Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

feuer knisterte und einen Geruch wie auf einer Brandstätte
verbreitete. "Hurrjeh, daran habe ich noch gar nicht gedacht,
Meister", fuhr er fort. "Wissen Sie. Sie sind der erste
Mensch, der mich danach fragt. ... Aber rechne ich so Alles
in Allem, dann wird wohl eine halbe Million und ein
Dutzend mehr herauskommen. Gezählt habe ich sie wahr¬
haftig nicht, denn dazu sind die Maurermeister da, die können
auch was thun."

Und nach diesen Worten blickte er noch lange nach dem
Himmel und schüttelte dabei mit dem Kopf, als begriffe er
nicht, wie man eine derartige Frage stellen könne.

"So, so", sagte Timpe. -- "Woran denken Sie denn
immer so dabei, Meister Klatt? Sie haben doch gewiß keine
Sorgen. Ich sehe Sie immer bei guter Laune."

Der Maurer brachte abermals ein Streichholz in Brand,
zog bedächtig am Pfeifenrohr und erwiderte dann:

"Denken? ... ja wissen Sie, das ist so 'ne Sache!
Wenn ich den Kalk auftrage und den Stein setze, dann denke
ich gewöhnlich nichts, greife ich aber zum Hammer, dann sage
ich mir: läge doch dein mißrathener Aeltester unter ihm, wie
würdest du ihn bearbeiten, diesen Taugenichts! Damit Sie
nur gleich alles wissen: der Bengel ist nämlich ganz aus der
Art geschlagen und sitzt im Zuchthaus. Ich weiß nicht, von
wem er's hat. Von mir und seiner Mutter gewiß nicht."

Timpe schwieg eine Weile. Er blickte aber nun mit
einem ganz anderen Interesse den graubärtigen Gesellen an,
der immer so fröhlich d'rein blickte und gar lustig plaudern
konnte.

"So, so ... ja, ja, es hat so Jeder seine Sorgen",
sagte er dann mit veränderter Stimme.

feuer kniſterte und einen Geruch wie auf einer Brandſtätte
verbreitete. „Hurrjeh, daran habe ich noch gar nicht gedacht,
Meiſter“, fuhr er fort. „Wiſſen Sie. Sie ſind der erſte
Menſch, der mich danach fragt. ... Aber rechne ich ſo Alles
in Allem, dann wird wohl eine halbe Million und ein
Dutzend mehr herauskommen. Gezählt habe ich ſie wahr¬
haftig nicht, denn dazu ſind die Maurermeiſter da, die können
auch was thun.“

Und nach dieſen Worten blickte er noch lange nach dem
Himmel und ſchüttelte dabei mit dem Kopf, als begriffe er
nicht, wie man eine derartige Frage ſtellen könne.

„So, ſo“, ſagte Timpe. — „Woran denken Sie denn
immer ſo dabei, Meiſter Klatt? Sie haben doch gewiß keine
Sorgen. Ich ſehe Sie immer bei guter Laune.“

Der Maurer brachte abermals ein Streichholz in Brand,
zog bedächtig am Pfeifenrohr und erwiderte dann:

„Denken? ... ja wiſſen Sie, das iſt ſo 'ne Sache!
Wenn ich den Kalk auftrage und den Stein ſetze, dann denke
ich gewöhnlich nichts, greife ich aber zum Hammer, dann ſage
ich mir: läge doch dein mißrathener Aelteſter unter ihm, wie
würdeſt du ihn bearbeiten, dieſen Taugenichts! Damit Sie
nur gleich alles wiſſen: der Bengel iſt nämlich ganz aus der
Art geſchlagen und ſitzt im Zuchthaus. Ich weiß nicht, von
wem er's hat. Von mir und ſeiner Mutter gewiß nicht.“

Timpe ſchwieg eine Weile. Er blickte aber nun mit
einem ganz anderen Intereſſe den graubärtigen Geſellen an,
der immer ſo fröhlich d'rein blickte und gar luſtig plaudern
konnte.

