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Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743.

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Muffel. Ja wohl. Denn ihre Seele zu retten
bin ich mit diesen geistlichen Waffen hie-
her gekommen. (für sich) Wann ich nur
erst etwas von der Philosophie finden könn-
te!
(er blättert)
Wilhelm. Wissen sie denn, was sie zu thun
haben, wenn sie mich davon überzeugen
wollen?
Muffel. O ja! ich muß ihre arme Seele retten.
(für sich) Das ist ja verflucht, ich kan
hier keinen Titel von der Philosophie fin-
den. - - Aber schönstes Fräulein sagen sie
mir doch, was denn eigentlich die Welt-
weisheit für eine Seckte ist, und worin sie
von unsrer Religion abgehet.
Wilhelm. Nun, das ist artig; sie wollen die
Philosophie verwerfen, mich von derselben
abwendig machen, oder mich mit derselben
verdammen, und kennen sie nicht? doch
ich nehme es ihnen nicht übel, weil ver-
schiedene, oder viele der grösten Helden
unter den Theologen, die Weltweisheit be-
stritten, ohne daß sie gewust haben, was
sie aus ihr machen solten.
Muffel. Sachte! sachte! mein Fräulein; diese
grosse Männer, deren Bücher ich als den
Grund unsrer Religion nicht genug vereh-
ren kan, haben die Philosophie gar wohl
gekannt, und haben sie mich und alle From-
men auch kennen gelehret. Sie ist eine
Lehre des Satans und der Vernunft. - -
Wilhelm. Eine vernünftige Lehre ist sie, aber
der


Muffel. Ja wohl. Denn ihre Seele zu retten
bin ich mit dieſen geiſtlichen Waffen hie-
her gekommen. (fuͤr ſich) Wann ich nur
erſt etwas von der Philoſophie finden koͤnn-
te!
(er blaͤttert)
Wilhelm. Wiſſen ſie denn, was ſie zu thun
haben, wenn ſie mich davon uͤberzeugen
wollen?
Muffel. O ja! ich muß ihre arme Seele retten.
(fuͤr ſich) Das iſt ja verflucht, ich kan
hier keinen Titel von der Philoſophie fin-
den. ‒ ‒ Aber ſchoͤnſtes Fraͤulein ſagen ſie
mir doch, was denn eigentlich die Welt-
weisheit fuͤr eine Seckte iſt, und worin ſie
von unſrer Religion abgehet.
Wilhelm. Nun, das iſt artig; ſie wollen die
Philoſophie verwerfen, mich von derſelben
abwendig machen, oder mich mit derſelben
verdammen, und kennen ſie nicht? doch
ich nehme es ihnen nicht uͤbel, weil ver-
ſchiedene, oder viele der groͤſten Helden
unter den Theologen, die Weltweisheit be-
ſtritten, ohne daß ſie gewuſt haben, was
ſie aus ihr machen ſolten.
Muffel. Sachte! ſachte! mein Fraͤulein; dieſe
groſſe Maͤnner, deren Buͤcher ich als den
Grund unſrer Religion nicht genug vereh-
ren kan, haben die Philoſophie gar wohl
gekannt, und haben ſie mich und alle From-
men auch kennen gelehret. Sie iſt eine
Lehre des Satans und der Vernunft. ‒ ‒
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[110/0114] Muffel. Ja wohl. Denn ihre Seele zu retten bin ich mit dieſen geiſtlichen Waffen hie- her gekommen. (fuͤr ſich) Wann ich nur erſt etwas von der Philoſophie finden koͤnn- te! (er blaͤttert) Wilhelm. Wiſſen ſie denn, was ſie zu thun haben, wenn ſie mich davon uͤberzeugen wollen? Muffel. O ja! ich muß ihre arme Seele retten. (fuͤr ſich) Das iſt ja verflucht, ich kan hier keinen Titel von der Philoſophie fin- den. ‒ ‒ Aber ſchoͤnſtes Fraͤulein ſagen ſie mir doch, was denn eigentlich die Welt- weisheit fuͤr eine Seckte iſt, und worin ſie von unſrer Religion abgehet. Wilhelm. Nun, das iſt artig; ſie wollen die Philoſophie verwerfen, mich von derſelben abwendig machen, oder mich mit derſelben verdammen, und kennen ſie nicht? doch ich nehme es ihnen nicht uͤbel, weil ver- ſchiedene, oder viele der groͤſten Helden unter den Theologen, die Weltweisheit be- ſtritten, ohne daß ſie gewuſt haben, was ſie aus ihr machen ſolten. Muffel. Sachte! ſachte! mein Fraͤulein; dieſe groſſe Maͤnner, deren Buͤcher ich als den Grund unſrer Religion nicht genug vereh- ren kan, haben die Philoſophie gar wohl gekannt, und haben ſie mich und alle From- men auch kennen gelehret. Sie iſt eine Lehre des Satans und der Vernunft. ‒ ‒ Wilhelm. Eine vernuͤnftige Lehre iſt ſie, aber der

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_geistliche_1743/114>, abgerufen am 29.04.2024.