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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 101. Die Gerichte.
Landesrechts gestützt wird 1). Die Revision kann jedoch nicht be-
gründet werden mit der Behauptung, daß eine Rechtsnorm über
das Verfahren
verletzt worden sei, mit alleiniger Ausnahme
der Vorschrift des §. 398 der Strafproz.Ordnung 2). Die Straf-
senate entscheiden in der Besetzung von fünf rechtsgelehrten Richtern
mit Einschluß des Vorsitzenden 3).

2. Die Strafkammern sind in erster Instanz zuständig
hinsichtlich aller Vergehen, welche nicht zur Zuständigkeit der
Schöffengerichte gehören 4), und derjenigen Verbrechen, welche
im §. 73 des Gerichtsverfassungsgesetzes aufgeführt sind; sie sind
ferner ausschließlich zuständig -- gleichviel ob die That als Ueber-
tretung, Vergehen oder Verbrechen zu erachten ist -- bei Zuwider-
handlungen gegen die im §. 74 a. a. O. aufgeführten Gesetze. Die
Strafkammern bestehen nur aus berufsmäßigen Richtern und ent-
scheiden in der Hauptverhandlung in der Besetzung mit fünf Mit-
gliedern, sonst in der Besetzung mit drei Mitgliedern einschließlich
des Vorsitzenden.

Gegen Endurtheile der Strafkammern in erster Instanz ist
nur das Rechtsmittel der Revision zulässig; über dasselbe entschei-
den die Strafsenate der Oberlandesgerichte, sofern die
Revision ausschließlich auf die Verletzung einer in den Landesge-
setzen enthaltenen Rechtsnorm gestützt wird, die Strafsenate
des Reichsgerichts
, wenn die Verletzung von Reichsrecht be-
hauptet wird 5). Die Strafsenate des Oberlandesgerichts entschei-
den in der Besetzung von fünf Mitgliedern, die Strafsenate des
Reichsgerichts in der Besetzung von sieben Mitgliedern 6).


1) Nur in dem Falle des §. 136 Abs. 2 des Gerichtsverf.Gesetzes (Zu-
widerhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher in die
Reichskasse fließender Abgaben und Gefälle) kann die Entscheidung in
dritter Instanz an das Reichsgericht gebracht werden. Vgl. oben S. 63.
2) Strafproz.Ordn. §. 380. Der in Bezug genommene §. 398 betrifft
den Fall, daß ein Urtheil in der Revisionsinstanz aufgehoben und die Sache an
ein Gericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen worden ist.
3) Gerichtsverf.Ges. §. 124.
4) Jedoch kann in den im §. 75 a. a. O. aufgezählten Fällen bei Eröff-
nung des Hauptverfahrens durch Beschluß der Strafkammer die Verhandlung
und Entscheidung dem Schöffengericht überwiesen werden.
5) Gerichtsverf.Ges. §. 123 Ziff. 3. §. 136 Ziff. 2.
6) ebendas. §. 124. §. 140.
Laband, Reichsstaatsrecht. III. 2. 6

§. 101. Die Gerichte.
Landesrechts geſtützt wird 1). Die Reviſion kann jedoch nicht be-
gründet werden mit der Behauptung, daß eine Rechtsnorm über
das Verfahren
verletzt worden ſei, mit alleiniger Ausnahme
der Vorſchrift des §. 398 der Strafproz.Ordnung 2). Die Straf-
ſenate entſcheiden in der Beſetzung von fünf rechtsgelehrten Richtern
mit Einſchluß des Vorſitzenden 3).

2. Die Strafkammern ſind in erſter Inſtanz zuſtändig
hinſichtlich aller Vergehen, welche nicht zur Zuſtändigkeit der
Schöffengerichte gehören 4), und derjenigen Verbrechen, welche
im §. 73 des Gerichtsverfaſſungsgeſetzes aufgeführt ſind; ſie ſind
ferner ausſchließlich zuſtändig — gleichviel ob die That als Ueber-
tretung, Vergehen oder Verbrechen zu erachten iſt — bei Zuwider-
handlungen gegen die im §. 74 a. a. O. aufgeführten Geſetze. Die
Strafkammern beſtehen nur aus berufsmäßigen Richtern und ent-
ſcheiden in der Hauptverhandlung in der Beſetzung mit fünf Mit-
gliedern, ſonſt in der Beſetzung mit drei Mitgliedern einſchließlich
des Vorſitzenden.

Gegen Endurtheile der Strafkammern in erſter Inſtanz iſt
nur das Rechtsmittel der Reviſion zuläſſig; über daſſelbe entſchei-
den die Strafſenate der Oberlandesgerichte, ſofern die
Reviſion ausſchließlich auf die Verletzung einer in den Landesge-
ſetzen enthaltenen Rechtsnorm geſtützt wird, die Strafſenate
des Reichsgerichts
, wenn die Verletzung von Reichsrecht be-
hauptet wird 5). Die Strafſenate des Oberlandesgerichts entſchei-
den in der Beſetzung von fünf Mitgliedern, die Strafſenate des
Reichsgerichts in der Beſetzung von ſieben Mitgliedern 6).


