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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 64. Der Abschluß von Staatsverträgen.

6. Ueber die Frage, ob die Zustimmung des Bundesrathes
zum Abschluß von Staatsverträgen von den verbündeten Regie-
rungen in dem Sinne für erforderlich erklärt worden ist, daß da-
durch die völkerrechtliche Legitimation des Bundespräsidiums be-
schränkt werden sollte, oder nur in dem Sinne, daß dem Bundes-
präsidium die staatsrechtliche Pflicht auferlegt wurde, die Zustim-
mung des Bundesrathes vor dem Vertrags-Abschluß einzuholen,
geben die Protokolle über die Berathungen der Bevollmächtigten
keine Auskunft 1).

Wohl aber findet die letztere Ansicht ihre Bestätigung in dem
vom Norddeutschen Bunde und Deutschen Reiche beobachteten Ver-
fahren bei der Ratifikation der Staatsverträge. Würde zum gül-
tigen Abschluß des internationalen Rechtsgeschäftes die Zustimmung
des Bundesrathes erforderlich sein, wie z. B. in der Nordameri-
kanischen Union die Zustimmung des Senates erforderlich ist, so
müßte in der Ratifikations-Urkunde diese Zustimmung be-
glaubigt oder erwähnt sein, da sie nicht nur innerhalb des
Reiches (staatsrechtlich), sondern auch dem fremden Staate gegen-
über (völkerrechtlich) von Erheblichkeit wäre. Grade in der ersten
Zeit des Norddeutschen Bundes aber ist in einem Staatsvertrage,
der die Genehmigung des Bundesrathes und Reichstages erhalten
hat und in dem Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden ist, die ent-
gegengesetzte Regel sanctionirt und der Gegensatz zwischen dem
Rechte des Nordd. Bundes und dem Rechte der Vereinigten Staaten
von Nordamerika veranschaulicht worden.

Der Vertrag mit Amerika über die Staatsangehörigkeit v.
22. Febr. 1868 bestimmt im Art. 6 2):

"Der gegenwärtige Vertrag soll ratifizirt werden von Seiner
Majestät dem Könige von Preußen im Namen des Norddeutschen
Bundes und von dem Präsidenten unter und mit Geneh-
migung des Senats
der Vereinigten Staaten" 3).


erhält (Hirth's Annalen 1874 S. 772), bald die Nichtgenehmigung für eine
Resolutivbedingung, durch deren Eintritt der gültig geschlossene Vertrag inva-
lidirt wird (Hirth's Annalen 1875 S. 537 ff.).
1) Vgl. über dieselben Bd. I. S. 21 ff.
2) Bundesgesetzbl. 1868 S. 230.
3) Auch bei dem Abschluß des Zollvereins-Vertrages vom 8. Juli 1867
wurde in dem Schluß-Protokoll am Ende (B.-G.-Bl. 1867 S. 112) "konstatirt,
Laband, Reichsstaatsrecht. II. 12
§. 64. Der Abſchluß von Staatsverträgen.

6. Ueber die Frage, ob die Zuſtimmung des Bundesrathes
zum Abſchluß von Staatsverträgen von den verbündeten Regie-
rungen in dem Sinne für erforderlich erklärt worden iſt, daß da-
durch die völkerrechtliche Legitimation des Bundespräſidiums be-
ſchränkt werden ſollte, oder nur in dem Sinne, daß dem Bundes-
präſidium die ſtaatsrechtliche Pflicht auferlegt wurde, die Zuſtim-
mung des Bundesrathes vor dem Vertrags-Abſchluß einzuholen,
geben die Protokolle über die Berathungen der Bevollmächtigten
keine Auskunft 1).

Wohl aber findet die letztere Anſicht ihre Beſtätigung in dem
vom Norddeutſchen Bunde und Deutſchen Reiche beobachteten Ver-
fahren bei der Ratifikation der Staatsverträge. Würde zum gül-
tigen Abſchluß des internationalen Rechtsgeſchäftes die Zuſtimmung
des Bundesrathes erforderlich ſein, wie z. B. in der Nordameri-
kaniſchen Union die Zuſtimmung des Senates erforderlich iſt, ſo
müßte in der Ratifikations-Urkunde dieſe Zuſtimmung be-
glaubigt oder erwähnt ſein, da ſie nicht nur innerhalb des
Reiches (ſtaatsrechtlich), ſondern auch dem fremden Staate gegen-
über (völkerrechtlich) von Erheblichkeit wäre. Grade in der erſten
Zeit des Norddeutſchen Bundes aber iſt in einem Staatsvertrage,
der die Genehmigung des Bundesrathes und Reichstages erhalten
hat und in dem Bundesgeſetzblatt veröffentlicht worden iſt, die ent-
gegengeſetzte Regel ſanctionirt und der Gegenſatz zwiſchen dem
Rechte des Nordd. Bundes und dem Rechte der Vereinigten Staaten
von Nordamerika veranſchaulicht worden.

