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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Dreizehnte Vorlesung.
mer und den Bulbus Aortae, doch ist immer noch der Schlauch ein
ganz einfacher und nur von einer einzigen Höhle eingenommen.

Die weitere Ausbildung des Herzens werde ich bei der Schilde-
rung der einzelnen Organe besprechen, und wende ich mich nun
Entwicklung der
ersten Gefässe.
zur Darstellung der ersten Entwicklung der Gefässe. Die
ältern Embryologen, Döllinger und v. Baer an der Spitze, hatten in
dieser Beziehung eigenthümliche Ansichten und liessen die Gefässe
einfach als Lücken zwischen den Elementen des Fruchthofes ent-
stehen, welche von dem vom Herzen getriebenen Blutstrome gegra-
ben würden, eine Ansicht, die selbst Reichert in seiner Schrift "das
Entwicklungsleben" für gewisse Gefässe vertrat. Nach und nach bil-
dete sich jedoch eine richtigere Auffassung dieser Verhältnisse aus,
welche von Reichert selbstangebahnt wurde, der schon im Jahre 1841
(Müll. Arch. St. CLXXXIV) seine früheren Ansichten theilweise
modificirte, und dann in einer Untersuchung von mir selbst über die
Bildung der Gefässe und des Blutes (Zeitschr. f. rat. Med. 1846.
Bd. IV. pag. 112) zuerst einen ganz bestimmten Ausdruck fand, in-
dem ich den Satz aufstellte, dass die ersten Gefässe der Embryonen
Alle ursprünglich als solide Zellenmassen auftreten, die erst nach-
träglich hohl werden, wobei die centralen Zellen derselben als erste
Blutzellen erscheinen. Diese meine Annahmen wurden dann durch
Remak's ausführliche Untersuchungen an Hühnerembryonen voll-
kommen bestätigt, und in neuester Zeit hat sich auch Reichert ge-
nau an dieselben angeschlossen (Beob. üb. d. Bildung der Blutgef.
b. Fischen 1858). Nach Remak entstehen im durchsichtigen und
dunklen Fruchthofe des Hühnchens während des letzten Viertels des
ersten Tages solide Zellenstränge von 1/50 bis 1/80''' Durchmesser,
welche ein sehr dichtes Netz darstellen, dessen Maschen kaum wei-
ter sind, als die Gefässanlagen selbst, ein Netz, in welchem man
anfänglich keinen Unterschied zwischen Stämmen und Aesten be-
merkt. In zweiter Linie werden diese compacten Gefässanlagen im
Innern hohl, ganz so wie es am Herzen geschieht, indem gleichzeitig
mit dem Auftreten einer Flüssigkeit die centralen Zellen sich lockern
und nun als erste Blutkörperchen erscheinen. Zugleich erweitern
sich nach und nach einzelne Anlagen mehr, während andere zurück-
bleiben, so dass am zweiten Tage schon, wenigstens mit Bezug auf
Grösse und Weite, eine Differenz zwischen Stämmen und Aesten und
feinsten Netzen vorhanden ist. Der Bau der Gefässe dage-
gen ist überall ein gleicher
; Aorten, Arteriae und Vv. om-

Dreizehnte Vorlesung.
mer und den Bulbus Aortae, doch ist immer noch der Schlauch ein
ganz einfacher und nur von einer einzigen Höhle eingenommen.

