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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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erfreuen, wie er beruhigend hinzufügte. Und um nun Franzen
gleich die richtige Rolle zu ertheilen, die er diesmal bei der
Ausbeutung fremden Eigenthums zu spielen haben werde,
redete er ihn mehrmals mit "lieber Kompagnon in spe" an.
So hieß es denn hintereinander: ". . . Sie werden davon
überzeugt sein, daß es in unserem beiderseitigen Interesse
liegen muß, die Modelle einmal in die Hände zu bekommen,
um zu sehen, wie die Zusammensetzung ist. . . Aber mein
"lieber Socius" -- ich will nicht in Sie dringen, wenn schon
"unsere" Firma einen bedeutenden Vortheil davon hätte, und
ich der festen Meinung lebe, daß es auf die Dauer gut sein
wird, wenn "wir Chefs" zusammenhalten. . . . Ich stelle mir
die Sache nicht so schlimm vor. Sie besuchen Ihre Eltern
unter irgend einem Vorwand und -- -- und -- -- Oder
thun Sie es lieber nicht! Nein, nein, der liebe Gott bewahre
mich vor einer Sünde!"

Gerade die letzten Worte hatten genügt, um Franzen's
Entschluß zu befestigen. O, was für Rücksichten hat man nicht
als Geschäftsmann auf seinen Kompagnon zu nehmen! War
man nicht moralisch verpflichtet, dessen Interessen zu den
eigenen zu machen?

Drei Tage lang dachte er darüber nach, wie er es an¬
stellen sollte, den abermaligen Wunsch Urban's zu erfüllen.
Hundert Mal nahm er sich vor, dem Hause seiner Eltern
frank und frei einen Besuch zu machen, aber die Scham hielt
ihn davon ab; noch mehr die Furcht vor seinem Vater, die
gerade jetzt entsetzlich auf ihn eindrang. Wenn der Alte ihm
die Thür wiese, ihn wie einen Schuljungen behandelte, an¬
gesichts der Gesellen . . .? Nein, . . . Sagte ihm
sein Gewissen auch, daß er eine derartige Behandlung verdient

Kretzer, Meister Timpe. 13

erfreuen, wie er beruhigend hinzufügte. Und um nun Franzen
gleich die richtige Rolle zu ertheilen, die er diesmal bei der
Ausbeutung fremden Eigenthums zu ſpielen haben werde,
redete er ihn mehrmals mit „lieber Kompagnon in spe“ an.
So hieß es denn hintereinander: „. . . Sie werden davon
überzeugt ſein, daß es in unſerem beiderſeitigen Intereſſe
liegen muß, die Modelle einmal in die Hände zu bekommen,
um zu ſehen, wie die Zuſammenſetzung iſt. . . Aber mein
„lieber Socius“ — ich will nicht in Sie dringen, wenn ſchon
„unſere“ Firma einen bedeutenden Vortheil davon hätte, und
ich der feſten Meinung lebe, daß es auf die Dauer gut ſein
wird, wenn „wir Chefs“ zuſammenhalten. . . . Ich ſtelle mir
die Sache nicht ſo ſchlimm vor. Sie beſuchen Ihre Eltern
unter irgend einem Vorwand und — — und — — Oder
thun Sie es lieber nicht! Nein, nein, der liebe Gott bewahre
mich vor einer Sünde!“

Gerade die letzten Worte hatten genügt, um Franzen's
Entſchluß zu befeſtigen. O, was für Rückſichten hat man nicht
als Geſchäftsmann auf ſeinen Kompagnon zu nehmen! War
man nicht moraliſch verpflichtet, deſſen Intereſſen zu den
eigenen zu machen?

Drei Tage lang dachte er darüber nach, wie er es an¬
ſtellen ſollte, den abermaligen Wunſch Urban's zu erfüllen.
Hundert Mal nahm er ſich vor, dem Hauſe ſeiner Eltern
frank und frei einen Beſuch zu machen, aber die Scham hielt
ihn davon ab; noch mehr die Furcht vor ſeinem Vater, die
gerade jetzt entſetzlich auf ihn eindrang. Wenn der Alte ihm
die Thür wieſe, ihn wie einen Schuljungen behandelte, an¬
geſichts der Geſellen . . .? Nein, . . . Sagte ihm
ſein Gewiſſen auch, daß er eine derartige Behandlung verdient

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[193/0205] erfreuen, wie er beruhigend hinzufügte. Und um nun Franzen gleich die richtige Rolle zu ertheilen, die er diesmal bei der Ausbeutung fremden Eigenthums zu ſpielen haben werde, redete er ihn mehrmals mit „lieber Kompagnon in spe“ an. So hieß es denn hintereinander: „. . . Sie werden davon überzeugt ſein, daß es in unſerem beiderſeitigen Intereſſe liegen muß, die Modelle einmal in die Hände zu bekommen, um zu ſehen, wie die Zuſammenſetzung iſt. . . Aber mein „lieber Socius“ — ich will nicht in Sie dringen, wenn ſchon „unſere“ Firma einen bedeutenden Vortheil davon hätte, und ich der feſten Meinung lebe, daß es auf die Dauer gut ſein wird, wenn „wir Chefs“ zuſammenhalten. . . . Ich ſtelle mir die Sache nicht ſo ſchlimm vor. Sie beſuchen Ihre Eltern unter irgend einem Vorwand und — — und — — Oder thun Sie es lieber nicht! Nein, nein, der liebe Gott bewahre mich vor einer Sünde!“ Gerade die letzten Worte hatten genügt, um Franzen's Entſchluß zu befeſtigen. O, was für Rückſichten hat man nicht als Geſchäftsmann auf ſeinen Kompagnon zu nehmen! War man nicht moraliſch verpflichtet, deſſen Intereſſen zu den eigenen zu machen? Drei Tage lang dachte er darüber nach, wie er es an¬ ſtellen ſollte, den abermaligen Wunſch Urban's zu erfüllen. Hundert Mal nahm er ſich vor, dem Hauſe ſeiner Eltern frank und frei einen Beſuch zu machen, aber die Scham hielt ihn davon ab; noch mehr die Furcht vor ſeinem Vater, die gerade jetzt entſetzlich auf ihn eindrang. Wenn der Alte ihm die Thür wieſe, ihn wie einen Schuljungen behandelte, an¬ geſichts der Geſellen . . .? Nein, . . . Sagte ihm ſein Gewiſſen auch, daß er eine derartige Behandlung verdient Kretzer, Meiſter Timpe. 13

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/205>, abgerufen am 29.04.2024.