Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Kauderwelsch des Pennsylvania-Deutsch abkonterfeit. Es wird einem
Ach und Weh, an einem lebendigen Organismus eine so fortschreitende
Verödung -- möchte ich als Arzt sagen -- zu beobachten. Ein
Fischer z. B. spricht: Below werden die Fische umgepackt, inspected
und dann wieder vereingepackt again. -- Ein Tischler erklärt:
Wenn Sie ein loghouse bauen wollen und dasselbe inwendig geplasterd
und von außen geclapboarded wird, so kostet es siebenhundert Dol¬
lars. -- In einem hiesigen deutschen (?) Blatte fand ich folgende
Blüette; ich bemerke aber, daß die Sprache darin noch lange nicht die
verdorbenste ist.

1. Sechs Monate nach der Hochzeit.

Well, liebe Härriett, willstu heut Abend auf den Ball gehen?
Du weißt, wir sind höflich eingeladen worden. -- Just wie du sagst,
William, du weißt, ich wünsche nichts zu thun, als was dir Vergnü¬
gen macht. -- Well, denn Harriett, suppos wir gehen, das ist, wenn
du perfektly Willens bist; nau, sag' aber nicht ja, just weil ich so
sage; denn Du weißt, wo du bist, da fühle ich vollkommen glücklich.
-- Ei, lieber William, ich weiß, daß du auf dem Ball Vergnügen
haben würdest, und wo du vergnügt bist, da habe ich auch, of cours.
Was für 'nen Dreß soll ich anthun, William? meinen weißen Gaun
oder den groben mit pink Trimmings, oder den schwarzen Merino,
oder den weißen Sätin? Du weißt besser, was mir gut steht. --
Liebe Härriett, du bist schön in jedem Dreß. Nau, nimm heut Abend
deine eigene Wahl. Ich denke aber, dein weißer Sätin Dreß steht
dir ausnehmend schön. -- Nun sieh, William, ich wußte, daß du just
meine Gedanken haben würdest. O wie glücklich werden wir heut
Abend sein!

2. Sechs Jahre nach der Hochzeit.

Härriett, reich mir 'mal die Zuckerbohl, du hast mir just einen
Theelöffelvoll in meinen Thee gethan. -- Well, William Schnuck,
du juhst wahrhaft Zucker genug in deinen Thee, um ein Bärrel Essig
süß zu machen. Hier Tschanni, witt du die Finger aus der Schüssel
thun? Susen, sei still! was die kleine Sau net kreischt; wahrhaftig
s'ist genug, um Eins närrisch zu machen. Witt du still sein! Da! da!

Kauderwelſch des Pennſylvania-Deutſch abkonterfeit. Es wird einem
Ach und Weh, an einem lebendigen Organismus eine ſo fortſchreitende
Verödung — möchte ich als Arzt ſagen — zu beobachten. Ein
Fiſcher z. B. ſpricht: Below werden die Fiſche umgepackt, inspected
und dann wieder vereingepackt again. — Ein Tiſchler erklärt:
Wenn Sie ein loghouse bauen wollen und dasſelbe inwendig geplasterd
und von außen geclapboarded wird, ſo koſtet es ſiebenhundert Dol¬
lars. — In einem hieſigen deutſchen (?) Blatte fand ich folgende
Blüette; ich bemerke aber, daß die Sprache darin noch lange nicht die
verdorbenſte iſt.

1. Sechs Monate nach der Hochzeit.

Well, liebe Härriett, willſtu heut Abend auf den Ball gehen?
Du weißt, wir ſind höflich eingeladen worden. — Juſt wie du ſagſt,
William, du weißt, ich wünſche nichts zu thun, als was dir Vergnü¬
gen macht. — Well, denn Harriett, ſuppos wir gehen, das iſt, wenn
du perfektly Willens biſt; nau, ſag' aber nicht ja, juſt weil ich ſo
ſage; denn Du weißt, wo du biſt, da fühle ich vollkommen glücklich.
— Ei, lieber William, ich weiß, daß du auf dem Ball Vergnügen
haben würdeſt, und wo du vergnügt biſt, da habe ich auch, of cours.
Was für 'nen Dreß ſoll ich anthun, William? meinen weißen Gaun
oder den groben mit pink Trimmings, oder den ſchwarzen Merino,
oder den weißen Sätin? Du weißt beſſer, was mir gut ſteht. —
Liebe Härriett, du biſt ſchön in jedem Dreß. Nau, nimm heut Abend
deine eigene Wahl. Ich denke aber, dein weißer Sätin Dreß ſteht
dir ausnehmend ſchön. — Nun ſieh, William, ich wußte, daß du juſt
meine Gedanken haben würdeſt. O wie glücklich werden wir heut
Abend ſein!