1) Nur in dem Falle des §. 136 Abſ. 2 des Gerichtsverf.Geſetzes (Zu-
widerhandlungen gegen die Vorſchriften über die Erhebung öffentlicher in die
Reichskaſſe fließender Abgaben und Gefälle) kann die Entſcheidung in
dritter Inſtanz an das Reichsgericht gebracht werden. Vgl. oben S. 63.
2) Strafproz.Ordn. §. 380. Der in Bezug genommene §. 398 betrifft
den Fall, daß ein Urtheil in der Reviſionsinſtanz aufgehoben und die Sache an
ein Gericht zur anderweiten Verhandlung und Entſcheidung verwieſen worden iſt.
3) Gerichtsverf.Geſ. §. 124.
4) Jedoch kann in den im §. 75 a. a. O. aufgezählten Fällen bei Eröff-
nung des Hauptverfahrens durch Beſchluß der Strafkammer die Verhandlung
und Entſcheidung dem Schöffengericht überwieſen werden.
5) Gerichtsverf.Geſ. §. 123 Ziff. 3. §. 136 Ziff. 2.
6) ebendaſ. §. 124. §. 140.
Laband, Reichsſtaatsrecht. III. 2. 6
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[81/0091] §. 101. Die Gerichte. Landesrechts geſtützt wird 1). Die Reviſion kann jedoch nicht be- gründet werden mit der Behauptung, daß eine Rechtsnorm über das Verfahren verletzt worden ſei, mit alleiniger Ausnahme der Vorſchrift des §. 398 der Strafproz.Ordnung 2). Die Straf- ſenate entſcheiden in der Beſetzung von fünf rechtsgelehrten Richtern mit Einſchluß des Vorſitzenden 3). 2. Die Strafkammern ſind in erſter Inſtanz zuſtändig hinſichtlich aller Vergehen, welche nicht zur Zuſtändigkeit der Schöffengerichte gehören 4), und derjenigen Verbrechen, welche im §. 73 des Gerichtsverfaſſungsgeſetzes aufgeführt ſind; ſie ſind ferner ausſchließlich zuſtändig — gleichviel ob die That als Ueber- tretung, Vergehen oder Verbrechen zu erachten iſt — bei Zuwider- handlungen gegen die im §. 74 a. a. O. aufgeführten Geſetze. Die Strafkammern beſtehen nur aus berufsmäßigen Richtern und ent- ſcheiden in der Hauptverhandlung in der Beſetzung mit fünf Mit- gliedern, ſonſt in der Beſetzung mit drei Mitgliedern einſchließlich des Vorſitzenden. Gegen Endurtheile der Strafkammern in erſter Inſtanz iſt nur das Rechtsmittel der Reviſion zuläſſig; über daſſelbe entſchei- den die Strafſenate der Oberlandesgerichte, ſofern die Reviſion ausſchließlich auf die Verletzung einer in den Landesge- ſetzen enthaltenen Rechtsnorm geſtützt wird, die Strafſenate des Reichsgerichts, wenn die Verletzung von Reichsrecht be- hauptet wird 5). Die Strafſenate des Oberlandesgerichts entſchei- den in der Beſetzung von fünf Mitgliedern, die Strafſenate des Reichsgerichts in der Beſetzung von ſieben Mitgliedern 6). 1) Nur in dem Falle des §. 136 Abſ. 2 des Gerichtsverf.Geſetzes (Zu- widerhandlungen gegen die Vorſchriften über die Erhebung öffentlicher in die Reichskaſſe fließender Abgaben und Gefälle) kann die Entſcheidung in dritter Inſtanz an das Reichsgericht gebracht werden. Vgl. oben S. 63. 2) Strafproz.Ordn. §. 380. Der in Bezug genommene §. 398 betrifft den Fall, daß ein Urtheil in der Reviſionsinſtanz aufgehoben und die Sache an ein Gericht zur anderweiten Verhandlung und Entſcheidung verwieſen worden iſt. 3) Gerichtsverf.Geſ. §. 124. 4) Jedoch kann in den im §. 75 a. a. O. aufgezählten Fällen bei Eröff- nung des Hauptverfahrens durch Beſchluß der Strafkammer die Verhandlung und Entſcheidung dem Schöffengericht überwieſen werden. 5) Gerichtsverf.Geſ. §. 123 Ziff. 3. §. 136 Ziff. 2. 6) ebendaſ. §. 124. §. 140. Laband, Reichsſtaatsrecht. III. 2. 6

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/91>, abgerufen am 28.04.2024.