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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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ihm nicht; ein Nichtswürdiger erhielt das Amt,
und da er reich war, auch den Besiz seiner
Cidli. --

Der blosse Gedanke hieran, der ihn nie ver-
ließ, schmetterte ihn zu Boden, dieser Gedanke
pakte ihn mit Riesenstärke, und warf ihn nie-
der, und niemand war da, der ihn aufhalf.
Jn langsamen Jammer schmachtete er in der
Schwüle des Tages, kein Quell labte seine lech-
zende Seele, kein Regen tröpfelte hernieder, die
welkende Pflanze zu stärken. Die Natur schien
ihren Freund verlassen zu haben, nur in der
scheidenden Stunde trat sie ihm zur Seite, sie
gab ihm Freudigkeit, sie gab ihm helle lichte
Aussicht
jenseits den Schranken.

Es war ein kalter regnigter Märzabend,
wo er durchnäßt zu Hause kam. Es mochte wol
noch sein lezter Abschied von Wald und Flur ge-
wesen sein, er mochte wol seine liebe Laube noch
einmal umarmt haben, die ihn jezt nicht in ihr
wirtbares Laub einschloß. Man hatte ihn um
die Mitternachtstunde laut sprechen gehört, es
war wol der lezte Kampf, vielleicht wol der
schwerste, den je ein Erdensohn zu kämpfen ge-

R

ihm nicht; ein Nichtswuͤrdiger erhielt das Amt,
und da er reich war, auch den Beſiz ſeiner
Cidli.

Der bloſſe Gedanke hieran, der ihn nie ver-
ließ, ſchmetterte ihn zu Boden, dieſer Gedanke
pakte ihn mit Rieſenſtaͤrke, und warf ihn nie-
der, und niemand war da, der ihn aufhalf.
Jn langſamen Jammer ſchmachtete er in der
Schwuͤle des Tages, kein Quell labte ſeine lech-
zende Seele, kein Regen troͤpfelte hernieder, die
welkende Pflanze zu ſtaͤrken. Die Natur ſchien
ihren Freund verlaſſen zu haben, nur in der
ſcheidenden Stunde trat ſie ihm zur Seite, ſie
gab ihm Freudigkeit, ſie gab ihm helle lichte
Ausſicht
jenſeits den Schranken.

Es war ein kalter regnigter Maͤrzabend,
wo er durchnaͤßt zu Hauſe kam. Es mochte wol
noch ſein lezter Abſchied von Wald und Flur ge-
weſen ſein, er mochte wol ſeine liebe Laube noch
einmal umarmt haben, die ihn jezt nicht in ihr
wirtbares Laub einſchloß. Man hatte ihn um
die Mitternachtſtunde laut ſprechen gehoͤrt, es
war wol der lezte Kampf, vielleicht wol der
ſchwerſte, den je ein Erdenſohn zu kaͤmpfen ge-

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[257/0265] ihm nicht; ein Nichtswuͤrdiger erhielt das Amt, und da er reich war, auch den Beſiz ſeiner Cidli. — Der bloſſe Gedanke hieran, der ihn nie ver- ließ, ſchmetterte ihn zu Boden, dieſer Gedanke pakte ihn mit Rieſenſtaͤrke, und warf ihn nie- der, und niemand war da, der ihn aufhalf. Jn langſamen Jammer ſchmachtete er in der Schwuͤle des Tages, kein Quell labte ſeine lech- zende Seele, kein Regen troͤpfelte hernieder, die welkende Pflanze zu ſtaͤrken. Die Natur ſchien ihren Freund verlaſſen zu haben, nur in der ſcheidenden Stunde trat ſie ihm zur Seite, ſie gab ihm Freudigkeit, ſie gab ihm helle lichte Ausſicht jenſeits den Schranken. Es war ein kalter regnigter Maͤrzabend, wo er durchnaͤßt zu Hauſe kam. Es mochte wol noch ſein lezter Abſchied von Wald und Flur ge- weſen ſein, er mochte wol ſeine liebe Laube noch einmal umarmt haben, die ihn jezt nicht in ihr wirtbares Laub einſchloß. Man hatte ihn um die Mitternachtſtunde laut ſprechen gehoͤrt, es war wol der lezte Kampf, vielleicht wol der ſchwerſte, den je ein Erdenſohn zu kaͤmpfen ge- R

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/265>, abgerufen am 21.05.2024.