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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane.
legt. Die Zahl der mit dem Hoden sich vereinigenden Kanäle der
Urniere ist übrigens sehr wechselnd, da, wie bekannt, die Zahl der
Coni vasculosi nichts weniger als beständig ist, und ebenso scheint
auch das Schicksal der übrigen Kanälchen der Urniere mannigfachen
Abänderungen ausgesetzt zu sein. Mit Recht betrachtet Kobelt (der
Nebeneierstock des Weibes. Heidelberg 1847) die Vasa aberrantia
des Nebenhodens als nicht untergegangene Kanälchen der Urniere,
die jedoch keine Verbindung mit der Geschlechtsdrüse eingegangen
sind und schreibt dieselbe Bedeutung auch gewissen nicht constan-
ten gestielten Cysten am Kopfe des Nebenhodens zu, die auch in
Gestalt von Vasa aberrantia vorkommen, mit welchen jedoch die
bekannte Morgagni'sche Cyste an derselben Stelle nicht zu verwech-
seln ist, die von demselben Autor als ein Rest des obersten Endes
des Müller'schen Ganges aufgefasst wird. Ein ganz selbständiger
Rest des Wolff'schen Körpers ist wahrscheinlich auch das Organ
von Giraldes am oberen Ende des Hodens (s. mein Handbuch der
Gewebel. 3. Aufl. St. 526).

Alles zusammen genommen ergibt sich mithin, dass der Kopf
des Nebenhodens aus der Urniere selbst, der übrige Theil des Neben-
hodens und der Samenleiter aus dem Wolff'schen Gange hervor-
gehen, während der Müller'sche Gang bis auf die Morgagni'sche
Hydatide und den Uterus masculinus schwindet.

Mit Bezug auf die Samenleiter ist nun noch ein Punct her-
vorzuheben, der bis jetzt ausser durch Thiersch (Illustr. med. Zeit-
schrift. 1852. St. 12) noch keine Berücksichtigung gefunden hat. Die
Urnierengänge, aus denen dieselben sich hervorbilden, laufen bei
männlichen Embryonen gesondert bis an den Eingang des Beckens,
hier jedoch vereinigen sich dieselben hinter der Blase zu einem ein-
zigen Strange, den man mit Thiersch Genitalstrang heissen kannGenitalstrang.
und mit ihnen fliessen zugleich auch die Müller'schen Gänge zusam-
men, so dass zu einer gewissen Zeit der männliche Genitalstrang
vier Kanäle enthält. Dann verschwinden die Müller'schen Gänge
im oberen Ende des Genitalstranges und fliessen im unteren Theile
desselben zum Uterus masculinus zusammen, und während diess ge-
schieht, weiten sich die Urnierengänge, die immer getrennt bleiben,
aus und stellen nun die Vasa deferentia dar. Diese sind jedoch an-
fangs nicht getrennt, sondern stellen zwei in dem einfachen Genital-
strange enthaltene Epithelialröhren dar, wie Ihnen dies die Fig. 218,
von dem in der Fig. 215 dargestellten männlichen Rindsembryo zeigt.

Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane.
legt. Die Zahl der mit dem Hoden sich vereinigenden Kanäle der
Urniere ist übrigens sehr wechselnd, da, wie bekannt, die Zahl der
Coni vasculosi nichts weniger als beständig ist, und ebenso scheint
auch das Schicksal der übrigen Kanälchen der Urniere mannigfachen
Abänderungen ausgesetzt zu sein. Mit Recht betrachtet Kobelt (der
Nebeneierstock des Weibes. Heidelberg 1847) die Vasa aberrantia
des Nebenhodens als nicht untergegangene Kanälchen der Urniere,
die jedoch keine Verbindung mit der Geschlechtsdrüse eingegangen
sind und schreibt dieselbe Bedeutung auch gewissen nicht constan-
ten gestielten Cysten am Kopfe des Nebenhodens zu, die auch in
Gestalt von Vasa aberrantia vorkommen, mit welchen jedoch die
bekannte Morgagni’sche Cyste an derselben Stelle nicht zu verwech-
seln ist, die von demselben Autor als ein Rest des obersten Endes
des Müller’schen Ganges aufgefasst wird. Ein ganz selbständiger
Rest des Wolff’schen Körpers ist wahrscheinlich auch das Organ
von Giraldes am oberen Ende des Hodens (s. mein Handbuch der
Gewebel. 3. Aufl. St. 526).

