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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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mag er vergessen haben, was er Ihnen schuldig ist, ich
kann darüber nicht richten, denn ich liebe ihn von ganzem
Herzen. Und ich schwöre Ihnen hier bei dieser Liebe, daß
ich versuchen will, gut zu machen, was er Ihnen wehe gethan
hat ... Ich will mit tausend Zungen zu ihm reden, ich will
Tag und Nacht zu Gott beten, damit er Sie wieder vereinige.
Aber ich flehe Sie an, ich bitte inständigst, wenn Sie auch nicht
zur Hochzeit kommen wollen, geben Sie mir für Ihren Sohn
Ihren Segen."

Mit zuckenden Lippen blickte sie zu ihm empor, riß den
Hut ab, neigte das Haupt und faltete die Hände krampfhaft
über das Taschentuch. Bei diesem Anblick konnte auch die
Meisterin nicht mehr ihre Fassung bewahren. Ihr weiches
Gemüth preßte auch ihr eine Thräne in's Auge. Und so
stand sie hinter ihrem Manne, dem es seltsam zu Muthe
ward, und drängte ihn leise, den Wunsch der Knieenden zu
erfüllen.

Der Meister war wieder ein Anderer geworden. Er
legte die harten Hände auf den Scheitel Emmas und sagte
halblaut: "Und der Herr segne Dich und behüte Dich, und
lasse auch diesen Segen Deinem zukünftigen Manne theil¬
haftig werden."

Und kaum hatte er die letzte Silbe ausgesprochen, so
fühlte er sich von den Armen Emma's umschlungen.

"Mein Vater, ich danke Ihnen."

Auch der Meisterin Hals umschlang sie und drückte einen
Kuß auf ihre Stirn. Dann ging sie. Und als die Thür
sich hinter ihr leise geschlossen hatte, war es dem Ehepaare,
als wäre der ganze Vorgang ein Spuk gewesen, hervorgerufen
durch die lichte Erscheinung eines Engels. ...

mag er vergeſſen haben, was er Ihnen ſchuldig iſt, ich
kann darüber nicht richten, denn ich liebe ihn von ganzem
Herzen. Und ich ſchwöre Ihnen hier bei dieſer Liebe, daß
ich verſuchen will, gut zu machen, was er Ihnen wehe gethan
hat ... Ich will mit tauſend Zungen zu ihm reden, ich will
Tag und Nacht zu Gott beten, damit er Sie wieder vereinige.
Aber ich flehe Sie an, ich bitte inſtändigſt, wenn Sie auch nicht
zur Hochzeit kommen wollen, geben Sie mir für Ihren Sohn
Ihren Segen.“

Mit zuckenden Lippen blickte ſie zu ihm empor, riß den
Hut ab, neigte das Haupt und faltete die Hände krampfhaft
über das Taſchentuch. Bei dieſem Anblick konnte auch die
Meiſterin nicht mehr ihre Faſſung bewahren. Ihr weiches
Gemüth preßte auch ihr eine Thräne in's Auge. Und ſo
ſtand ſie hinter ihrem Manne, dem es ſeltſam zu Muthe
ward, und drängte ihn leiſe, den Wunſch der Knieenden zu
erfüllen.

Der Meiſter war wieder ein Anderer geworden. Er
legte die harten Hände auf den Scheitel Emmas und ſagte
halblaut: „Und der Herr ſegne Dich und behüte Dich, und
laſſe auch dieſen Segen Deinem zukünftigen Manne theil¬
haftig werden.“

Und kaum hatte er die letzte Silbe ausgeſprochen, ſo
fühlte er ſich von den Armen Emma's umſchlungen.

„Mein Vater, ich danke Ihnen.“

Auch der Meiſterin Hals umſchlang ſie und drückte einen
Kuß auf ihre Stirn. Dann ging ſie. Und als die Thür
ſich hinter ihr leiſe geſchloſſen hatte, war es dem Ehepaare,
als wäre der ganze Vorgang ein Spuk geweſen, hervorgerufen
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[217/0229] mag er vergeſſen haben, was er Ihnen ſchuldig iſt, ich kann darüber nicht richten, denn ich liebe ihn von ganzem Herzen. Und ich ſchwöre Ihnen hier bei dieſer Liebe, daß ich verſuchen will, gut zu machen, was er Ihnen wehe gethan hat ... Ich will mit tauſend Zungen zu ihm reden, ich will Tag und Nacht zu Gott beten, damit er Sie wieder vereinige. Aber ich flehe Sie an, ich bitte inſtändigſt, wenn Sie auch nicht zur Hochzeit kommen wollen, geben Sie mir für Ihren Sohn Ihren Segen.“ Mit zuckenden Lippen blickte ſie zu ihm empor, riß den Hut ab, neigte das Haupt und faltete die Hände krampfhaft über das Taſchentuch. Bei dieſem Anblick konnte auch die Meiſterin nicht mehr ihre Faſſung bewahren. Ihr weiches Gemüth preßte auch ihr eine Thräne in's Auge. Und ſo ſtand ſie hinter ihrem Manne, dem es ſeltſam zu Muthe ward, und drängte ihn leiſe, den Wunſch der Knieenden zu erfüllen. Der Meiſter war wieder ein Anderer geworden. Er legte die harten Hände auf den Scheitel Emmas und ſagte halblaut: „Und der Herr ſegne Dich und behüte Dich, und laſſe auch dieſen Segen Deinem zukünftigen Manne theil¬ haftig werden.“ Und kaum hatte er die letzte Silbe ausgeſprochen, ſo fühlte er ſich von den Armen Emma's umſchlungen. „Mein Vater, ich danke Ihnen.“ Auch der Meiſterin Hals umſchlang ſie und drückte einen Kuß auf ihre Stirn. Dann ging ſie. Und als die Thür ſich hinter ihr leiſe geſchloſſen hatte, war es dem Ehepaare, als wäre der ganze Vorgang ein Spuk geweſen, hervorgerufen durch die lichte Erſcheinung eines Engels. ...

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/229>, abgerufen am 29.04.2024.