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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 101. Die Gerichte.
stehen 1). Die letzteren üben im Allgemeinen, d. h. insoweit das
Gesetz nicht Ausnahmen bestimmt 2), während der Hauptverhand-
lung das Richteramt im vollen Umfange und mit gleichem Stimm-
rechte wie der Amtsrichter aus 3). Bei Forst- und Feldrügesachen
kann die Mitwirkung der Schöffen durch Anordnung der Landes-
gesetze ausgeschlossen werden 4), so daß alsdann der Amtsrichter
als Einzelrichter entscheidet; auch kann der Amtsrichter im Falle
der Vorführung des Beschuldigten mit Zustimmung der Staats-
anwaltschaft ohne Zuziehung von Schöffen zur Hauptverhandlung
schreiten, wenn der Beschuldigte nur wegen Uebertretung verfolgt
wird und die ihm zur Last gelegte That eingesteht 5).

Die Zuständigkeit der Schöffengerichte erstreckt sich auf alle
Uebertretungen, auf die im §. 27 des Gerichtsverfassungsgesetzes
aufgeführten Vergehen, sowie auf diejenigen Strafsachen, deren
Verhandlung und Entscheidung ihnen von den Strafkammern der
Landgerichte gemäß §. 29 und 75 des Gerichtsverfassungsgesetzes
überwiesen werden.

In zweiter Instanz entscheiden über Beschwerden und Be-
rufungen gegen Entscheidungen und Urtheile der Schöffengerichte
die Strafkammern 6) und zwar in der Hauptverhandlung
in der Besetzung mit 5 Mitgliedern, wenn es sich um ein Ver-
gehen handelt, in der Besetzung mit 3 Mitgliedern bei Ueber-
tretungen und in den Fällen der Privatanklage 7). Laienrichter
nehmen an der Entscheidung in keinem Falle Theil.

In dritter Instanz entscheiden die Strafsenate der
Oberlandesgerichte
über das Rechtsmittel der Revision
gegen Urtheile der Strafkammern in der Berufungsinstanz 8), gleich-
viel ob die Revision auf eine Verletzung des Reichsrechts oder des

1) Gerichtsverf.Ges. §. 26.
2) Dieselben betreffen lediglich die Entscheidungen über die Zusammen-
setzung des Schöffengerichts selbst. Gerichtsverf.Gesetz §§. 52. 53. 54. 56. Vgl.
auch Strafproc.Ordn. §. 31. Da diese Lehre nur ein strafprozessualisches, kein
staatsrechtliches Interesse darbietet, so ist hier nicht näher darauf einzugehen.
3) ebendas. §. 30 und dazu die Motive S. 75. (Hahn S. 80.)
4) Einf.Ges. zur Strafproc.Ordn. §. 3 Abs. 3.
5) Strafproc.Ordn. §. 211 Abs. 2.
6) Gerichtsverf.Ges. §. 72 Abs. 1. §. 76.
7) Gerichtsverf.Ges. §. 77.
8) ebendas. §. 123 Ziff. 2.

§. 101. Die Gerichte.
ſtehen 1). Die letzteren üben im Allgemeinen, d. h. inſoweit das
Geſetz nicht Ausnahmen beſtimmt 2), während der Hauptverhand-
lung das Richteramt im vollen Umfange und mit gleichem Stimm-
rechte wie der Amtsrichter aus 3). Bei Forſt- und Feldrügeſachen
kann die Mitwirkung der Schöffen durch Anordnung der Landes-
geſetze ausgeſchloſſen werden 4), ſo daß alsdann der Amtsrichter
als Einzelrichter entſcheidet; auch kann der Amtsrichter im Falle
der Vorführung des Beſchuldigten mit Zuſtimmung der Staats-
anwaltſchaft ohne Zuziehung von Schöffen zur Hauptverhandlung
ſchreiten, wenn der Beſchuldigte nur wegen Uebertretung verfolgt
wird und die ihm zur Laſt gelegte That eingeſteht 5).

Die Zuſtändigkeit der Schöffengerichte erſtreckt ſich auf alle
Uebertretungen, auf die im §. 27 des Gerichtsverfaſſungsgeſetzes
aufgeführten Vergehen, ſowie auf diejenigen Strafſachen, deren
Verhandlung und Entſcheidung ihnen von den Strafkammern der
Landgerichte gemäß §. 29 und 75 des Gerichtsverfaſſungsgeſetzes
überwieſen werden.

In zweiter Inſtanz entſcheiden über Beſchwerden und Be-
rufungen gegen Entſcheidungen und Urtheile der Schöffengerichte
die Strafkammern 6) und zwar in der Hauptverhandlung
in der Beſetzung mit 5 Mitgliedern, wenn es ſich um ein Ver-
gehen handelt, in der Beſetzung mit 3 Mitgliedern bei Ueber-
tretungen und in den Fällen der Privatanklage 7). Laienrichter
nehmen an der Entſcheidung in keinem Falle Theil.

