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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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ebenfalls vernommen und trat zu den Beiden in's Zimmer.
Sein Antlitz zeigte dieselbe Ruhe wie bei dem ersten Besuche
Emma's, nur befleißigte er sich einer größeren Höflichkeit als
damals.

"Was giebt uns die Ehre, gnädige Frau?" fragte er,
nicht ohne der Anrede einen Beigeschmack leisen Spottes
zu geben.

Es bedurfte nicht langer Auseinandersetzung. Erst zögernd,
dann aber direkt entlastete sie ihr Herz. Sie war ge¬
kommen, um ihre Hülfe anzubieten. Aus mancherlei Andeu¬
tungen ihres Stiefvaters hatte sie erfahren, wie es hier im
Hause stand.

"So, so -- das ist sehr freundlich von Ihnen," sagte
Timpe und ging, die Hände auf dem Rücken, die Stube auf
und ab. Dann blieb er stehen und fuhr fort:

"Wer sagt Ihnen denn aber, daß wir der Unterstützung
bedürfen? Uns geht es ausgezeichnet. Wir haben einen
großen Gewinn in der Lotterie gemacht. Daß meine Dreh¬
bänke still stehen, hat seine Richtigkeit, aber das liegt nur an
mir. Ich habe mich mein Leben lang genug gequält, ich will
nun die Hände in den Schooß legen und als Rentier leben.
Ja, ja als Rentier! Es wird nicht lange dauern und Sie
werden hier an dieser Stelle ein vierstöckiges Haus errichtet
sehen, und damit wir im Sommer die Maikäfer schwirren
hören, werden wir uns irgendwo ein kleines Lustschloß bauen,
wahrscheinlich in Friedrichshagen . . . Daß Sie das noch nicht
wissen, wundert mich, denn die ganze Nachbarschaft spricht be¬
reits davon . . . Ich muß also Ihr Anerbieten mit Dank ab¬
lehnen, und zwar ein- für allemal."

Frau Karoline starrte ihren Mann an, als zweifle sie

ebenfalls vernommen und trat zu den Beiden in's Zimmer.
Sein Antlitz zeigte dieſelbe Ruhe wie bei dem erſten Beſuche
Emma's, nur befleißigte er ſich einer größeren Höflichkeit als
damals.

„Was giebt uns die Ehre, gnädige Frau?“ fragte er,
nicht ohne der Anrede einen Beigeſchmack leiſen Spottes
zu geben.

Es bedurfte nicht langer Auseinanderſetzung. Erſt zögernd,
dann aber direkt entlaſtete ſie ihr Herz. Sie war ge¬
kommen, um ihre Hülfe anzubieten. Aus mancherlei Andeu¬
tungen ihres Stiefvaters hatte ſie erfahren, wie es hier im
Hauſe ſtand.

„So, ſo — das iſt ſehr freundlich von Ihnen,“ ſagte
Timpe und ging, die Hände auf dem Rücken, die Stube auf
und ab. Dann blieb er ſtehen und fuhr fort:

„Wer ſagt Ihnen denn aber, daß wir der Unterſtützung
bedürfen? Uns geht es ausgezeichnet. Wir haben einen
großen Gewinn in der Lotterie gemacht. Daß meine Dreh¬
bänke ſtill ſtehen, hat ſeine Richtigkeit, aber das liegt nur an
mir. Ich habe mich mein Leben lang genug gequält, ich will
nun die Hände in den Schooß legen und als Rentier leben.
Ja, ja als Rentier! Es wird nicht lange dauern und Sie
werden hier an dieſer Stelle ein vierſtöckiges Haus errichtet
ſehen, und damit wir im Sommer die Maikäfer ſchwirren
hören, werden wir uns irgendwo ein kleines Luſtſchloß bauen,
wahrſcheinlich in Friedrichshagen . . . Daß Sie das noch nicht
wiſſen, wundert mich, denn die ganze Nachbarſchaft ſpricht be¬
reits davon . . . Ich muß alſo Ihr Anerbieten mit Dank ab¬
lehnen, und zwar ein- für allemal.“

Frau Karoline ſtarrte ihren Mann an, als zweifle ſie

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[236/0248] ebenfalls vernommen und trat zu den Beiden in's Zimmer. Sein Antlitz zeigte dieſelbe Ruhe wie bei dem erſten Beſuche Emma's, nur befleißigte er ſich einer größeren Höflichkeit als damals. „Was giebt uns die Ehre, gnädige Frau?“ fragte er, nicht ohne der Anrede einen Beigeſchmack leiſen Spottes zu geben. Es bedurfte nicht langer Auseinanderſetzung. Erſt zögernd, dann aber direkt entlaſtete ſie ihr Herz. Sie war ge¬ kommen, um ihre Hülfe anzubieten. Aus mancherlei Andeu¬ tungen ihres Stiefvaters hatte ſie erfahren, wie es hier im Hauſe ſtand. „So, ſo — das iſt ſehr freundlich von Ihnen,“ ſagte Timpe und ging, die Hände auf dem Rücken, die Stube auf und ab. Dann blieb er ſtehen und fuhr fort: „Wer ſagt Ihnen denn aber, daß wir der Unterſtützung bedürfen? Uns geht es ausgezeichnet. Wir haben einen großen Gewinn in der Lotterie gemacht. Daß meine Dreh¬ bänke ſtill ſtehen, hat ſeine Richtigkeit, aber das liegt nur an mir. Ich habe mich mein Leben lang genug gequält, ich will nun die Hände in den Schooß legen und als Rentier leben. Ja, ja als Rentier! Es wird nicht lange dauern und Sie werden hier an dieſer Stelle ein vierſtöckiges Haus errichtet ſehen, und damit wir im Sommer die Maikäfer ſchwirren hören, werden wir uns irgendwo ein kleines Luſtſchloß bauen, wahrſcheinlich in Friedrichshagen . . . Daß Sie das noch nicht wiſſen, wundert mich, denn die ganze Nachbarſchaft ſpricht be¬ reits davon . . . Ich muß alſo Ihr Anerbieten mit Dank ab¬ lehnen, und zwar ein- für allemal.“ Frau Karoline ſtarrte ihren Mann an, als zweifle ſie

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/248>, abgerufen am 28.04.2024.