Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Blockhaus gerückt kam, Moorfelden versicherte, das sei weit und breit
der zuverlässigste "Knecht", den er auftreiben gekonnt, und nun treu¬
herzig überzeugt war, er habe seinen Remplacant gestellt! Da blieb
denn unserm Freunde nichts weiter übrig, als dem braven Gesellen
glückliche Reise zu wünschen und nur schüchtern hinzuzusetzen, wenn er
etwa in Detroit schon guten Absatz fände, so möge er für diesmal
nicht weiter schweifen und hübsch bald wieder heimkehren. Das ver¬
sprach Anhorst und ging.

Moorfeld stand jetzt in seiner Waldhütte allein. Es fehlte wenig,
daß die Schauer des ersten Momentes von Neuem über ihn her¬
fielen. Die nächsten Tage und Stunden brachten ihm ganz das
bodenlose Gefühl der Fremde wieder zurück. Wie flüchtiger Goldschaum
ging von den Dingen seiner Umgebung der Hauch der Gewohnheit
hinweg, woran er noch allzu zart gehaftet. Bestürzt wurde Moorfeld
inne, daß er nicht mit Einem Ruck, wie er schon gewähnt, Herr seiner
Situation geworden: -- nein! sein Zustand war wie das Treiben in
einer Meerenge, und Anprall und Widerprall extremer Stimmungen
mußte noch lange hin und her zerren an ihm, bis ihm feste Richtung
gewonnen war.

Wer freilich die äußere Lage Moorfeld's in diesen Tagen betrach¬
tete, der hätte leicht in einen Spiegel der seeligsten Idylle zu schauen
geglaubt. Von dem Theater-Apparat des sogenannten, angenehmen
Lebens" fehlt wenig oder nichts. Eine elegante Doppelflinte, -- ein
stattliches Reitpferd, -- ein Waldrevier hinter dem Hause, in welchem
unser Backwood-Baron nicht nur das Jagdrecht, sondern -- nach
der pfiffigen Version eines modernen Junker-Anwalts -- ganz eigentlich
die Jagdpflicht hatte, denn sein Wildstand war vor Allem reich an
Eichhörnchen, welche, wie wir gehört, eine Landplage des amerika¬
nischen Farmers sind. An dieser Jagdpflicht konnte unser Held in
Amerika hier vollauf zum Ritter werden. Daneben konnte er mit
Cirkel und Winkelmaß in der Hand Baupläne entwerfen, Felder,
Gärten, Häuser und Dörfer abmessen, Straßen bahnen, Parks ein¬
hegen, kurz das Bewußtsein des Grundbesitzes in tausend hübschen
Faltenwürfen sich umlegen und zwischen Project und Spiel angenehme
Halbträume träumen. Dürstete er nach den Wonnen dichterischen
Schaffens -- hing nicht das Abendlicht wie eine goldene Harfe dort

Blockhaus gerückt kam, Moorfelden verſicherte, das ſei weit und breit
der zuverläſſigſte „Knecht“, den er auftreiben gekonnt, und nun treu¬
herzig überzeugt war, er habe ſeinen Remplaçant geſtellt! Da blieb
denn unſerm Freunde nichts weiter übrig, als dem braven Geſellen
glückliche Reiſe zu wünſchen und nur ſchüchtern hinzuzuſetzen, wenn er
etwa in Detroit ſchon guten Abſatz fände, ſo möge er für diesmal
nicht weiter ſchweifen und hübſch bald wieder heimkehren. Das ver¬
ſprach Anhorſt und ging.

Moorfeld ſtand jetzt in ſeiner Waldhütte allein. Es fehlte wenig,
daß die Schauer des erſten Momentes von Neuem über ihn her¬
fielen. Die nächſten Tage und Stunden brachten ihm ganz das
bodenloſe Gefühl der Fremde wieder zurück. Wie flüchtiger Goldſchaum
ging von den Dingen ſeiner Umgebung der Hauch der Gewohnheit
hinweg, woran er noch allzu zart gehaftet. Beſtürzt wurde Moorfeld
inne, daß er nicht mit Einem Ruck, wie er ſchon gewähnt, Herr ſeiner
Situation geworden: — nein! ſein Zuſtand war wie das Treiben in
einer Meerenge, und Anprall und Widerprall extremer Stimmungen
mußte noch lange hin und her zerren an ihm, bis ihm feſte Richtung
gewonnen war.