Alles zusammen genommen ergibt sich mithin, dass der Kopf
des Nebenhodens aus der Urniere selbst, der übrige Theil des Neben-
hodens und der Samenleiter aus dem Wolff’schen Gange hervor-
gehen, während der Müller’sche Gang bis auf die Morgagni’sche
Hydatide und den Uterus masculinus schwindet.

Mit Bezug auf die Samenleiter ist nun noch ein Punct her-
vorzuheben, der bis jetzt ausser durch Thiersch (Illustr. med. Zeit-
schrift. 1852. St. 12) noch keine Berücksichtigung gefunden hat. Die
Urnierengänge, aus denen dieselben sich hervorbilden, laufen bei
männlichen Embryonen gesondert bis an den Eingang des Beckens,
hier jedoch vereinigen sich dieselben hinter der Blase zu einem ein-
zigen Strange, den man mit Thiersch Genitalstrang heissen kannGenitalstrang.
und mit ihnen fliessen zugleich auch die Müller’schen Gänge zusam-
men, so dass zu einer gewissen Zeit der männliche Genitalstrang
vier Kanäle enthält. Dann verschwinden die Müller’schen Gänge
im oberen Ende des Genitalstranges und fliessen im unteren Theile
desselben zum Uterus masculinus zusammen, und während diess ge-
schieht, weiten sich die Urnierengänge, die immer getrennt bleiben,
aus und stellen nun die Vasa deferentia dar. Diese sind jedoch an-
fangs nicht getrennt, sondern stellen zwei in dem einfachen Genital-
strange enthaltene Epithelialröhren dar, wie Ihnen dies die Fig. 218,
von dem in der Fig. 215 dargestellten männlichen Rindsembryo zeigt.

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[445/0461] Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane. legt. Die Zahl der mit dem Hoden sich vereinigenden Kanäle der Urniere ist übrigens sehr wechselnd, da, wie bekannt, die Zahl der Coni vasculosi nichts weniger als beständig ist, und ebenso scheint auch das Schicksal der übrigen Kanälchen der Urniere mannigfachen Abänderungen ausgesetzt zu sein. Mit Recht betrachtet Kobelt (der Nebeneierstock des Weibes. Heidelberg 1847) die Vasa aberrantia des Nebenhodens als nicht untergegangene Kanälchen der Urniere, die jedoch keine Verbindung mit der Geschlechtsdrüse eingegangen sind und schreibt dieselbe Bedeutung auch gewissen nicht constan- ten gestielten Cysten am Kopfe des Nebenhodens zu, die auch in Gestalt von Vasa aberrantia vorkommen, mit welchen jedoch die bekannte Morgagni’sche Cyste an derselben Stelle nicht zu verwech- seln ist, die von demselben Autor als ein Rest des obersten Endes des Müller’schen Ganges aufgefasst wird. Ein ganz selbständiger Rest des Wolff’schen Körpers ist wahrscheinlich auch das Organ von Giraldes am oberen Ende des Hodens (s. mein Handbuch der Gewebel. 3. Aufl. St. 526). Alles zusammen genommen ergibt sich mithin, dass der Kopf des Nebenhodens aus der Urniere selbst, der übrige Theil des Neben- hodens und der Samenleiter aus dem Wolff’schen Gange hervor- gehen, während der Müller’sche Gang bis auf die Morgagni’sche Hydatide und den Uterus masculinus schwindet. Mit Bezug auf die Samenleiter ist nun noch ein Punct her- vorzuheben, der bis jetzt ausser durch Thiersch (Illustr. med. Zeit- schrift. 1852. St. 12) noch keine Berücksichtigung gefunden hat. Die Urnierengänge, aus denen dieselben sich hervorbilden, laufen bei männlichen Embryonen gesondert bis an den Eingang des Beckens, hier jedoch vereinigen sich dieselben hinter der Blase zu einem ein- zigen Strange, den man mit Thiersch Genitalstrang heissen kann und mit ihnen fliessen zugleich auch die Müller’schen Gänge zusam- men, so dass zu einer gewissen Zeit der männliche Genitalstrang vier Kanäle enthält. Dann verschwinden die Müller’schen Gänge im oberen Ende des Genitalstranges und fliessen im unteren Theile desselben zum Uterus masculinus zusammen, und während diess ge- schieht, weiten sich die Urnierengänge, die immer getrennt bleiben, aus und stellen nun die Vasa deferentia dar. Diese sind jedoch an- fangs nicht getrennt, sondern stellen zwei in dem einfachen Genital- strange enthaltene Epithelialröhren dar, wie Ihnen dies die Fig. 218, von dem in der Fig. 215 dargestellten männlichen Rindsembryo zeigt. Genitalstrang.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/461>, abgerufen am 28.04.2024.