2. Sechs Jahre nach der Hochzeit.

Härriett, reich mir 'mal die Zuckerbohl, du haſt mir juſt einen
Theelöffelvoll in meinen Thee gethan. — Well, William Schnuck,
du juhſt wahrhaft Zucker genug in deinen Thee, um ein Bärrel Eſſig
ſüß zu machen. Hier Tſchanni, witt du die Finger aus der Schüſſel
thun? Suſen, ſei ſtill! was die kleine Sau net kreiſcht; wahrhaftig
ſ'iſt genug, um Eins närriſch zu machen. Witt du ſtill ſein! Da! da!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0298" n="280"/>
Kauderwel&#x017F;ch des Penn&#x017F;ylvania-Deut&#x017F;ch abkonterfeit. Es wird einem<lb/>
Ach und Weh, an einem lebendigen Organismus eine &#x017F;o fort&#x017F;chreitende<lb/><hi rendition="#g">Verödung</hi> &#x2014; möchte ich als Arzt &#x017F;agen &#x2014; zu beobachten. Ein<lb/>
Fi&#x017F;cher z. B. &#x017F;pricht: <hi rendition="#aq">Below</hi> werden die Fi&#x017F;che umgepackt, <hi rendition="#aq">inspected</hi><lb/>
und dann wieder <hi rendition="#aq">vereingepackt again</hi>. &#x2014; Ein Ti&#x017F;chler erklärt:<lb/>
Wenn Sie ein <hi rendition="#aq">loghouse</hi> bauen wollen und das&#x017F;elbe inwendig <hi rendition="#aq">geplasterd</hi><lb/>
und von außen <hi rendition="#aq">geclapboarded</hi> wird, &#x017F;o ko&#x017F;tet es &#x017F;iebenhundert Dol¬<lb/>
lars. &#x2014; In einem hie&#x017F;igen deut&#x017F;chen (?) Blatte fand ich folgende<lb/>
Blüette; ich bemerke aber, daß die Sprache darin noch lange nicht die<lb/>
verdorben&#x017F;te i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p rendition="#c">1. Sechs <hi rendition="#g">Monate</hi> nach der Hochzeit.</p><lb/>
            <p>Well, liebe Härriett, will&#x017F;tu heut Abend auf den Ball gehen?<lb/>
Du weißt, wir &#x017F;ind höflich eingeladen worden. &#x2014; Ju&#x017F;t wie du &#x017F;ag&#x017F;t,<lb/>
William, du weißt, ich wün&#x017F;che nichts zu thun, als was dir Vergnü¬<lb/>
gen macht. &#x2014; Well, denn Harriett, &#x017F;uppos wir gehen, das i&#x017F;t, wenn<lb/>
du perfektly Willens bi&#x017F;t; nau, &#x017F;ag' aber nicht ja, ju&#x017F;t weil ich &#x017F;o<lb/>
&#x017F;age; denn Du weißt, wo du bi&#x017F;t, da fühle ich vollkommen glücklich.<lb/>
&#x2014; Ei, lieber William, ich weiß, daß du auf dem Ball Vergnügen<lb/>
haben würde&#x017F;t, und wo du vergnügt bi&#x017F;t, da habe ich auch, of cours.<lb/>
Was für 'nen Dreß &#x017F;oll ich anthun, William? meinen weißen Gaun<lb/>
oder den groben mit pink Trimmings, oder den &#x017F;chwarzen Merino,<lb/>
oder den weißen Sätin? Du weißt be&#x017F;&#x017F;er, was mir gut &#x017F;teht. &#x2014;<lb/>
Liebe Härriett, du bi&#x017F;t &#x017F;chön in jedem Dreß. Nau, nimm heut Abend<lb/>
deine eigene Wahl. Ich denke aber, dein weißer Sätin Dreß &#x017F;teht<lb/>
dir ausnehmend &#x017F;chön. &#x2014; Nun &#x017F;ieh, William, ich wußte, daß du ju&#x017F;t<lb/>
meine Gedanken haben würde&#x017F;t. O wie glücklich werden wir heut<lb/>
Abend &#x017F;ein!</p><lb/>
