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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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O, daß die Vorsicht einen Mann ins Sein
rief, der Kraft genug hätte, die Dekke wegzu-
ziehn, die unser blödes Auge umhüllet, der
Mut genug hätte, die sklavischeu Fesseln zu zer-
brechen, womit ein fremdes Volk uns verwun-
det, der den Tempel der Wollust und Un-
zucht
zernichtete, und die Säulen zerstörte,
die wir der Mode und dem Luxus errichtet,
und der unter dem Schutt und Ruinen einen
Tempel der Warheit, der Treue und Gros-
mut
errichtete! -- -- Welch ein glüklicher
Traum beschleicht mich, ich sehe diesen Tempel
aus dem Schutt erstehen, sehe den deutschen
Mann
ihn mitten unter den Denkmälern eurer
Schande gründen, und der Hider den Kopf zer-
treten, die sich ihm entgegen wälzt. Jch sehe
die Scharen der Kinder meines Volks wallfahr-
ten, und ihre Knie vor den Altären der Tugend
und Rechtschaffenheit beugen; sie geloben heisse
Gelübde für die Beobachtung göttlicher Gesezze,
-- nicht Opfer und Gaben spenden sie, sondern
Herzen, die rein und flekkenleer sind, die em-
por wallen bei den Leiden der Menschheit, und
sich in lautre Ströme der Liebe und des Wol-
wollens ergiessen, die -- -- Doch höre auf

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O, daß die Vorſicht einen Mann ins Sein
rief, der Kraft genug haͤtte, die Dekke wegzu-
ziehn, die unſer bloͤdes Auge umhuͤllet, der
Mut genug haͤtte, die ſklaviſcheu Feſſeln zu zer-
brechen, womit ein fremdes Volk uns verwun-
det, der den Tempel der Wolluſt und Un-
zucht
zernichtete, und die Saͤulen zerſtoͤrte,
die wir der Mode und dem Luxus errichtet,
und der unter dem Schutt und Ruinen einen
Tempel der Warheit, der Treue und Gros-
mut
errichtete! — — Welch ein gluͤklicher
Traum beſchleicht mich, ich ſehe dieſen Tempel
aus dem Schutt erſtehen, ſehe den deutſchen
Mann
ihn mitten unter den Denkmaͤlern eurer
Schande gruͤnden, und der Hider den Kopf zer-
treten, die ſich ihm entgegen waͤlzt. Jch ſehe
die Scharen der Kinder meines Volks wallfahr-
ten, und ihre Knie vor den Altaͤren der Tugend
und Rechtſchaffenheit beugen; ſie geloben heiſſe
Geluͤbde fuͤr die Beobachtung goͤttlicher Geſezze,
— nicht Opfer und Gaben ſpenden ſie, ſondern
Herzen, die rein und flekkenleer ſind, die em-
por wallen bei den Leiden der Menſchheit, und
ſich in lautre Stroͤme der Liebe und des Wol-
wollens ergieſſen, die — — Doch hoͤre auf

B 5
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[25/0033] O, daß die Vorſicht einen Mann ins Sein rief, der Kraft genug haͤtte, die Dekke wegzu- ziehn, die unſer bloͤdes Auge umhuͤllet, der Mut genug haͤtte, die ſklaviſcheu Feſſeln zu zer- brechen, womit ein fremdes Volk uns verwun- det, der den Tempel der Wolluſt und Un- zucht zernichtete, und die Saͤulen zerſtoͤrte, die wir der Mode und dem Luxus errichtet, und der unter dem Schutt und Ruinen einen Tempel der Warheit, der Treue und Gros- mut errichtete! — — Welch ein gluͤklicher Traum beſchleicht mich, ich ſehe dieſen Tempel aus dem Schutt erſtehen, ſehe den deutſchen Mann ihn mitten unter den Denkmaͤlern eurer Schande gruͤnden, und der Hider den Kopf zer- treten, die ſich ihm entgegen waͤlzt. Jch ſehe die Scharen der Kinder meines Volks wallfahr- ten, und ihre Knie vor den Altaͤren der Tugend und Rechtſchaffenheit beugen; ſie geloben heiſſe Geluͤbde fuͤr die Beobachtung goͤttlicher Geſezze, — nicht Opfer und Gaben ſpenden ſie, ſondern Herzen, die rein und flekkenleer ſind, die em- por wallen bei den Leiden der Menſchheit, und ſich in lautre Stroͤme der Liebe und des Wol- wollens ergieſſen, die — — Doch hoͤre auf B 5

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/33>, abgerufen am 26.04.2024.