In dritter Inſtanz entſcheiden die Strafſenate der
Oberlandesgerichte
über das Rechtsmittel der Reviſion
gegen Urtheile der Strafkammern in der Berufungsinſtanz 8), gleich-
viel ob die Reviſion auf eine Verletzung des Reichsrechts oder des

1) Gerichtsverf.Geſ. §. 26.
2) Dieſelben betreffen lediglich die Entſcheidungen über die Zuſammen-
ſetzung des Schöffengerichts ſelbſt. Gerichtsverf.Geſetz §§. 52. 53. 54. 56. Vgl.
auch Strafproc.Ordn. §. 31. Da dieſe Lehre nur ein ſtrafprozeſſualiſches, kein
ſtaatsrechtliches Intereſſe darbietet, ſo iſt hier nicht näher darauf einzugehen.
3) ebendaſ. §. 30 und dazu die Motive S. 75. (Hahn S. 80.)
4) Einf.Geſ. zur Strafproc.Ordn. §. 3 Abſ. 3.
5) Strafproc.Ordn. §. 211 Abſ. 2.
6) Gerichtsverf.Geſ. §. 72 Abſ. 1. §. 76.
7) Gerichtsverf.Geſ. §. 77.
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[80/0090] §. 101. Die Gerichte. ſtehen 1). Die letzteren üben im Allgemeinen, d. h. inſoweit das Geſetz nicht Ausnahmen beſtimmt 2), während der Hauptverhand- lung das Richteramt im vollen Umfange und mit gleichem Stimm- rechte wie der Amtsrichter aus 3). Bei Forſt- und Feldrügeſachen kann die Mitwirkung der Schöffen durch Anordnung der Landes- geſetze ausgeſchloſſen werden 4), ſo daß alsdann der Amtsrichter als Einzelrichter entſcheidet; auch kann der Amtsrichter im Falle der Vorführung des Beſchuldigten mit Zuſtimmung der Staats- anwaltſchaft ohne Zuziehung von Schöffen zur Hauptverhandlung ſchreiten, wenn der Beſchuldigte nur wegen Uebertretung verfolgt wird und die ihm zur Laſt gelegte That eingeſteht 5). Die Zuſtändigkeit der Schöffengerichte erſtreckt ſich auf alle Uebertretungen, auf die im §. 27 des Gerichtsverfaſſungsgeſetzes aufgeführten Vergehen, ſowie auf diejenigen Strafſachen, deren Verhandlung und Entſcheidung ihnen von den Strafkammern der Landgerichte gemäß §. 29 und 75 des Gerichtsverfaſſungsgeſetzes überwieſen werden. In zweiter Inſtanz entſcheiden über Beſchwerden und Be- rufungen gegen Entſcheidungen und Urtheile der Schöffengerichte die Strafkammern 6) und zwar in der Hauptverhandlung in der Beſetzung mit 5 Mitgliedern, wenn es ſich um ein Ver- gehen handelt, in der Beſetzung mit 3 Mitgliedern bei Ueber- tretungen und in den Fällen der Privatanklage 7). Laienrichter nehmen an der Entſcheidung in keinem Falle Theil. In dritter Inſtanz entſcheiden die Strafſenate der Oberlandesgerichte über das Rechtsmittel der Reviſion gegen Urtheile der Strafkammern in der Berufungsinſtanz 8), gleich- viel ob die Reviſion auf eine Verletzung des Reichsrechts oder des 1) Gerichtsverf.Geſ. §. 26. 2) Dieſelben betreffen lediglich die Entſcheidungen über die Zuſammen- ſetzung des Schöffengerichts ſelbſt. Gerichtsverf.Geſetz §§. 52. 53. 54. 56. Vgl. auch Strafproc.Ordn. §. 31. Da dieſe Lehre nur ein ſtrafprozeſſualiſches, kein ſtaatsrechtliches Intereſſe darbietet, ſo iſt hier nicht näher darauf einzugehen. 3) ebendaſ. §. 30 und dazu die Motive S. 75. (Hahn S. 80.) 4) Einf.Geſ. zur Strafproc.Ordn. §. 3 Abſ. 3. 5) Strafproc.Ordn. §. 211 Abſ. 2. 6) Gerichtsverf.Geſ. §. 72 Abſ. 1. §. 76. 7) Gerichtsverf.Geſ. §. 77. 8) ebendaſ. §. 123 Ziff. 2.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/90>, abgerufen am 26.04.2024.