Wer freilich die äußere Lage Moorfeld's in dieſen Tagen betrach¬
tete, der hätte leicht in einen Spiegel der ſeeligſten Idylle zu ſchauen
geglaubt. Von dem Theater-Apparat des ſogenannten, angenehmen
Lebens“ fehlt wenig oder nichts. Eine elegante Doppelflinte, — ein
ſtattliches Reitpferd, — ein Waldrevier hinter dem Hauſe, in welchem
unſer Backwood-Baron nicht nur das Jagdrecht, ſondern — nach
der pfiffigen Verſion eines modernen Junker-Anwalts — ganz eigentlich
die Jagdpflicht hatte, denn ſein Wildſtand war vor Allem reich an
Eichhörnchen, welche, wie wir gehört, eine Landplage des amerika¬
niſchen Farmers ſind. An dieſer Jagdpflicht konnte unſer Held in
Amerika hier vollauf zum Ritter werden. Daneben konnte er mit
Cirkel und Winkelmaß in der Hand Baupläne entwerfen, Felder,
Gärten, Häuſer und Dörfer abmeſſen, Straßen bahnen, Parks ein¬
hegen, kurz das Bewußtſein des Grundbeſitzes in tauſend hübſchen
Faltenwürfen ſich umlegen und zwiſchen Project und Spiel angenehme
Halbträume träumen. Dürſtete er nach den Wonnen dichteriſchen
Schaffens — hing nicht das Abendlicht wie eine goldene Harfe dort

