Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

die Natur noch mit ihrer allbelebenden Fülle auf
mich wirkte, kaum erinnere ich mich noch dieser
glüklichen Zeit, und daß ich sie verlebt habe, ist
mir wie ein schöner Traum, den der Morgen
mir entführt. Mein Vater starb, und mit sei-
nem Tode schien das Unglük einen Bund mit
den Harpyen der Menschen gemacht zu haben,
mich zu verfolgen. Den größten Theil des väter-
lichen Nachlasses büßte ich durch den Bankerut
eines Handlungshauses ein, und das Wenige,
was ich noch rettete, reichte kaum zu, mir den
notdürftigen Unterhalt zu verschaffen. Jn dem
sichern Vertrauen, daß Gott die Seinen nie ver-
läßt, und unterstüzt von einigen Freunden mei-
nes Vaters, betrat ich die hohe Schule, um
mich der Rechtswissenschaft zu widmen. Jch
lebte hier still und eingezogen, und widmete mich
bloß den Wissenschaften. Da mein Geld nur bloß
dazu hinreichend war, mir ein notdürftiges
Auskommen zu verschaffen, so vermied ich alle
solche Gelegenheiten, wo Schwelgerei mit ihren
Gefährten ihren Siz aufgeschlagen hat. Dadurch
zog ich mir den Haß einiger meiner Mitstudiren-
den zu, die an ein liederliches Leben gewöhnt,
es nicht dulden wollten, daß ein anderer seine

die Natur noch mit ihrer allbelebenden Fuͤlle auf
mich wirkte, kaum erinnere ich mich noch dieſer
gluͤklichen Zeit, und daß ich ſie verlebt habe, iſt
mir wie ein ſchoͤner Traum, den der Morgen
mir entfuͤhrt. Mein Vater ſtarb, und mit ſei-
nem Tode ſchien das Ungluͤk einen Bund mit
den Harpyen der Menſchen gemacht zu haben,
mich zu verfolgen. Den groͤßten Theil des vaͤter-
lichen Nachlaſſes buͤßte ich durch den Bankerut
eines Handlungshauſes ein, und das Wenige,
was ich noch rettete, reichte kaum zu, mir den
notduͤrftigen Unterhalt zu verſchaffen. Jn dem
ſichern Vertrauen, daß Gott die Seinen nie ver-
laͤßt, und unterſtuͤzt von einigen Freunden mei-
nes Vaters, betrat ich die hohe Schule, um
mich der Rechtswiſſenſchaft zu widmen. Jch
lebte hier ſtill und eingezogen, und widmete mich
bloß den Wiſſenſchaften. Da mein Geld nur bloß
dazu hinreichend war, mir ein notduͤrftiges
Auskommen zu verſchaffen, ſo vermied ich alle
ſolche Gelegenheiten, wo Schwelgerei mit ihren
Gefaͤhrten ihren Siz aufgeſchlagen hat. Dadurch
zog ich mir den Haß einiger meiner Mitſtudiren-
den zu, die an ein liederliches Leben gewoͤhnt,
es nicht dulden wollten, daß ein anderer ſeine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0284" n="276"/>
die Natur noch mit ihrer allbelebenden Fu&#x0364;lle auf<lb/>
mich wirkte, kaum erinnere ich mich noch die&#x017F;er<lb/>
glu&#x0364;klichen Zeit, und daß ich &#x017F;ie verlebt habe, i&#x017F;t<lb/>
mir wie ein &#x017F;cho&#x0364;ner Traum, den der Morgen<lb/>
mir entfu&#x0364;hrt. Mein Vater &#x017F;tarb, und mit &#x017F;ei-<lb/>
nem Tode &#x017F;chien das Unglu&#x0364;k einen Bund mit<lb/>
den Harpyen der Men&#x017F;chen gemacht zu haben,<lb/>
mich zu verfolgen. Den gro&#x0364;ßten Theil des va&#x0364;ter-<lb/>
lichen Nachla&#x017F;&#x017F;es bu&#x0364;ßte ich durch den Bankerut<lb/>
eines Handlungshau&#x017F;es ein, und das Wenige,<lb/>
was ich noch rettete, reichte kaum zu, mir den<lb/>
notdu&#x0364;rftigen Unterhalt zu ver&#x017F;chaffen. Jn dem<lb/>
&#x017F;ichern Vertrauen, daß Gott die Seinen nie ver-<lb/>
la&#x0364;ßt, und unter&#x017F;tu&#x0364;zt von einigen Freunden mei-<lb/>
nes Vaters, betrat ich die hohe Schule, um<lb/>
mich der Rechtswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft zu widmen. Jch<lb/>
lebte hier &#x017F;till und eingezogen, und widmete mich<lb/>
bloß den Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften. Da mein Geld nur bloß<lb/>
dazu hinreichend war, mir ein notdu&#x0364;rftiges<lb/>
Auskommen zu ver&#x017F;chaffen, &#x017F;o vermied ich alle<lb/>
&#x017F;olche Gelegenheiten, wo Schwelgerei mit ihren<lb/>
Gefa&#x0364;hrten ihren Siz aufge&#x017F;chlagen hat. Dadurch<lb/>
zog ich mir den Haß einiger meiner Mit&#x017F;tudiren-<lb/>
den zu, die an ein liederliches Leben gewo&#x0364;hnt,<lb/>
es nicht dulden wollten, daß ein anderer &#x017F;eine<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0284] die Natur noch mit ihrer allbelebenden Fuͤlle auf mich wirkte, kaum erinnere ich mich noch dieſer gluͤklichen Zeit, und daß ich ſie verlebt habe, iſt mir wie ein ſchoͤner Traum, den der Morgen mir entfuͤhrt. Mein Vater ſtarb, und mit ſei- nem Tode ſchien das Ungluͤk einen Bund mit den Harpyen der Menſchen gemacht zu haben, mich zu verfolgen. Den groͤßten Theil des vaͤter- lichen Nachlaſſes buͤßte ich durch den Bankerut eines Handlungshauſes ein, und das Wenige, was ich noch rettete, reichte kaum zu, mir den notduͤrftigen Unterhalt zu verſchaffen. Jn dem ſichern Vertrauen, daß Gott die Seinen nie ver- laͤßt, und unterſtuͤzt von einigen Freunden mei- nes Vaters, betrat ich die hohe Schule, um mich der Rechtswiſſenſchaft zu widmen. Jch lebte hier ſtill und eingezogen, und widmete mich bloß den Wiſſenſchaften. Da mein Geld nur bloß dazu hinreichend war, mir ein notduͤrftiges Auskommen zu verſchaffen, ſo vermied ich alle ſolche Gelegenheiten, wo Schwelgerei mit ihren Gefaͤhrten ihren Siz aufgeſchlagen hat. Dadurch zog ich mir den Haß einiger meiner Mitſtudiren- den zu, die an ein liederliches Leben gewoͤhnt, es nicht dulden wollten, daß ein anderer ſeine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/284
Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/284>, abgerufen am 21.05.2024.