„So, ſo ... ja, ja, es hat ſo Jeder ſeine Sorgen“,
ſagte er dann mit veränderter Stimme.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0251" n="239"/>
feuer kni&#x017F;terte und einen Geruch wie auf einer Brand&#x017F;tätte<lb/>
verbreitete. &#x201E;Hurrjeh, daran habe ich noch gar nicht gedacht,<lb/>
Mei&#x017F;ter&#x201C;, fuhr er fort. &#x201E;Wi&#x017F;&#x017F;en Sie. Sie &#x017F;ind der er&#x017F;te<lb/>
Men&#x017F;ch, der mich danach fragt. ... Aber rechne ich &#x017F;o Alles<lb/>
in Allem, dann wird wohl eine halbe Million und ein<lb/>
Dutzend mehr herauskommen. Gezählt habe ich &#x017F;ie wahr¬<lb/>
haftig nicht, denn dazu &#x017F;ind die Maurermei&#x017F;ter da, die können<lb/>
auch was thun.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Und nach die&#x017F;en Worten blickte er noch lange nach dem<lb/>
Himmel und &#x017F;chüttelte dabei mit dem Kopf, als begriffe er<lb/>
nicht, wie man eine derartige Frage &#x017F;tellen könne.</p><lb/>
        <p>&#x201E;So, &#x017F;o&#x201C;, &#x017F;agte Timpe. &#x2014; &#x201E;Woran denken Sie denn<lb/>
immer &#x017F;o dabei, Mei&#x017F;ter Klatt? Sie haben doch gewiß keine<lb/>
Sorgen. Ich &#x017F;ehe Sie immer bei guter Laune.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Maurer brachte abermals ein Streichholz in Brand,<lb/>
zog bedächtig am Pfeifenrohr und erwiderte dann:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Denken? ... ja wi&#x017F;&#x017F;en Sie, das i&#x017F;t &#x017F;o 'ne Sache!<lb/>
Wenn ich den Kalk auftrage und den Stein &#x017F;etze, dann denke<lb/>
ich gewöhnlich nichts, greife ich aber zum Hammer, dann &#x017F;age<lb/>
ich mir: läge doch dein mißrathener Aelte&#x017F;ter unter ihm, wie<lb/>
würde&#x017F;t du ihn bearbeiten, die&#x017F;en Taugenichts! Damit Sie<lb/>
nur gleich alles wi&#x017F;&#x017F;en: der Bengel i&#x017F;t nämlich ganz aus der<lb/>
Art ge&#x017F;chlagen und &#x017F;itzt im Zuchthaus. Ich weiß nicht, von<lb/>
wem er's hat. Von mir und &#x017F;einer Mutter gewiß nicht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Timpe &#x017F;chwieg eine Weile. Er blickte aber nun mit<lb/>
einem ganz anderen Intere&#x017F;&#x017F;e den graubärtigen Ge&#x017F;ellen an,<lb/>
der immer &#x017F;o fröhlich d'rein blickte und gar lu&#x017F;tig plaudern<lb/>
konnte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;So, &#x017F;o ... ja, ja, es hat &#x017F;o Jeder &#x017F;eine Sorgen&#x201C;,<lb/>
&#x017F;agte er dann mit veränderter Stimme.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0251] feuer kniſterte und einen Geruch wie auf einer Brandſtätte verbreitete. „Hurrjeh, daran habe ich noch gar nicht gedacht, Meiſter“, fuhr er fort. „Wiſſen Sie. Sie ſind der erſte Menſch, der mich danach fragt. ... Aber rechne ich ſo Alles in Allem, dann wird wohl eine halbe Million und ein Dutzend mehr herauskommen. Gezählt habe ich ſie wahr¬ haftig nicht, denn dazu ſind die Maurermeiſter da, die können auch was thun.“ Und nach dieſen Worten blickte er noch lange nach dem Himmel und ſchüttelte dabei mit dem Kopf, als begriffe er nicht, wie man eine derartige Frage ſtellen könne. „So, ſo“, ſagte Timpe. — „Woran denken Sie denn immer ſo dabei, Meiſter Klatt? Sie haben doch gewiß keine Sorgen. Ich ſehe Sie immer bei guter Laune.“ Der Maurer brachte abermals ein Streichholz in Brand, zog bedächtig am Pfeifenrohr und erwiderte dann: „Denken? ... ja wiſſen Sie, das iſt ſo 'ne Sache! Wenn ich den Kalk auftrage und den Stein ſetze, dann denke ich gewöhnlich nichts, greife ich aber zum Hammer, dann ſage ich mir: läge doch dein mißrathener Aelteſter unter ihm, wie würdeſt du ihn bearbeiten, dieſen Taugenichts! Damit Sie nur gleich alles wiſſen: der Bengel iſt nämlich ganz aus der Art geſchlagen und ſitzt im Zuchthaus. Ich weiß nicht, von wem er's hat. Von mir und ſeiner Mutter gewiß nicht.“ Timpe ſchwieg eine Weile. Er blickte aber nun mit einem ganz anderen Intereſſe den graubärtigen Geſellen an, der immer ſo fröhlich d'rein blickte und gar luſtig plaudern konnte. „So, ſo ... ja, ja, es hat ſo Jeder ſeine Sorgen“, ſagte er dann mit veränderter Stimme.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/251
Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/251>, abgerufen am 14.05.2024.