Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

eigener Geselle ihn die Armuth fühlen ließe! So sagte er
denn trocken:

"Trotz alledem bleibt mir nichts übrig, als Sie dringend
zu bitten, meine Werkstatt zu verlassen."

"Ich bleibe."

"Ich fordere Sie jetzt energisch auf."

"Hilft Alles nichts, Meister! Ich weiche nur der Gewalt.
Schicken Sie zur Polizei. Dann werde ich allen Menschen
erzählen, wie ein Meister seinen Gesellen, der zweiundzwanzig
Jahre bei ihm gearbeitet hat, durch Schutzmänner auf die
Straße werfen ließ. Ein Hoch werden dann die Leute auf
Sie nicht ausbringen, verlassen Sie sich darauf".

Die beiden Lehrlinge schnitten ungesehen lustige Grimassen,
wählend Timpe die Zornader schwoll.

"Dann stehen Sie sich meinetwegen die Beine in den
Hals hinein", sagte er wüthend gemacht und gab den Kampf auf.

"Ich kann mit meinen Beinen machen, was ich will,
Meister", erwiderte Beyer.

Nach diesen Worten fiel hinter dem Meister die Thür
krachend zu, so daß die Wände erzitterten.

Als nach ungefähr einer Viertelstunde in der Werkstatt
eine Rechnung präsentirt wurde, die durchaus bezahlt werden
mußte, beglich sie der Altgeselle mit dem Gelde, das noch
immer auf der Drehbank lag. Später erst erfuhr Timpe von
diesem Geniestreich, der seiner Meinung nach an Boshaftigkeit
nichts zu wünschen übrig gelassen hatte.

Nach drei Wochen blieb der eine Lehrling weg. Er
schlief in der letzten Zeit bei seinen Eltern, und da er bereits
zweiundeinhalb Jahr lernte, so hielt er es für angezeigt, in
eine Fabrik einzutreten, wo er bereits einen kleinen Gesellen¬

eigener Geſelle ihn die Armuth fühlen ließe! So ſagte er
denn trocken:

„Trotz alledem bleibt mir nichts übrig, als Sie dringend
zu bitten, meine Werkſtatt zu verlaſſen.“

„Ich bleibe.“

„Ich fordere Sie jetzt energiſch auf.“

„Hilft Alles nichts, Meiſter! Ich weiche nur der Gewalt.
Schicken Sie zur Polizei. Dann werde ich allen Menſchen
erzählen, wie ein Meiſter ſeinen Geſellen, der zweiundzwanzig
Jahre bei ihm gearbeitet hat, durch Schutzmänner auf die
Straße werfen ließ. Ein Hoch werden dann die Leute auf
Sie nicht ausbringen, verlaſſen Sie ſich darauf“.

Die beiden Lehrlinge ſchnitten ungeſehen luſtige Grimaſſen,
wählend Timpe die Zornader ſchwoll.

„Dann ſtehen Sie ſich meinetwegen die Beine in den
Hals hinein“, ſagte er wüthend gemacht und gab den Kampf auf.

„Ich kann mit meinen Beinen machen, was ich will,
Meiſter“, erwiderte Beyer.

Nach dieſen Worten fiel hinter dem Meiſter die Thür
krachend zu, ſo daß die Wände erzitterten.

Als nach ungefähr einer Viertelſtunde in der Werkſtatt
eine Rechnung präſentirt wurde, die durchaus bezahlt werden
mußte, beglich ſie der Altgeſelle mit dem Gelde, das noch
immer auf der Drehbank lag. Später erſt erfuhr Timpe von
dieſem Genieſtreich, der ſeiner Meinung nach an Boshaftigkeit
nichts zu wünſchen übrig gelaſſen hatte.

