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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Herz geben, wie ich gehört hab', daß du fort gehst; mein Herz hat
sich ganz zusammengezogen, und seitdem thut mir's fortwährend weh.
Ach Gott, was soll aus mir werden, wenn ich dich nicht mehr hab'!

Mach' mir das Herz nicht schwer, sagte er. Sieh, es ist mir
ja schrecklich, daß ich von dir gehen muß, aber es kann nicht anders
sein, und ich bin bei dir und du bei mir, wo ich auch sein mag in
der Welt. Es ist wohl weit weg, aber doch nicht so gar weit, daß
wir nicht einander schreiben oder sogar zu einander kommen könnten,
wenn's Noth thut. Denk' dir alle Möglichkeiten der Reih' nach, so
muß es uns doch zuletzt nach Wunsch und Willen gehen. Entweder
gibt mein Vater nach, wenn er unsere Beständigkeit sieht, dann ist
ja Alles recht und gut; oder wir müssen warten bis er das Zeitliche
segnet, dann ist's zwar schlimm, aber doch besser als gar nichts;
oder er verstoßt mich, wenn er mir den Sinn nicht brechen kann, dann
kann er mir aber auch nichts mehr verbieten, und heißt's eben: Mann,
nimm deine Hau', ernähr' deine Frau; oder find' ich vielleicht in der
Fremde bei meinem Vatersbruder oder sonst wo eine Heimath, man
kann ja nicht wissen wie's geht in der Welt, dann lass' ich dich nachkom¬
men; wenn's vielleicht für's Erst' nur ein Dienst wär', den ich dir da
drunten verschaffen könnt', so wären wir doch näher bei einander und
könnten's nach und nach weiter bringen. Kurzum, ich mag mir aus¬
denken was ich will, das End' vom Lied ist eben immer, daß wir
Mann und Weib werden.

Ja, aber da drunten gibt's gewiß schöne Jungfern, die mich bei
dir ausstechen.

Sorg' du nicht für mich, hab' du vielmehr Acht, daß du mich
nicht von den Ebersbacher Buben aus deinem Herzen vertreiben läßt.

Ei so laß doch endlich das Geschwätz mit den Buben sein! sagte
sie schmollend.

Was dir recht ist muß mir billig sein, erwiderte er. Such' du
mich nicht hinterm Ofen, dann guck' ich auch nicht, ob du dahinter
steckst. Jetzt laß uns aber die letzten Stunden nicht mit Zank und
Trutz verderben, es ist ja doch keinem von uns beiden Ernst damit.

Nachdem sie noch längere Zelt in solchen Wechselreden verbracht,
sagte Friedrich: Ich muß jetzt gehen, ich hab' noch Geschäfte mit mei¬
nem Pfleger. Ich nehm' aber jetzt nicht Abschied von dir, denn ich

Herz geben, wie ich gehört hab', daß du fort gehſt; mein Herz hat
ſich ganz zuſammengezogen, und ſeitdem thut mir's fortwährend weh.
Ach Gott, was ſoll aus mir werden, wenn ich dich nicht mehr hab'!

Mach' mir das Herz nicht ſchwer, ſagte er. Sieh, es iſt mir
ja ſchrecklich, daß ich von dir gehen muß, aber es kann nicht anders
ſein, und ich bin bei dir und du bei mir, wo ich auch ſein mag in
der Welt. Es iſt wohl weit weg, aber doch nicht ſo gar weit, daß
wir nicht einander ſchreiben oder ſogar zu einander kommen könnten,
wenn's Noth thut. Denk' dir alle Möglichkeiten der Reih' nach, ſo
muß es uns doch zuletzt nach Wunſch und Willen gehen. Entweder
gibt mein Vater nach, wenn er unſere Beſtändigkeit ſieht, dann iſt
ja Alles recht und gut; oder wir müſſen warten bis er das Zeitliche
ſegnet, dann iſt's zwar ſchlimm, aber doch beſſer als gar nichts;
oder er verſtoßt mich, wenn er mir den Sinn nicht brechen kann, dann
kann er mir aber auch nichts mehr verbieten, und heißt's eben: Mann,
nimm deine Hau', ernähr' deine Frau; oder find' ich vielleicht in der
Fremde bei meinem Vatersbruder oder ſonſt wo eine Heimath, man
kann ja nicht wiſſen wie's geht in der Welt, dann laſſ' ich dich nachkom¬
men; wenn's vielleicht für's Erſt' nur ein Dienſt wär', den ich dir da
drunten verſchaffen könnt', ſo wären wir doch näher bei einander und
könnten's nach und nach weiter bringen. Kurzum, ich mag mir aus¬
denken was ich will, das End' vom Lied iſt eben immer, daß wir
Mann und Weib werden.

