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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Achtunddreissigste Vorlesung.
Blase mehr weniger weit heraufreichende Bildungen, die selbst in
der Gestalt den Theilen ähnlich sind, denen sie beim weiblichen
Thiere entsprechen, nämlich der Scheide und dem Uterus, und z. B.
mit zwei Ausläufern analog den Uterushörnern getroffen werden.
Allein auch bei der grössten Ausbildung spielen diese Reste der
Müller'schen Gänge keine wesentliche Rolle und geht der Samen-
leiter mit seinen Nebengebilden aus dem Wolff'schen Körper und
seinem Gange hervor. Es ist vor allem Rathke's Verdienst diese ei-
genthümliche Verwendung der Urniere für den Aufbau des männlichen
Sexualapparates gegen J. Müller nachgewiesen zu haben und haben
dann später besonders H. Meckel's Untersuchungen die Angaben
von Rathke bestätigt, während dieselben zugleich auch in den ver-
gleichend anatomischen Untersuchungen Bidder's und Anderer über
den Zusammenhang der Nieren und Hoden bei den Batrachiern eine
Analogie fanden. Auch ich kann nach meinen Erfahrungen mich
aufs Bestimmteste für diese Verbindung zwischen der Urniere und
dem Hoden aussprechen, und habe ich selbst bei menschlichen Em-
bryonen mich von derselben zu überzeugen Gelegenheit gehabt. Bei
diesen leitet sich die Verbindung im dritten Monate ein und zwar in
der Art, dass eine gewisse Zahl der oberen Kanälchen der Urniere
sich mit dem Hoden vereinigen und zum Kopfe des Nebenhodens,
d. h. zu den Coni vasculosi gestalten, während die unteren durch
Atrophie verloren gehen, doch bilden sich diese Verhältnisse keines-
wegs rasch aus. Bei Embryonen der eilften bis zwölften Woche
nämlich enthält der Kopf des Nebenhodens nur gerade Kanäle von
0,016--0,02''' Durchmesser, und findet sich von dem Körper und
der Cauda der Epididymis noch keine Spur, vielmehr kommt vom
Nebenhodenkopfe, gerade wie früher von der Urniere, ein gerader
Kanal von 1/5 ''' Breite, der das Vas deferens und den Nebenhoden-
kanal zugleich darstellt. Um dieselbe Zeit sah ich auch noch einen
ganz deutlichen Rest der Urniere mit gefässhaltigen Malpighischen
Körperchen zwischen dem Samenleiter und Hoden, der jedoch seine
Verbindung mit dem ersteren aufgegeben hatte und auch mit dem
Hoden nicht zusammen hing. Die weiteren Veränderungen habe ich
nicht im Zusammenhange verfolgt und kann ich Ihnen nur soviel
sagen, dass im vierten und fünften Monate an den mit dem Hoden
verbundenen Kanälchen der Urniere die Windungen sich ausbilden,
durch welche dieselben zu den Coni vasculosi sich gestalten, so wie
dass in dieser Zeit auch der übrige Theil des Nebenhodens sich an-

