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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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I born in Suth-Carlina
Fine country ebber seen --
während ihre Banjo's dazu klingen, und Jim Crow, die lustige Person
ihrer Volkskomödien, auf Commando Possen reißt, um der Menschen¬
waare durch Heiterkeit einen Firniß zu geben. -- Treten auf: Magnolia,
die reiche Kreolin, und Junker Tobias Sproul, der Geck, ihr Cicisbeo.
Magnolia sucht ein Kammermädchen zu kaufen; Junker Tobias lenkt
die Aufmerksamkeit auf Jane Norwood, indem ihn der begreifliche
Wunsch leitet, für das Haus seiner ziemlich passirten Gönnerin etwas
Schönes zu erstehen. Die Scene könnte interessant werden, wie der
arme Ritter die Börse seiner Tyrannin zu dem größten Aufwande
vermögen soll, ohne doch ihre geringste Eifersucht zu erregen. Leider
hat der gepriesene Charakter-Darsteller der "Snobs" nur wenig Ge¬
legenheit, die komische Situation auszubeuten, denn der Platzregen des
Spektakels bricht sogleich wieder herein. Der vorwitzige Amoroso tritt
auf, Benjamin Ridge, der Schiffscadett, dem es geglückt war, der
Fährte des Sklavenhändlers zu folgen. Das Idol seiner Liebe er¬
blicken, den Gegenstand seines Hasses finden und Scandal anfangen,
ist das Werk eines Augenblicks. Der Tumult wird furchtbar. Na¬
türlich unterliegt der kleine Cadett, aber Jane Norwood hat nicht
umsonst alle Verse der Bibel aufgeboten in Mitte der großen Bedräng¬
niß. Plötzlich erscheint Kapitän Ebenezer Drivvle, ein furchtbarer
Deus ex machina. Er kommt von Halifax. In einer Hand die
vollwichtige Prämie des sehr ehrenwerthen Sir Jonathan Hodge, in
der andern die Identitäts-Papiere über Jane Norwood schwingend,
entlarvt er den Bösewicht, den schändlichen Sclavenhändler, d. h., er
gibt dem Spektakel eine ungleich gräulichere Dimension als sein schlankes
Midshippmänchen. Sämmtliche Sclavenhändler treten auf die Seite
ihres Collegen, fürchterlich blitzen ihre Bowiemesser, herzzerreißend
durchläuft Jane Norwood alle großen und kleinen Propheten der Bibel,
die Stadtpolizei von New-Orleans tritt auf und nimmt seltsamer
Weise Partei für den Sclavenhändler, da zerschneidet im Tumulte
Benjamin Ridge die Bande aller anwesenden Sclaven, schenkt ihnen
mit dem Rufe brandy for ever! die Freiheit und stürzt sich an der
Spitze dieses frisch geschaffenen Contingents, das nicht wenig heult, in
die Schlacht. Auch der geübteste Theaterbesucher kann jetzt vergessen,

I born in Suth-Carlina
Fine country ebber seen —
während ihre Banjo's dazu klingen, und Jim Crow, die luſtige Perſon
ihrer Volkskomödien, auf Commando Poſſen reißt, um der Menſchen¬
waare durch Heiterkeit einen Firniß zu geben. — Treten auf: Magnolia,
die reiche Kreolin, und Junker Tobias Sproul, der Geck, ihr Cicisbeo.
Magnolia ſucht ein Kammermädchen zu kaufen; Junker Tobias lenkt
die Aufmerkſamkeit auf Jane Norwood, indem ihn der begreifliche
Wunſch leitet, für das Haus ſeiner ziemlich paſſirten Gönnerin etwas
Schönes zu erſtehen. Die Scene könnte intereſſant werden, wie der
arme Ritter die Börſe ſeiner Tyrannin zu dem größten Aufwande
vermögen ſoll, ohne doch ihre geringſte Eiferſucht zu erregen. Leider
hat der geprieſene Charakter-Darſteller der „Snobs“ nur wenig Ge¬
legenheit, die komiſche Situation auszubeuten, denn der Platzregen des
Spektakels bricht ſogleich wieder herein. Der vorwitzige Amoroſo tritt
auf, Benjamin Ridge, der Schiffscadett, dem es geglückt war, der
Fährte des Sklavenhändlers zu folgen. Das Idol ſeiner Liebe er¬
blicken, den Gegenſtand ſeines Haſſes finden und Scandal anfangen,
iſt das Werk eines Augenblicks. Der Tumult wird furchtbar. Na¬
türlich unterliegt der kleine Cadett, aber Jane Norwood hat nicht
umſonſt alle Verſe der Bibel aufgeboten in Mitte der großen Bedräng¬
niß. Plötzlich erſcheint Kapitän Ebenezer Drivvle, ein furchtbarer
Deus ex machina. Er kommt von Halifax. In einer Hand die
vollwichtige Prämie des ſehr ehrenwerthen Sir Jonathan Hodge, in
der andern die Identitäts-Papiere über Jane Norwood ſchwingend,
entlarvt er den Böſewicht, den ſchändlichen Sclavenhändler, d. h., er
gibt dem Spektakel eine ungleich gräulichere Dimenſion als ſein ſchlankes
Midſhippmänchen. Sämmtliche Sclavenhändler treten auf die Seite
ihres Collegen, fürchterlich blitzen ihre Bowiemeſſer, herzzerreißend
durchläuft Jane Norwood alle großen und kleinen Propheten der Bibel,
die Stadtpolizei von New-Orleans tritt auf und nimmt ſeltſamer
Weiſe Partei für den Sclavenhändler, da zerſchneidet im Tumulte
Benjamin Ridge die Bande aller anweſenden Sclaven, ſchenkt ihnen
mit dem Rufe brandy for ever! die Freiheit und ſtürzt ſich an der
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die Schlacht. Auch der geübteſte Theaterbeſucher kann jetzt vergeſſen,