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0366" n="348"/>
Blockhaus gerückt kam, Moorfelden ver&#x017F;icherte, das &#x017F;ei weit und breit<lb/>
der zuverlä&#x017F;&#x017F;ig&#x017F;te &#x201E;Knecht&#x201C;, den er auftreiben gekonnt, und nun treu¬<lb/>
herzig überzeugt war, er habe &#x017F;einen Rempla<hi rendition="#aq">ç</hi>ant ge&#x017F;tellt! Da blieb<lb/>
denn un&#x017F;erm Freunde nichts weiter übrig, als dem braven Ge&#x017F;ellen<lb/>
glückliche Rei&#x017F;e zu wün&#x017F;chen und nur &#x017F;chüchtern hinzuzu&#x017F;etzen, wenn er<lb/>
etwa in Detroit &#x017F;chon guten Ab&#x017F;atz fände, &#x017F;o möge er für diesmal<lb/>
nicht weiter &#x017F;chweifen und hüb&#x017F;ch bald wieder heimkehren. Das ver¬<lb/>
&#x017F;prach Anhor&#x017F;t und ging.</p><lb/>
          <p>Moorfeld &#x017F;tand jetzt in &#x017F;einer Waldhütte allein. Es fehlte wenig,<lb/>
daß die Schauer des er&#x017F;ten Momentes von Neuem über ihn her¬<lb/>
fielen. Die näch&#x017F;ten Tage und Stunden brachten ihm ganz das<lb/>
bodenlo&#x017F;e Gefühl der Fremde wieder zurück. Wie flüchtiger Gold&#x017F;chaum<lb/>
ging von den Dingen &#x017F;einer Umgebung der Hauch der Gewohnheit<lb/>
hinweg, woran er noch allzu zart gehaftet. Be&#x017F;türzt wurde Moorfeld<lb/>
inne, daß er nicht mit Einem Ruck, wie er &#x017F;chon gewähnt, Herr &#x017F;einer<lb/>
Situation geworden: &#x2014; nein! &#x017F;ein Zu&#x017F;tand war wie das Treiben in<lb/>
einer Meerenge, und Anprall und Widerprall extremer Stimmungen<lb/>
mußte noch lange hin und her zerren an ihm, bis ihm fe&#x017F;te Richtung<lb/>
gewonnen war.</p><lb/>
          <p>Wer freilich die äußere Lage Moorfeld's in die&#x017F;en Tagen betrach¬<lb/>
tete, der hätte leicht in einen Spiegel der &#x017F;eelig&#x017F;ten Idylle zu &#x017F;chauen<lb/>
geglaubt. Von dem Theater-Apparat des &#x017F;ogenannten, angenehmen<lb/>
Lebens&#x201C; fehlt wenig oder nichts. Eine elegante Doppelflinte, &#x2014; ein<lb/>
&#x017F;tattliches Reitpferd, &#x2014; ein Waldrevier hinter dem Hau&#x017F;e, in welchem<lb/>
un&#x017F;er Backwood-Baron nicht nur das Jagd<hi rendition="#g">recht</hi>, &#x017F;ondern &#x2014; nach<lb/>
der pfiffigen Ver&#x017F;ion eines modernen Junker-Anwalts &#x2014; ganz eigentlich<lb/>
die Jagd<hi rendition="#g">pflicht</hi> hatte, denn &#x017F;ein Wild&#x017F;tand war vor Allem reich an<lb/>
Eichhörnchen, welche, wie wir gehört, eine Landplage des amerika¬<lb/>
ni&#x017F;chen Farmers &#x017F;ind. An die&#x017F;er Jagdpflicht konnte un&#x017F;er Held in<lb/>
Amerika hier vollauf zum Ritter werden. Daneben konnte er mit<lb/>
Cirkel und Winkelmaß in der Hand Baupläne entwerfen, Felder,<lb/>
Gärten, Häu&#x017F;er und Dörfer abme&#x017F;&#x017F;en, Straßen bahnen, Parks ein¬<lb/>
hegen, kurz das Bewußt&#x017F;ein des Grundbe&#x017F;itzes in tau&#x017F;end hüb&#x017F;chen<lb/>
Faltenwürfen &#x017F;ich umlegen und zwi&#x017F;chen Project und Spiel angenehme<lb/>
Halbträume träumen. Dür&#x017F;tete er nach den Wonnen dichteri&#x017F;chen<lb/>
Schaffens &#x2014; hing nicht das Abendlicht wie eine goldene Harfe dort<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[348/0366] Blockhaus gerückt kam, Moorfelden verſicherte, das ſei weit und breit der zuverläſſigſte „Knecht“, den er auftreiben gekonnt, und nun treu¬ herzig überzeugt war, er habe ſeinen Remplaçant geſtellt! Da blieb denn unſerm Freunde nichts weiter übrig, als dem braven Geſellen glückliche Reiſe zu wünſchen und nur ſchüchtern hinzuzuſetzen, wenn er etwa in Detroit ſchon guten Abſatz fände, ſo möge er für diesmal nicht weiter ſchweifen und hübſch bald wieder heimkehren. Das ver¬ ſprach Anhorſt und ging. Moorfeld ſtand jetzt in ſeiner Waldhütte allein. Es fehlte wenig, daß die Schauer des erſten Momentes von Neuem über ihn her¬ fielen. Die nächſten Tage und Stunden brachten ihm ganz das bodenloſe Gefühl der Fremde wieder zurück. Wie flüchtiger Goldſchaum ging von den Dingen ſeiner Umgebung der Hauch der Gewohnheit hinweg, woran er noch allzu zart gehaftet. Beſtürzt wurde Moorfeld inne, daß er nicht mit Einem Ruck, wie er ſchon gewähnt, Herr ſeiner Situation geworden: — nein! ſein Zuſtand war wie das Treiben in einer Meerenge, und Anprall und Widerprall extremer Stimmungen mußte noch lange hin und her zerren an ihm, bis ihm feſte Richtung gewonnen war. Wer freilich die äußere Lage Moorfeld's in dieſen Tagen betrach¬ tete, der hätte leicht in einen Spiegel der ſeeligſten Idylle zu ſchauen geglaubt. Von dem Theater-Apparat des ſogenannten, angenehmen Lebens“ fehlt wenig oder nichts. Eine elegante Doppelflinte, — ein ſtattliches Reitpferd, — ein Waldrevier hinter dem Hauſe, in welchem unſer Backwood-Baron nicht nur das Jagdrecht, ſondern — nach der pfiffigen Verſion eines modernen Junker-Anwalts — ganz eigentlich die Jagdpflicht hatte, denn ſein Wildſtand war vor Allem reich an Eichhörnchen, welche, wie wir gehört, eine Landplage des amerika¬ niſchen Farmers ſind. An dieſer Jagdpflicht konnte unſer Held in Amerika hier vollauf zum Ritter werden. Daneben konnte er mit Cirkel und Winkelmaß in der Hand Baupläne entwerfen, Felder, Gärten, Häuſer und Dörfer abmeſſen, Straßen bahnen, Parks ein¬ hegen, kurz das Bewußtſein des Grundbeſitzes in tauſend hübſchen Faltenwürfen ſich umlegen und zwiſchen Project und Spiel angenehme Halbträume träumen. Dürſtete er nach den Wonnen dichteriſchen Schaffens — hing nicht das Abendlicht wie eine goldene Harfe dort

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/366
Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/366>, abgerufen am 27.04.2024.