Nach drei Wochen blieb der eine Lehrling weg. Er
ſchlief in der letzten Zeit bei ſeinen Eltern, und da er bereits
zweiundeinhalb Jahr lernte, ſo hielt er es für angezeigt, in
eine Fabrik einzutreten, wo er bereits einen kleinen Geſellen¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0242" n="230"/>
eigener Ge&#x017F;elle ihn die Armuth fühlen ließe! So &#x017F;agte er<lb/>
denn trocken:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Trotz alledem bleibt mir nichts übrig, als Sie dringend<lb/>
zu bitten, meine Werk&#x017F;tatt zu verla&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich bleibe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich fordere Sie jetzt energi&#x017F;ch auf.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hilft Alles nichts, Mei&#x017F;ter! Ich weiche nur der Gewalt.<lb/>
Schicken Sie zur Polizei. Dann werde ich allen Men&#x017F;chen<lb/>
erzählen, wie ein Mei&#x017F;ter &#x017F;einen Ge&#x017F;ellen, der zweiundzwanzig<lb/>
Jahre bei ihm gearbeitet hat, durch Schutzmänner auf die<lb/>
Straße werfen ließ. Ein Hoch werden dann die Leute auf<lb/>
Sie nicht ausbringen, verla&#x017F;&#x017F;en Sie &#x017F;ich darauf&#x201C;.</p><lb/>
        <p>Die beiden Lehrlinge &#x017F;chnitten unge&#x017F;ehen lu&#x017F;tige Grima&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
wählend Timpe die Zornader &#x017F;chwoll.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dann &#x017F;tehen Sie &#x017F;ich meinetwegen die Beine in den<lb/>
Hals hinein&#x201C;, &#x017F;agte er wüthend gemacht und gab den Kampf auf.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich kann mit meinen Beinen machen, was ich will,<lb/>
Mei&#x017F;ter&#x201C;, erwiderte Beyer.</p><lb/>
        <p>Nach die&#x017F;en Worten fiel hinter dem Mei&#x017F;ter die Thür<lb/>
krachend zu, &#x017F;o daß die Wände erzitterten.</p><lb/>
        <p>Als nach ungefähr einer Viertel&#x017F;tunde in der Werk&#x017F;tatt<lb/>
eine Rechnung prä&#x017F;entirt wurde, die durchaus bezahlt werden<lb/>
mußte, beglich &#x017F;ie der Altge&#x017F;elle mit dem Gelde, das noch<lb/>
immer auf der Drehbank lag. Später er&#x017F;t erfuhr Timpe von<lb/>
die&#x017F;em Genie&#x017F;treich, der &#x017F;einer Meinung nach an Boshaftigkeit<lb/>
nichts zu wün&#x017F;chen übrig gela&#x017F;&#x017F;en hatte.</p><lb/>
        <p>Nach drei Wochen blieb der eine Lehrling weg. Er<lb/>
&#x017F;chlief in der letzten Zeit bei &#x017F;einen Eltern, und da er bereits<lb/>
zweiundeinhalb Jahr lernte, &#x017F;o hielt er es für angezeigt, in<lb/>
eine Fabrik einzutreten, wo er bereits einen kleinen Ge&#x017F;ellen¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0242] eigener Geſelle ihn die Armuth fühlen ließe! So ſagte er denn trocken: „Trotz alledem bleibt mir nichts übrig, als Sie dringend zu bitten, meine Werkſtatt zu verlaſſen.“ „Ich bleibe.“ „Ich fordere Sie jetzt energiſch auf.“ „Hilft Alles nichts, Meiſter! Ich weiche nur der Gewalt. Schicken Sie zur Polizei. Dann werde ich allen Menſchen erzählen, wie ein Meiſter ſeinen Geſellen, der zweiundzwanzig Jahre bei ihm gearbeitet hat, durch Schutzmänner auf die Straße werfen ließ. Ein Hoch werden dann die Leute auf Sie nicht ausbringen, verlaſſen Sie ſich darauf“. Die beiden Lehrlinge ſchnitten ungeſehen luſtige Grimaſſen, wählend Timpe die Zornader ſchwoll. „Dann ſtehen Sie ſich meinetwegen die Beine in den Hals hinein“, ſagte er wüthend gemacht und gab den Kampf auf. „Ich kann mit meinen Beinen machen, was ich will, Meiſter“, erwiderte Beyer. Nach dieſen Worten fiel hinter dem Meiſter die Thür krachend zu, ſo daß die Wände erzitterten. Als nach ungefähr einer Viertelſtunde in der Werkſtatt eine Rechnung präſentirt wurde, die durchaus bezahlt werden mußte, beglich ſie der Altgeſelle mit dem Gelde, das noch immer auf der Drehbank lag. Später erſt erfuhr Timpe von dieſem Genieſtreich, der ſeiner Meinung nach an Boshaftigkeit nichts zu wünſchen übrig gelaſſen hatte. Nach drei Wochen blieb der eine Lehrling weg. Er ſchlief in der letzten Zeit bei ſeinen Eltern, und da er bereits zweiundeinhalb Jahr lernte, ſo hielt er es für angezeigt, in eine Fabrik einzutreten, wo er bereits einen kleinen Geſellen¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/242
Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/242>, abgerufen am 28.04.2024.