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Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.

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Eulal. Die edle Jagd und das noch edlere
Spiel räum' ich Ihnen willig ein; aber ich fürchte,
dabey haben Sie wenig gewonnen.
Der Major. In der That, Madam, ich
wünschte einen Tag lang Zeuge ihrer Beschäfti-
gungen zu seyn.
Eulal. O, Sie können nicht glauben, Herr
Major, wie schnell die Zeit vorbeyeilt, wenn
eine gewisse Einförmigkeit in unserer Lebensart
herrscht. Ein Tag, wie der andere; die heutige
Morgenstunde, wie die gestrige; o, da fragt man
sich so oft: haben wir heute schon Sonnabend? ist
der Montag schon zu Ende? -- Wenn ich an einem
heitern Morgen mir den Caffee auf den grünen
Hofplatz hinaustragen lasse, dann ist mir das süße
Bild der auflebenden Geschäftigkeit und Thätig-
keit um mich her immer neu. Die Schwalben
schwirren, die Enten und Gänse schnattern, das
Vieh wird ausgetrieben, der Bauer zieht hinaus
aufs Feld, und wünscht mir im Vorbeygehen einen
freundlichen, guten Morgen, alles lebt und webt
und ist froh. Wenn ich nun ein paar Stunden
lang Zeuge dieses erquickenden Schauspiels gewe-
sen bin, dann geh' ich an meine Geschäfte, und eins,
Eulal. Die edle Jagd und das noch edlere
Spiel raͤum’ ich Ihnen willig ein; aber ich fuͤrchte,
dabey haben Sie wenig gewonnen.
Der Major. In der That, Madam, ich
wuͤnſchte einen Tag lang Zeuge ihrer Beſchaͤfti-
gungen zu ſeyn.
Eulal. O, Sie koͤnnen nicht glauben, Herr
Major, wie ſchnell die Zeit vorbeyeilt, wenn
eine gewiſſe Einfoͤrmigkeit in unſerer Lebensart
herrſcht. Ein Tag, wie der andere; die heutige
Morgenſtunde, wie die geſtrige; o, da fragt man
ſich ſo oft: haben wir heute ſchon Sonnabend? iſt
der Montag ſchon zu Ende? — Wenn ich an einem
heitern Morgen mir den Caffee auf den gruͤnen
Hofplatz hinaustragen laſſe, dann iſt mir das ſuͤße
Bild der auflebenden Geſchaͤftigkeit und Thaͤtig-
keit um mich her immer neu. Die Schwalben
ſchwirren, die Enten und Gaͤnſe ſchnattern, das
Vieh wird ausgetrieben, der Bauer zieht hinaus
aufs Feld, und wuͤnſcht mir im Vorbeygehen einen
freundlichen, guten Morgen, alles lebt und webt
und iſt froh. Wenn ich nun ein paar Stunden
lang Zeuge dieſes erquickenden Schauſpiels gewe-
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[44/0052] Eulal. Die edle Jagd und das noch edlere Spiel raͤum’ ich Ihnen willig ein; aber ich fuͤrchte, dabey haben Sie wenig gewonnen. Der Major. In der That, Madam, ich wuͤnſchte einen Tag lang Zeuge ihrer Beſchaͤfti- gungen zu ſeyn. Eulal. O, Sie koͤnnen nicht glauben, Herr Major, wie ſchnell die Zeit vorbeyeilt, wenn eine gewiſſe Einfoͤrmigkeit in unſerer Lebensart herrſcht. Ein Tag, wie der andere; die heutige Morgenſtunde, wie die geſtrige; o, da fragt man ſich ſo oft: haben wir heute ſchon Sonnabend? iſt der Montag ſchon zu Ende? — Wenn ich an einem heitern Morgen mir den Caffee auf den gruͤnen Hofplatz hinaustragen laſſe, dann iſt mir das ſuͤße Bild der auflebenden Geſchaͤftigkeit und Thaͤtig- keit um mich her immer neu. Die Schwalben ſchwirren, die Enten und Gaͤnſe ſchnattern, das Vieh wird ausgetrieben, der Bauer zieht hinaus aufs Feld, und wuͤnſcht mir im Vorbeygehen einen freundlichen, guten Morgen, alles lebt und webt und iſt froh. Wenn ich nun ein paar Stunden lang Zeuge dieſes erquickenden Schauſpiels gewe- ſen bin, dann geh’ ich an meine Geſchaͤfte, und eins,

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/52>, abgerufen am 29.04.2024.