Achtunddreissigste Vorlesung.
Blase mehr weniger weit heraufreichende Bildungen, die selbst in
der Gestalt den Theilen ähnlich sind, denen sie beim weiblichen
Thiere entsprechen, nämlich der Scheide und dem Uterus, und z. B.
mit zwei Ausläufern analog den Uterushörnern getroffen werden.
Allein auch bei der grössten Ausbildung spielen diese Reste der
Müller’schen Gänge keine wesentliche Rolle und geht der Samen-
leiter mit seinen Nebengebilden aus dem Wolff’schen Körper und
seinem Gange hervor. Es ist vor allem Rathke’s Verdienst diese ei-
genthümliche Verwendung der Urniere für den Aufbau des männlichen
Sexualapparates gegen J. Müller nachgewiesen zu haben und haben
dann später besonders H. Meckel’s Untersuchungen die Angaben
von Rathke bestätigt, während dieselben zugleich auch in den ver-
gleichend anatomischen Untersuchungen Bidder’s und Anderer über
den Zusammenhang der Nieren und Hoden bei den Batrachiern eine
Analogie fanden. Auch ich kann nach meinen Erfahrungen mich
aufs Bestimmteste für diese Verbindung zwischen der Urniere und
dem Hoden aussprechen, und habe ich selbst bei menschlichen Em-
bryonen mich von derselben zu überzeugen Gelegenheit gehabt. Bei
diesen leitet sich die Verbindung im dritten Monate ein und zwar in
der Art, dass eine gewisse Zahl der oberen Kanälchen der Urniere
sich mit dem Hoden vereinigen und zum Kopfe des Nebenhodens,
d. h. zu den Coni vasculosi gestalten, während die unteren durch
Atrophie verloren gehen, doch bilden sich diese Verhältnisse keines-
wegs rasch aus. Bei Embryonen der eilften bis zwölften Woche
nämlich enthält der Kopf des Nebenhodens nur gerade Kanäle von
0,016—0,02‴ Durchmesser, und findet sich von dem Körper und
der Cauda der Epididymis noch keine Spur, vielmehr kommt vom
Nebenhodenkopfe, gerade wie früher von der Urniere, ein gerader
Kanal von ⅕‴ Breite, der das Vas deferens und den Nebenhoden-
kanal zugleich darstellt. Um dieselbe Zeit sah ich auch noch einen
ganz deutlichen Rest der Urniere mit gefässhaltigen Malpighischen
Körperchen zwischen dem Samenleiter und Hoden, der jedoch seine
Verbindung mit dem ersteren aufgegeben hatte und auch mit dem
Hoden nicht zusammen hing. Die weiteren Veränderungen habe ich
nicht im Zusammenhange verfolgt und kann ich Ihnen nur soviel
sagen, dass im vierten und fünften Monate an den mit dem Hoden
verbundenen Kanälchen der Urniere die Windungen sich ausbilden,
durch welche dieselben zu den Coni vasculosi sich gestalten, so wie
dass in dieser Zeit auch der übrige Theil des Nebenhodens sich an-

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[444/0460] Achtunddreissigste Vorlesung. Blase mehr weniger weit heraufreichende Bildungen, die selbst in der Gestalt den Theilen ähnlich sind, denen sie beim weiblichen Thiere entsprechen, nämlich der Scheide und dem Uterus, und z. B. mit zwei Ausläufern analog den Uterushörnern getroffen werden. Allein auch bei der grössten Ausbildung spielen diese Reste der Müller’schen Gänge keine wesentliche Rolle und geht der Samen- leiter mit seinen Nebengebilden aus dem Wolff’schen Körper und seinem Gange hervor. Es ist vor allem Rathke’s Verdienst diese ei- genthümliche Verwendung der Urniere für den Aufbau des männlichen Sexualapparates gegen J. Müller nachgewiesen zu haben und haben dann später besonders H. Meckel’s Untersuchungen die Angaben von Rathke bestätigt, während dieselben zugleich auch in den ver- gleichend anatomischen Untersuchungen Bidder’s und Anderer über den Zusammenhang der Nieren und Hoden bei den Batrachiern eine Analogie fanden. Auch ich kann nach meinen Erfahrungen mich aufs Bestimmteste für diese Verbindung zwischen der Urniere und dem Hoden aussprechen, und habe ich selbst bei menschlichen Em- bryonen mich von derselben zu überzeugen Gelegenheit gehabt. Bei diesen leitet sich die Verbindung im dritten Monate ein und zwar in der Art, dass eine gewisse Zahl der oberen Kanälchen der Urniere sich mit dem Hoden vereinigen und zum Kopfe des Nebenhodens, d. h. zu den Coni vasculosi gestalten, während die unteren durch Atrophie verloren gehen, doch bilden sich diese Verhältnisse keines- wegs rasch aus. Bei Embryonen der eilften bis zwölften Woche nämlich enthält der Kopf des Nebenhodens nur gerade Kanäle von 0,016—0,02‴ Durchmesser, und findet sich von dem Körper und der Cauda der Epididymis noch keine Spur, vielmehr kommt vom Nebenhodenkopfe, gerade wie früher von der Urniere, ein gerader Kanal von ⅕‴ Breite, der das Vas deferens und den Nebenhoden- kanal zugleich darstellt. Um dieselbe Zeit sah ich auch noch einen ganz deutlichen Rest der Urniere mit gefässhaltigen Malpighischen Körperchen zwischen dem Samenleiter und Hoden, der jedoch seine Verbindung mit dem ersteren aufgegeben hatte und auch mit dem Hoden nicht zusammen hing. Die weiteren Veränderungen habe ich nicht im Zusammenhange verfolgt und kann ich Ihnen nur soviel sagen, dass im vierten und fünften Monate an den mit dem Hoden verbundenen Kanälchen der Urniere die Windungen sich ausbilden, durch welche dieselben zu den Coni vasculosi sich gestalten, so wie dass in dieser Zeit auch der übrige Theil des Nebenhodens sich an-

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/460>, abgerufen am 14.05.2024.