Die weitere Ausbildung des Herzens werde ich bei der Schilde-
rung der einzelnen Organe besprechen, und wende ich mich nun
Entwicklung der
ersten Gefässe.
zur Darstellung der ersten Entwicklung der Gefässe. Die
ältern Embryologen, Döllinger und v. Baer an der Spitze, hatten in
dieser Beziehung eigenthümliche Ansichten und liessen die Gefässe
einfach als Lücken zwischen den Elementen des Fruchthofes ent-
stehen, welche von dem vom Herzen getriebenen Blutstrome gegra-
ben würden, eine Ansicht, die selbst Reichert in seiner Schrift »das
Entwicklungsleben« für gewisse Gefässe vertrat. Nach und nach bil-
dete sich jedoch eine richtigere Auffassung dieser Verhältnisse aus,
welche von Reichert selbstangebahnt wurde, der schon im Jahre 1841
(Müll. Arch. St. CLXXXIV) seine früheren Ansichten theilweise
modificirte, und dann in einer Untersuchung von mir selbst über die
Bildung der Gefässe und des Blutes (Zeitschr. f. rat. Med. 1846.
Bd. IV. pag. 112) zuerst einen ganz bestimmten Ausdruck fand, in-
dem ich den Satz aufstellte, dass die ersten Gefässe der Embryonen
Alle ursprünglich als solide Zellenmassen auftreten, die erst nach-
träglich hohl werden, wobei die centralen Zellen derselben als erste
Blutzellen erscheinen. Diese meine Annahmen wurden dann durch
Remak’s ausführliche Untersuchungen an Hühnerembryonen voll-
kommen bestätigt, und in neuester Zeit hat sich auch Reichert ge-
nau an dieselben angeschlossen (Beob. üb. d. Bildung der Blutgef.
b. Fischen 1858). Nach Remak entstehen im durchsichtigen und
dunklen Fruchthofe des Hühnchens während des letzten Viertels des
ersten Tages solide Zellenstränge von 1/50 bis 1/80‴ Durchmesser,
welche ein sehr dichtes Netz darstellen, dessen Maschen kaum wei-
ter sind, als die Gefässanlagen selbst, ein Netz, in welchem man
anfänglich keinen Unterschied zwischen Stämmen und Aesten be-
merkt. In zweiter Linie werden diese compacten Gefässanlagen im
Innern hohl, ganz so wie es am Herzen geschieht, indem gleichzeitig
mit dem Auftreten einer Flüssigkeit die centralen Zellen sich lockern
und nun als erste Blutkörperchen erscheinen. Zugleich erweitern
sich nach und nach einzelne Anlagen mehr, während andere zurück-
bleiben, so dass am zweiten Tage schon, wenigstens mit Bezug auf
Grösse und Weite, eine Differenz zwischen Stämmen und Aesten und
feinsten Netzen vorhanden ist. Der Bau der Gefässe dage-
gen ist überall ein gleicher
; Aorten, Arteriae und Vv. om-

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[88/0104] Dreizehnte Vorlesung. mer und den Bulbus Aortae, doch ist immer noch der Schlauch ein ganz einfacher und nur von einer einzigen Höhle eingenommen. Die weitere Ausbildung des Herzens werde ich bei der Schilde- rung der einzelnen Organe besprechen, und wende ich mich nun zur Darstellung der ersten Entwicklung der Gefässe. Die ältern Embryologen, Döllinger und v. Baer an der Spitze, hatten in dieser Beziehung eigenthümliche Ansichten und liessen die Gefässe einfach als Lücken zwischen den Elementen des Fruchthofes ent- stehen, welche von dem vom Herzen getriebenen Blutstrome gegra- ben würden, eine Ansicht, die selbst Reichert in seiner Schrift »das Entwicklungsleben« für gewisse Gefässe vertrat. Nach und nach bil- dete sich jedoch eine richtigere Auffassung dieser Verhältnisse aus, welche von Reichert selbstangebahnt wurde, der schon im Jahre 1841 (Müll. Arch. St. CLXXXIV) seine früheren Ansichten theilweise modificirte, und dann in einer Untersuchung von mir selbst über die Bildung der Gefässe und des Blutes (Zeitschr. f. rat. Med. 1846. Bd. IV. pag. 112) zuerst einen ganz bestimmten Ausdruck fand, in- dem ich den Satz aufstellte, dass die ersten Gefässe der Embryonen Alle ursprünglich als solide Zellenmassen auftreten, die erst nach- träglich hohl werden, wobei die centralen Zellen derselben als erste Blutzellen erscheinen. Diese meine Annahmen wurden dann durch Remak’s ausführliche Untersuchungen an Hühnerembryonen voll- kommen bestätigt, und in neuester Zeit hat sich auch Reichert ge- nau an dieselben angeschlossen (Beob. üb. d. Bildung der Blutgef. b. Fischen 1858). Nach Remak entstehen im durchsichtigen und dunklen Fruchthofe des Hühnchens während des letzten Viertels des ersten Tages solide Zellenstränge von 1/50 bis 1/80‴ Durchmesser, welche ein sehr dichtes Netz darstellen, dessen Maschen kaum wei- ter sind, als die Gefässanlagen selbst, ein Netz, in welchem man anfänglich keinen Unterschied zwischen Stämmen und Aesten be- merkt. In zweiter Linie werden diese compacten Gefässanlagen im Innern hohl, ganz so wie es am Herzen geschieht, indem gleichzeitig mit dem Auftreten einer Flüssigkeit die centralen Zellen sich lockern und nun als erste Blutkörperchen erscheinen. Zugleich erweitern sich nach und nach einzelne Anlagen mehr, während andere zurück- bleiben, so dass am zweiten Tage schon, wenigstens mit Bezug auf Grösse und Weite, eine Differenz zwischen Stämmen und Aesten und feinsten Netzen vorhanden ist. Der Bau der Gefässe dage- gen ist überall ein gleicher; Aorten, Arteriae und Vv. om- Entwicklung der ersten Gefässe.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/104>, abgerufen am 29.04.2024.