            <p rendition="#c">2. Sechs <hi rendition="#g">Jahre</hi> nach der Hochzeit.</p><lb/>
            <p>Härriett, reich mir 'mal die Zuckerbohl, du ha&#x017F;t mir ju&#x017F;t einen<lb/>
Theelöffelvoll in meinen Thee gethan. &#x2014; Well, William Schnuck,<lb/>
du juh&#x017F;t wahrhaft Zucker genug in deinen Thee, um ein Bärrel E&#x017F;&#x017F;ig<lb/>
&#x017F;üß zu machen. Hier T&#x017F;channi, witt du die Finger aus der Schü&#x017F;&#x017F;el<lb/>
thun? Su&#x017F;en, &#x017F;ei &#x017F;till! was die kleine Sau net krei&#x017F;cht; wahrhaftig<lb/>
&#x017F;'i&#x017F;t genug, um Eins närri&#x017F;ch zu machen. Witt du &#x017F;till &#x017F;ein! Da! da!<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280/0298] Kauderwelſch des Pennſylvania-Deutſch abkonterfeit. Es wird einem Ach und Weh, an einem lebendigen Organismus eine ſo fortſchreitende Verödung — möchte ich als Arzt ſagen — zu beobachten. Ein Fiſcher z. B. ſpricht: Below werden die Fiſche umgepackt, inspected und dann wieder vereingepackt again. — Ein Tiſchler erklärt: Wenn Sie ein loghouse bauen wollen und dasſelbe inwendig geplasterd und von außen geclapboarded wird, ſo koſtet es ſiebenhundert Dol¬ lars. — In einem hieſigen deutſchen (?) Blatte fand ich folgende Blüette; ich bemerke aber, daß die Sprache darin noch lange nicht die verdorbenſte iſt. 1. Sechs Monate nach der Hochzeit. Well, liebe Härriett, willſtu heut Abend auf den Ball gehen? Du weißt, wir ſind höflich eingeladen worden. — Juſt wie du ſagſt, William, du weißt, ich wünſche nichts zu thun, als was dir Vergnü¬ gen macht. — Well, denn Harriett, ſuppos wir gehen, das iſt, wenn du perfektly Willens biſt; nau, ſag' aber nicht ja, juſt weil ich ſo ſage; denn Du weißt, wo du biſt, da fühle ich vollkommen glücklich. — Ei, lieber William, ich weiß, daß du auf dem Ball Vergnügen haben würdeſt, und wo du vergnügt biſt, da habe ich auch, of cours. Was für 'nen Dreß ſoll ich anthun, William? meinen weißen Gaun oder den groben mit pink Trimmings, oder den ſchwarzen Merino, oder den weißen Sätin? Du weißt beſſer, was mir gut ſteht. — Liebe Härriett, du biſt ſchön in jedem Dreß. Nau, nimm heut Abend deine eigene Wahl. Ich denke aber, dein weißer Sätin Dreß ſteht dir ausnehmend ſchön. — Nun ſieh, William, ich wußte, daß du juſt meine Gedanken haben würdeſt. O wie glücklich werden wir heut Abend ſein! 2. Sechs Jahre nach der Hochzeit. Härriett, reich mir 'mal die Zuckerbohl, du haſt mir juſt einen Theelöffelvoll in meinen Thee gethan. — Well, William Schnuck, du juhſt wahrhaft Zucker genug in deinen Thee, um ein Bärrel Eſſig ſüß zu machen. Hier Tſchanni, witt du die Finger aus der Schüſſel thun? Suſen, ſei ſtill! was die kleine Sau net kreiſcht; wahrhaftig ſ'iſt genug, um Eins närriſch zu machen. Witt du ſtill ſein! Da! da!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/298
Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/298>, abgerufen am 09.05.2024.