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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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Schutz nehmen. Uebrigens haben wir Deutsche uns am
wenigsten über den Maler zu beklagen, und wenn er nur
die abscheuliche Verläumdung weggelassen bitte, daß wir
nicht zu lieben verstanden, und wenn er nicht so in den
Tag hinein behaubtete, daß wir als Ehemänner, Herren
wären, so könnte man schon mit ihm zufrieden seyn.--

Jetzt wollen wir, wenns beliebt, diese Bibliothek an
Bindfaden aufgehängt, weiter hinauf spazieren; sie grenzt
dort an eine ähnliche Tapete von Musikalien, die wie-
derum mit einer dergleichen von Bildern zusammen
hängt. Unter jenen finden Sie alle neue Arien, Duette
u. s. w. aus den beliebtesten Französischen und Welschen
Opern, unter diesen die Abbildungen alles dessen, was et-
wa eben die Pariser vorzüglich interessirt, z. B. Fanchon
das Leiermädchen,
den schönen Regimentstambour
der Konsulargarde mit seinem hinreißenden Backenbart,
den prächtig gekleideten Mamelucken des ersten Konsuls;
natürlicherweiße auch den ersten Konsul selbst auf tausender-
lei Manieren, besonders wie er mit dem Schwerdt in der
Faust das Kreuz wieder aufpflanzt und der Glaube ihm
eine Palme reicht; neben ihm die beiden Konsuls, oder
auch die schöne Madame Recamier mit dem halb verschleier-
ten reizenden Gesichte. Auch Karikaturen hängen da in
Menge, und natürlich ist jetzt immer der König von Eng-
land die Zielscheibe des französischen Spottes, der ihnen
aber von ihren Feinden jenseit des Kanals, nicht allein
reichlicher, sondern wohl meistens auch witziger zurückgegeben
wird, denn man muß gestehen, daß man unter zwanzig
französischen Karikaturen kaum Eine findet, die auf Witz
Anspruch machen darf. Hier erblicken Sie den König zwi-
schen seinem guten und bösen Genius, wie er sich dem letz-
tern in die Arme wirft; dort reitet ein Engländer auf ei-

Schutz nehmen. Uebrigens haben wir Deutsche uns am
wenigsten uͤber den Maler zu beklagen, und wenn er nur
die abscheuliche Verlaͤumdung weggelassen bitte, daß wir
nicht zu lieben verstanden, und wenn er nicht so in den
Tag hinein behaubtete, daß wir als Ehemaͤnner, Herren
waͤren, so koͤnnte man schon mit ihm zufrieden seyn.—

Jetzt wollen wir, wenns beliebt, diese Bibliothek an
Bindfaden aufgehaͤngt, weiter hinauf spazieren; sie grenzt
dort an eine aͤhnliche Tapete von Musikalien, die wie-
derum mit einer dergleichen von Bildern zusammen
haͤngt. Unter jenen finden Sie alle neue Arien, Duette
u. s. w. aus den beliebtesten Franzoͤsischen und Welschen
Opern, unter diesen die Abbildungen alles dessen, was et-
wa eben die Pariser vorzuͤglich interessirt, z. B. Fanchon
das Leiermaͤdchen,
den schoͤnen Regimentstambour
der Konsulargarde mit seinem hinreißenden Backenbart,
den praͤchtig gekleideten Mamelucken des ersten Konsuls;
natuͤrlicherweiße auch den ersten Konsul selbst auf tausender-
lei Manieren, besonders wie er mit dem Schwerdt in der
Faust das Kreuz wieder aufpflanzt und der Glaube ihm
eine Palme reicht; neben ihm die beiden Konsuls, oder
auch die schoͤne Madame Recamier mit dem halb verschleier-
ten reizenden Gesichte. Auch Karikaturen haͤngen da in
Menge, und natuͤrlich ist jetzt immer der Koͤnig von Eng-
land die Zielscheibe des franzoͤsischen Spottes, der ihnen
aber von ihren Feinden jenseit des Kanals, nicht allein
reichlicher, sondern wohl meistens auch witziger zuruͤckgegeben
wird, denn man muß gestehen, daß man unter zwanzig
franzoͤsischen Karikaturen kaum Eine findet, die auf Witz
Anspruch machen darf. Hier erblicken Sie den Koͤnig zwi-
schen seinem guten und boͤsen Genius, wie er sich dem letz-
tern in die Arme wirft; dort reitet ein Englaͤnder auf ei-

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[99/0103] Schutz nehmen. Uebrigens haben wir Deutsche uns am wenigsten uͤber den Maler zu beklagen, und wenn er nur die abscheuliche Verlaͤumdung weggelassen bitte, daß wir nicht zu lieben verstanden, und wenn er nicht so in den Tag hinein behaubtete, daß wir als Ehemaͤnner, Herren waͤren, so koͤnnte man schon mit ihm zufrieden seyn.— Jetzt wollen wir, wenns beliebt, diese Bibliothek an Bindfaden aufgehaͤngt, weiter hinauf spazieren; sie grenzt dort an eine aͤhnliche Tapete von Musikalien, die wie- derum mit einer dergleichen von Bildern zusammen haͤngt. Unter jenen finden Sie alle neue Arien, Duette u. s. w. aus den beliebtesten Franzoͤsischen und Welschen Opern, unter diesen die Abbildungen alles dessen, was et- wa eben die Pariser vorzuͤglich interessirt, z. B. Fanchon das Leiermaͤdchen, den schoͤnen Regimentstambour der Konsulargarde mit seinem hinreißenden Backenbart, den praͤchtig gekleideten Mamelucken des ersten Konsuls; natuͤrlicherweiße auch den ersten Konsul selbst auf tausender- lei Manieren, besonders wie er mit dem Schwerdt in der Faust das Kreuz wieder aufpflanzt und der Glaube ihm eine Palme reicht; neben ihm die beiden Konsuls, oder auch die schoͤne Madame Recamier mit dem halb verschleier- ten reizenden Gesichte. Auch Karikaturen haͤngen da in Menge, und natuͤrlich ist jetzt immer der Koͤnig von Eng- land die Zielscheibe des franzoͤsischen Spottes, der ihnen aber von ihren Feinden jenseit des Kanals, nicht allein reichlicher, sondern wohl meistens auch witziger zuruͤckgegeben wird, denn man muß gestehen, daß man unter zwanzig franzoͤsischen Karikaturen kaum Eine findet, die auf Witz Anspruch machen darf. Hier erblicken Sie den Koͤnig zwi- schen seinem guten und boͤsen Genius, wie er sich dem letz- tern in die Arme wirft; dort reitet ein Englaͤnder auf ei-

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/103>, abgerufen am 26.04.2024.