürge bin, nein, ich will euch auch noch eine wahre Thatsache enthül- len, die euch von der Richtigkeit meiner Behaup- tungen überzeugen wird.
Marie, die Tochter eines Landpredigers in N. hatte bereits ihr sechzehntes Jahr erreicht, da ihre Mutter starb; sie nahm sich des Hauswe- sens getreulich an, und bezeugte sich in allen Fällen als ein gutes, tugendhaftes Mädchen: auf Schönheit konnte sie vielleicht eher Anspruch machen, da sie den Gang der Natur nicht ver- rükte, und zu unerfahren war, falschen Schim-
Franzmann zum Geſchenke gab. Die Spitaͤ- ler liefern uns haͤufig dergleichen traurige Schlachtopfer — da geh hin, wenn du menſch- liches Elend ſehen willſt — da geh hin, wenn die Sirenenſtimme der Wolluſt, dich an ihr toͤdlich Ufer einladet, und gewiß du wirſt zuruͤckbe- ben, wenn du noch Gefuͤhl fuͤr dein eignes Wol haſt.
Jch will nicht bei den Jdeen ſtehen bleiben, die euch meine Fantaſie hier entworfen hat, ob ich gleich fuͤr ihre Warheit Buͤrge bin, nein, ich will euch auch noch eine wahre Thatſache enthuͤl- len, die euch von der Richtigkeit meiner Behaup- tungen uͤberzeugen wird.
Marie, die Tochter eines Landpredigers in N. hatte bereits ihr ſechzehntes Jahr erreicht, da ihre Mutter ſtarb; ſie nahm ſich des Hauswe- ſens getreulich an, und bezeugte ſich in allen Faͤllen als ein gutes, tugendhaftes Maͤdchen: auf Schoͤnheit konnte ſie vielleicht eher Anſpruch machen, da ſie den Gang der Natur nicht ver- ruͤkte, und zu unerfahren war, falſchen Schim-
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Franzmann zum Geſchenke gab. Die Spitaͤ-
ler liefern uns haͤufig dergleichen traurige
Schlachtopfer — da geh hin, wenn du menſch-
liches Elend ſehen willſt — da geh hin, wenn die
Sirenenſtimme der Wolluſt, dich an ihr toͤdlich
Ufer einladet, und gewiß du wirſt zuruͤckbe-
ben, wenn du noch Gefuͤhl fuͤr dein eignes
Wol haſt.
Jch will nicht bei den Jdeen ſtehen bleiben,
die euch meine Fantaſie hier entworfen hat, ob
ich gleich fuͤr ihre Warheit Buͤrge bin, nein, ich
will euch auch noch eine wahre Thatſache enthuͤl-
len, die euch von der Richtigkeit meiner Behaup-
tungen uͤberzeugen wird.
Marie, die Tochter eines Landpredigers in N.
hatte bereits ihr ſechzehntes Jahr erreicht, da
ihre Mutter ſtarb; ſie nahm ſich des Hauswe-
ſens getreulich an, und bezeugte ſich in allen
Faͤllen als ein gutes, tugendhaftes Maͤdchen:
auf Schoͤnheit konnte ſie vielleicht eher Anſpruch
machen, da ſie den Gang der Natur nicht ver-
ruͤkte, und zu unerfahren war, falſchen Schim-
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/224>, abgerufen am 03.05.2024.
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