Ja, aber da drunten gibt's gewiß ſchöne Jungfern, die mich bei
dir ausſtechen.

Sorg' du nicht für mich, hab' du vielmehr Acht, daß du mich
nicht von den Ebersbacher Buben aus deinem Herzen vertreiben läßt.

Ei ſo laß doch endlich das Geſchwätz mit den Buben ſein! ſagte
ſie ſchmollend.

Was dir recht iſt muß mir billig ſein, erwiderte er. Such' du
mich nicht hinterm Ofen, dann guck' ich auch nicht, ob du dahinter
ſteckſt. Jetzt laß uns aber die letzten Stunden nicht mit Zank und
Trutz verderben, es iſt ja doch keinem von uns beiden Ernſt damit.

Nachdem ſie noch längere Zelt in ſolchen Wechſelreden verbracht,
ſagte Friedrich: Ich muß jetzt gehen, ich hab' noch Geſchäfte mit mei¬
nem Pfleger. Ich nehm' aber jetzt nicht Abſchied von dir, denn ich

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[148/0164] Herz geben, wie ich gehört hab', daß du fort gehſt; mein Herz hat ſich ganz zuſammengezogen, und ſeitdem thut mir's fortwährend weh. Ach Gott, was ſoll aus mir werden, wenn ich dich nicht mehr hab'! Mach' mir das Herz nicht ſchwer, ſagte er. Sieh, es iſt mir ja ſchrecklich, daß ich von dir gehen muß, aber es kann nicht anders ſein, und ich bin bei dir und du bei mir, wo ich auch ſein mag in der Welt. Es iſt wohl weit weg, aber doch nicht ſo gar weit, daß wir nicht einander ſchreiben oder ſogar zu einander kommen könnten, wenn's Noth thut. Denk' dir alle Möglichkeiten der Reih' nach, ſo muß es uns doch zuletzt nach Wunſch und Willen gehen. Entweder gibt mein Vater nach, wenn er unſere Beſtändigkeit ſieht, dann iſt ja Alles recht und gut; oder wir müſſen warten bis er das Zeitliche ſegnet, dann iſt's zwar ſchlimm, aber doch beſſer als gar nichts; oder er verſtoßt mich, wenn er mir den Sinn nicht brechen kann, dann kann er mir aber auch nichts mehr verbieten, und heißt's eben: Mann, nimm deine Hau', ernähr' deine Frau; oder find' ich vielleicht in der Fremde bei meinem Vatersbruder oder ſonſt wo eine Heimath, man kann ja nicht wiſſen wie's geht in der Welt, dann laſſ' ich dich nachkom¬ men; wenn's vielleicht für's Erſt' nur ein Dienſt wär', den ich dir da drunten verſchaffen könnt', ſo wären wir doch näher bei einander und könnten's nach und nach weiter bringen. Kurzum, ich mag mir aus¬ denken was ich will, das End' vom Lied iſt eben immer, daß wir Mann und Weib werden. Ja, aber da drunten gibt's gewiß ſchöne Jungfern, die mich bei dir ausſtechen. Sorg' du nicht für mich, hab' du vielmehr Acht, daß du mich nicht von den Ebersbacher Buben aus deinem Herzen vertreiben läßt. Ei ſo laß doch endlich das Geſchwätz mit den Buben ſein! ſagte ſie ſchmollend. Was dir recht iſt muß mir billig ſein, erwiderte er. Such' du mich nicht hinterm Ofen, dann guck' ich auch nicht, ob du dahinter ſteckſt. Jetzt laß uns aber die letzten Stunden nicht mit Zank und Trutz verderben, es iſt ja doch keinem von uns beiden Ernſt damit. Nachdem ſie noch längere Zelt in ſolchen Wechſelreden verbracht, ſagte Friedrich: Ich muß jetzt gehen, ich hab' noch Geſchäfte mit mei¬ nem Pfleger. Ich nehm' aber jetzt nicht Abſchied von dir, denn ich

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/164>, abgerufen am 28.04.2024.