Der Vertrag mit Amerika über die Staatsangehörigkeit v.
22. Febr. 1868 beſtimmt im Art. 6 2):

„Der gegenwärtige Vertrag ſoll ratifizirt werden von Seiner
Majeſtät dem Könige von Preußen im Namen des Norddeutſchen
Bundes und von dem Präſidenten unter und mit Geneh-
migung des Senats
der Vereinigten Staaten“ 3).


erhält (Hirth’s Annalen 1874 S. 772), bald die Nichtgenehmigung für eine
Reſolutivbedingung, durch deren Eintritt der gültig geſchloſſene Vertrag inva-
lidirt wird (Hirth’s Annalen 1875 S. 537 ff.).
1) Vgl. über dieſelben Bd. I. S. 21 ff.
2) Bundesgeſetzbl. 1868 S. 230.
3) Auch bei dem Abſchluß des Zollvereins-Vertrages vom 8. Juli 1867
wurde in dem Schluß-Protokoll am Ende (B.-G.-Bl. 1867 S. 112) „konſtatirt,
Laband, Reichsſtaatsrecht. II. 12
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[177/0191] §. 64. Der Abſchluß von Staatsverträgen. 6. Ueber die Frage, ob die Zuſtimmung des Bundesrathes zum Abſchluß von Staatsverträgen von den verbündeten Regie- rungen in dem Sinne für erforderlich erklärt worden iſt, daß da- durch die völkerrechtliche Legitimation des Bundespräſidiums be- ſchränkt werden ſollte, oder nur in dem Sinne, daß dem Bundes- präſidium die ſtaatsrechtliche Pflicht auferlegt wurde, die Zuſtim- mung des Bundesrathes vor dem Vertrags-Abſchluß einzuholen, geben die Protokolle über die Berathungen der Bevollmächtigten keine Auskunft 1). Wohl aber findet die letztere Anſicht ihre Beſtätigung in dem vom Norddeutſchen Bunde und Deutſchen Reiche beobachteten Ver- fahren bei der Ratifikation der Staatsverträge. Würde zum gül- tigen Abſchluß des internationalen Rechtsgeſchäftes die Zuſtimmung des Bundesrathes erforderlich ſein, wie z. B. in der Nordameri- kaniſchen Union die Zuſtimmung des Senates erforderlich iſt, ſo müßte in der Ratifikations-Urkunde dieſe Zuſtimmung be- glaubigt oder erwähnt ſein, da ſie nicht nur innerhalb des Reiches (ſtaatsrechtlich), ſondern auch dem fremden Staate gegen- über (völkerrechtlich) von Erheblichkeit wäre. Grade in der erſten Zeit des Norddeutſchen Bundes aber iſt in einem Staatsvertrage, der die Genehmigung des Bundesrathes und Reichstages erhalten hat und in dem Bundesgeſetzblatt veröffentlicht worden iſt, die ent- gegengeſetzte Regel ſanctionirt und der Gegenſatz zwiſchen dem Rechte des Nordd. Bundes und dem Rechte der Vereinigten Staaten von Nordamerika veranſchaulicht worden. Der Vertrag mit Amerika über die Staatsangehörigkeit v. 22. Febr. 1868 beſtimmt im Art. 6 2): „Der gegenwärtige Vertrag ſoll ratifizirt werden von Seiner Majeſtät dem Könige von Preußen im Namen des Norddeutſchen Bundes und von dem Präſidenten unter und mit Geneh- migung des Senats der Vereinigten Staaten“ 3). 3) 1) Vgl. über dieſelben Bd. I. S. 21 ff. 2) Bundesgeſetzbl. 1868 S. 230. 3) Auch bei dem Abſchluß des Zollvereins-Vertrages vom 8. Juli 1867 wurde in dem Schluß-Protokoll am Ende (B.-G.-Bl. 1867 S. 112) „konſtatirt, 3) erhält (Hirth’s Annalen 1874 S. 772), bald die Nichtgenehmigung für eine Reſolutivbedingung, durch deren Eintritt der gültig geſchloſſene Vertrag inva- lidirt wird (Hirth’s Annalen 1875 S. 537 ff.). Laband, Reichsſtaatsrecht. II. 12

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/191>, abgerufen am 27.04.2024.