oder nicht. Eine solche Scene sah Moorfeld jetzt spielen, ungefähr in folgender Weise.
Dem Schriftsetzer wurde sein Abendessen gebracht, Beafsteak mit Kartoffeln. Bedächtig wendete er das Beafsteak um und um und sah es mit einem langen, vorwurfsvollen Blicke an. Dann sagte er ruhig: das Beafsteak seh' ich wohl, aber das Fleisch nicht.
Gelächter.
Der Pfälzer rieb sich vergnügt die Hände. Er freute sich auf den Sprudel der Unterhaltung, die er herankommen sah, und die Sache in Schwung zu bringen, hetzte er an dem Wirthe: Haben Sie's gehört, Herr Häberle?
Der monströse Wirth spielte mit den Fingern in seinem Schwarz¬ wälder Hosenträger und lächelte geduldig. Der Pfälzer wendete seine erwartungsvollen Blicke wieder auf den Schriftsetzer zurück. Dieser griff nunmehr zu Messer und Gabel und fing an seine Portion in Stücke zu schneiden. Dazu brummte er: Das ist ein Beafsteak wie ein Ohrläppchen so groß.
Gelächter.
Was sagen Sie, Herr Häberle? bohrte der pfälzische Schreiner.
Aber der ehrliche Schwabe schmunzelte nur, wie Einer der es ge¬ wohnt ist, Zielscheibe zu sein, und nie daran denkt, Gleiches mit Glei¬ chem zu vergelten.
Henning sagte: Laß ihn gehen, den grünen Baumwirth. Er ist ja noch ärger als unser Schiffsrheder. Da hatten wir doch täglich zwölf Loth Fleisch auf den Kopf, die Maus nicht mitgerechnet, die ich einst aus dem Suppenkessel schöpfte. Sie war ganz ausgewachsen.
Gelächter.
Aber des Wirthes Töchterlein nahm sich der väterlichen Ehre jetzt an und fragte spitz: Wissen Sie auch, Herr Henning, was die Lenden¬ stücke heute kosteten?
Henning antwortete gelassen: Je theurer die Sachen sind, desto wohlfeiler muß sie der Wirth geben können. Das ist sein Profit.
Gelächter.
Dann fuhr er fort: Weil mein Magen eben falsche Toilette macht, geben Sie mir zu diesem Schönpflästerchen von einem Beafsteak auch ein Flacon Bier.
oder nicht. Eine ſolche Scene ſah Moorfeld jetzt ſpielen, ungefähr in folgender Weiſe.
Dem Schriftſetzer wurde ſein Abendeſſen gebracht, Beafſteak mit Kartoffeln. Bedächtig wendete er das Beafſteak um und um und ſah es mit einem langen, vorwurfsvollen Blicke an. Dann ſagte er ruhig: das Beafſteak ſeh' ich wohl, aber das Fleiſch nicht.
Gelächter.
Der Pfälzer rieb ſich vergnügt die Hände. Er freute ſich auf den Sprudel der Unterhaltung, die er herankommen ſah, und die Sache in Schwung zu bringen, hetzte er an dem Wirthe: Haben Sie's gehört, Herr Häberle?
Der monſtröſe Wirth ſpielte mit den Fingern in ſeinem Schwarz¬ wälder Hoſenträger und lächelte geduldig. Der Pfälzer wendete ſeine erwartungsvollen Blicke wieder auf den Schriftſetzer zurück. Dieſer griff nunmehr zu Meſſer und Gabel und fing an ſeine Portion in Stücke zu ſchneiden. Dazu brummte er: Das iſt ein Beafſteak wie ein Ohrläppchen ſo groß.
Gelächter.
Was ſagen Sie, Herr Häberle? bohrte der pfälziſche Schreiner.
Aber der ehrliche Schwabe ſchmunzelte nur, wie Einer der es ge¬ wohnt iſt, Zielſcheibe zu ſein, und nie daran denkt, Gleiches mit Glei¬ chem zu vergelten.
Henning ſagte: Laß ihn gehen, den grünen Baumwirth. Er iſt ja noch ärger als unſer Schiffsrheder. Da hatten wir doch täglich zwölf Loth Fleiſch auf den Kopf, die Maus nicht mitgerechnet, die ich einſt aus dem Suppenkeſſel ſchöpfte. Sie war ganz ausgewachſen.
Gelächter.
Aber des Wirthes Töchterlein nahm ſich der väterlichen Ehre jetzt an und fragte ſpitz: Wiſſen Sie auch, Herr Henning, was die Lenden¬ ſtücke heute koſteten?
Henning antwortete gelaſſen: Je theurer die Sachen ſind, deſto wohlfeiler muß ſie der Wirth geben können. Das iſt ſein Profit.
Gelächter.
Dann fuhr er fort: Weil mein Magen eben falſche Toilette macht, geben Sie mir zu dieſem Schönpfläſterchen von einem Beafſteak auch ein Flacon Bier.
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oder nicht. Eine ſolche Scene ſah Moorfeld jetzt ſpielen, ungefähr
in folgender Weiſe.
Dem Schriftſetzer wurde ſein Abendeſſen gebracht, Beafſteak mit
Kartoffeln. Bedächtig wendete er das Beafſteak um und um und ſah
es mit einem langen, vorwurfsvollen Blicke an. Dann ſagte er ruhig:
das Beafſteak ſeh' ich wohl, aber das Fleiſch nicht.
Gelächter.
Der Pfälzer rieb ſich vergnügt die Hände. Er freute ſich auf
den Sprudel der Unterhaltung, die er herankommen ſah, und die
Sache in Schwung zu bringen, hetzte er an dem Wirthe: Haben
Sie's gehört, Herr Häberle?
Der monſtröſe Wirth ſpielte mit den Fingern in ſeinem Schwarz¬
wälder Hoſenträger und lächelte geduldig. Der Pfälzer wendete ſeine
erwartungsvollen Blicke wieder auf den Schriftſetzer zurück. Dieſer
griff nunmehr zu Meſſer und Gabel und fing an ſeine Portion in
Stücke zu ſchneiden. Dazu brummte er: Das iſt ein Beafſteak wie
ein Ohrläppchen ſo groß.
Gelächter.
Was ſagen Sie, Herr Häberle? bohrte der pfälziſche Schreiner.
Aber der ehrliche Schwabe ſchmunzelte nur, wie Einer der es ge¬
wohnt iſt, Zielſcheibe zu ſein, und nie daran denkt, Gleiches mit Glei¬
chem zu vergelten.
Henning ſagte: Laß ihn gehen, den grünen Baumwirth. Er iſt
ja noch ärger als unſer Schiffsrheder. Da hatten wir doch täglich
zwölf Loth Fleiſch auf den Kopf, die Maus nicht mitgerechnet, die
ich einſt aus dem Suppenkeſſel ſchöpfte. Sie war ganz ausgewachſen.
Gelächter.
Aber des Wirthes Töchterlein nahm ſich der väterlichen Ehre jetzt
an und fragte ſpitz: Wiſſen Sie auch, Herr Henning, was die Lenden¬
ſtücke heute koſteten?
Henning antwortete gelaſſen: Je theurer die Sachen ſind, deſto
wohlfeiler muß ſie der Wirth geben können. Das iſt ſein Profit.
Gelächter.
Dann fuhr er fort: Weil mein Magen eben falſche Toilette macht,
geben Sie mir zu dieſem Schönpfläſterchen von einem Beafſteak auch
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/120>, abgerufen am 29.04.2024.
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