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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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seiner Tochter eine vornehme Erziehung geben,
und sparte keine Kosten, sie in all' den Wissen-
schaften unterrichten zu lassen, die sowol den
weiblichen Geist zieren, als auch sie über die
Zal der gewönlichen Frauenzimmer erheben, die
wie Geschöpfe ohne Seele ihr Pflanzenle-
ben
führen, und in euren Versammlungen gäh-
nend einschlafen, wenn nicht von Puz, und neuen
Moden die Rede ist, sondern der Verstand mit-
würken soll. Julie besaß Schönheit des Kör-
pers verbunden mit Schönheit der Seele, so daß
man zweifelhaft blieb, welcher von beiden man
den Preis zugestehen sollte. Jhr Geist entwik-
kelte sich frühzeitig, und schwung sich| mit einer
Leichtigkeit über alle die Schwierigkeiten hinweg,
welche die Erlernung einer jeden Wissenschaft zu
begleiten pflegen, so daß ihre Lehrer, von Er-
staunen oft hingerissen, die Tränen der Freude
nicht zurükhalten konnten. Sie verschlang mit
heisser Begierde die Lehren einer Religion, die
den menschlichen Fähigkeiten so angemessen,
und ein so fruchtbares Feld von Lebensglük-
seligkeit
dem Erdenbürger entdekket, daß es al-
mal Entwürdigung seines Verstandes, Ent-
ehrung seines Herzens ist,
wenn er diese Re-

ſeiner Tochter eine vornehme Erziehung geben,
und ſparte keine Koſten, ſie in all’ den Wiſſen-
ſchaften unterrichten zu laſſen, die ſowol den
weiblichen Geiſt zieren, als auch ſie uͤber die
Zal der gewoͤnlichen Frauenzimmer erheben, die
wie Geſchoͤpfe ohne Seele ihr Pflanzenle-
ben
fuͤhren, und in euren Verſammlungen gaͤh-
nend einſchlafen, wenn nicht von Puz, und neuen
Moden die Rede iſt, ſondern der Verſtand mit-
wuͤrken ſoll. Julie beſaß Schoͤnheit des Koͤr-
pers verbunden mit Schoͤnheit der Seele, ſo daß
man zweifelhaft blieb, welcher von beiden man
den Preis zugeſtehen ſollte. Jhr Geiſt entwik-
kelte ſich fruͤhzeitig, und ſchwung ſich| mit einer
Leichtigkeit uͤber alle die Schwierigkeiten hinweg,
welche die Erlernung einer jeden Wiſſenſchaft zu
begleiten pflegen, ſo daß ihre Lehrer, von Er-
ſtaunen oft hingeriſſen, die Traͤnen der Freude
nicht zuruͤkhalten konnten. Sie verſchlang mit
heiſſer Begierde die Lehren einer Religion, die
den menſchlichen Faͤhigkeiten ſo angemeſſen,
und ein ſo fruchtbares Feld von Lebensgluͤk-
ſeligkeit
dem Erdenbuͤrger entdekket, daß es al-
mal Entwuͤrdigung ſeines Verſtandes, Ent-
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[76/0084] ſeiner Tochter eine vornehme Erziehung geben, und ſparte keine Koſten, ſie in all’ den Wiſſen- ſchaften unterrichten zu laſſen, die ſowol den weiblichen Geiſt zieren, als auch ſie uͤber die Zal der gewoͤnlichen Frauenzimmer erheben, die wie Geſchoͤpfe ohne Seele ihr Pflanzenle- ben fuͤhren, und in euren Verſammlungen gaͤh- nend einſchlafen, wenn nicht von Puz, und neuen Moden die Rede iſt, ſondern der Verſtand mit- wuͤrken ſoll. Julie beſaß Schoͤnheit des Koͤr- pers verbunden mit Schoͤnheit der Seele, ſo daß man zweifelhaft blieb, welcher von beiden man den Preis zugeſtehen ſollte. Jhr Geiſt entwik- kelte ſich fruͤhzeitig, und ſchwung ſich| mit einer Leichtigkeit uͤber alle die Schwierigkeiten hinweg, welche die Erlernung einer jeden Wiſſenſchaft zu begleiten pflegen, ſo daß ihre Lehrer, von Er- ſtaunen oft hingeriſſen, die Traͤnen der Freude nicht zuruͤkhalten konnten. Sie verſchlang mit heiſſer Begierde die Lehren einer Religion, die den menſchlichen Faͤhigkeiten ſo angemeſſen, und ein ſo fruchtbares Feld von Lebensgluͤk- ſeligkeit dem Erdenbuͤrger entdekket, daß es al- mal Entwuͤrdigung ſeines Verſtandes, Ent- ehrung ſeines Herzens iſt, wenn er dieſe Re-

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/84>, abgerufen am 30.04.2024.