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[89/0107] I born in Suth-Carlina Fine country ebber seen — während ihre Banjo's dazu klingen, und Jim Crow, die luſtige Perſon ihrer Volkskomödien, auf Commando Poſſen reißt, um der Menſchen¬ waare durch Heiterkeit einen Firniß zu geben. — Treten auf: Magnolia, die reiche Kreolin, und Junker Tobias Sproul, der Geck, ihr Cicisbeo. Magnolia ſucht ein Kammermädchen zu kaufen; Junker Tobias lenkt die Aufmerkſamkeit auf Jane Norwood, indem ihn der begreifliche Wunſch leitet, für das Haus ſeiner ziemlich paſſirten Gönnerin etwas Schönes zu erſtehen. Die Scene könnte intereſſant werden, wie der arme Ritter die Börſe ſeiner Tyrannin zu dem größten Aufwande vermögen ſoll, ohne doch ihre geringſte Eiferſucht zu erregen. Leider hat der geprieſene Charakter-Darſteller der „Snobs“ nur wenig Ge¬ legenheit, die komiſche Situation auszubeuten, denn der Platzregen des Spektakels bricht ſogleich wieder herein. Der vorwitzige Amoroſo tritt auf, Benjamin Ridge, der Schiffscadett, dem es geglückt war, der Fährte des Sklavenhändlers zu folgen. Das Idol ſeiner Liebe er¬ blicken, den Gegenſtand ſeines Haſſes finden und Scandal anfangen, iſt das Werk eines Augenblicks. Der Tumult wird furchtbar. Na¬ türlich unterliegt der kleine Cadett, aber Jane Norwood hat nicht umſonſt alle Verſe der Bibel aufgeboten in Mitte der großen Bedräng¬ niß. Plötzlich erſcheint Kapitän Ebenezer Drivvle, ein furchtbarer Deus ex machina. Er kommt von Halifax. In einer Hand die vollwichtige Prämie des ſehr ehrenwerthen Sir Jonathan Hodge, in der andern die Identitäts-Papiere über Jane Norwood ſchwingend, entlarvt er den Böſewicht, den ſchändlichen Sclavenhändler, d. h., er gibt dem Spektakel eine ungleich gräulichere Dimenſion als ſein ſchlankes Midſhippmänchen. Sämmtliche Sclavenhändler treten auf die Seite ihres Collegen, fürchterlich blitzen ihre Bowiemeſſer, herzzerreißend durchläuft Jane Norwood alle großen und kleinen Propheten der Bibel, die Stadtpolizei von New-Orleans tritt auf und nimmt ſeltſamer Weiſe Partei für den Sclavenhändler, da zerſchneidet im Tumulte Benjamin Ridge die Bande aller anweſenden Sclaven, ſchenkt ihnen mit dem Rufe brandy for ever! die Freiheit und ſtürzt ſich an der Spitze dieſes friſch geſchaffenen Contingents, das nicht wenig heult, in die Schlacht. Auch der geübteſte Theaterbeſucher kann jetzt vergeſſen,

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/107>, abgerufen am 29.04.2024.