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Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.

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sänge zeugt die Niflungasaga, wo sie berichtet, was in
Deutschen Liedern, "i Thydverskum kvoedum", gesungen sei
72). Der Marner, ein Schwabe, und Hugo von Trim-
berg, der bei Bamberg lebte, erwähnen als Vorwürfe ver-
schiedener Gedichte, "wen Kriemhilt verriet 73), und Kriem-
hilden mort, Sigfrides tot, der Nibelungen hort." Der
Verfasser des Liedes vom hürninen Seifried 74) verweist
nicht eigentlich auf unsere Nibelungennoth 75), sondern auf
ein Gedicht, das nur einen Theil der Geschichte umfaßte:
Die drei brüder Kriemhilde, wer weiter hören wöll,
So wil ich im hie weisen, wo er das finden söll.
Der les Seifrides hochzeit; so wirt er des bericht,
Wie es die acht jar gienge. hie hat ein end das dicht.

Aus der Thüringischen Chronik des Joh. Rothe, der in
die Mitte des funfzehnten Jahrhunderts fällt, wird die
für unsere Untersuchung allzu unbestimmte Angabe aufge-
führt, man habe damahls noch Gesänge von dem starken
Sifrid, von Hagin und Kunehild (Kriemhild) gehabt 76).
Hingegen kenne ich nur Ein ausdrückliches Zeugniß für
unsere Nibelungennoth; die augenscheinliche Nachahmung
in dem Anfange des Liedes von der Rabenschlacht, wovon
die hierher gehörigen Zeilen also lauten 77):
Welt ir von alten meren
Wunder horen sagen,

Von recken lobeberen
,
So solt ir gern dazu dagen.
-- -- -- -- -- -- --
Dem tet er wol geliche,
Als mir ist geseit;
Dem herren Dietriche
Frumt' er manig starke leit

ſänge zeugt die Niflungaſaga, wo ſie berichtet, was in
Deutſchen Liedern, »i Thydverſkum kvœdum«, geſungen ſei
72). Der Marner, ein Schwabe, und Hugo von Trim-
berg, der bei Bamberg lebte, erwähnen als Vorwürfe ver-
ſchiedener Gedichte, »wen Kriemhilt verriet 73), und Kriem-
hilden mort, Sigfrides tot, der Nibelungen hort.« Der
Verfaſſer des Liedes vom hürninen Seifried 74) verweiſt
nicht eigentlich auf unſere Nibelungennoth 75), ſondern auf
ein Gedicht, das nur einen Theil der Geſchichte umfaßte:
Die drei brüder Kriemhilde, wer weiter hören wöll,
So wil ich im hie weiſen, wo er das finden ſöll.
Der les Seifrides hochzeit; ſo wirt er des bericht,
Wie es die acht jar gienge. hie hat ein end das dicht.

Aus der Thüringiſchen Chronik des Joh. Rothe, der in
die Mitte des funfzehnten Jahrhunderts fällt, wird die
für unſere Unterſuchung allzu unbeſtimmte Angabe aufge-
führt, man habe damahls noch Geſänge von dem ſtarken
Sifrid, von Hagin und Kunehild (Kriemhild) gehabt 76).
Hingegen kenne ich nur Ein ausdrückliches Zeugniß für
unſere Nibelungennoth; die augenſcheinliche Nachahmung
in dem Anfange des Liedes von der Rabenſchlacht, wovon
die hierher gehörigen Zeilen alſo lauten 77):
Welt ir von alten meren
Wunder horen ſagen,

Von recken lobeberen
,
So ſolt ir gern dazů dagen.
— — — — — — —
Dem tet er wol geliche,
Als mir iſt geſeit;
Dem herren Dietriche
Frumt’ er manig ſtarke leit

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[85/0093] ſänge zeugt die Niflungaſaga, wo ſie berichtet, was in Deutſchen Liedern, »i Thydverſkum kvœdum«, geſungen ſei ⁷²⁾ . Der Marner, ein Schwabe, und Hugo von Trim- berg, der bei Bamberg lebte, erwähnen als Vorwürfe ver- ſchiedener Gedichte, »wen Kriemhilt verriet ⁷³⁾ , und Kriem- hilden mort, Sigfrides tot, der Nibelungen hort.« Der Verfaſſer des Liedes vom hürninen Seifried ⁷⁴⁾ verweiſt nicht eigentlich auf unſere Nibelungennoth ⁷⁵⁾ , ſondern auf ein Gedicht, das nur einen Theil der Geſchichte umfaßte: Die drei brüder Kriemhilde, wer weiter hören wöll, So wil ich im hie weiſen, wo er das finden ſöll. Der les Seifrides hochzeit; ſo wirt er des bericht, Wie es die acht jar gienge. hie hat ein end das dicht. Aus der Thüringiſchen Chronik des Joh. Rothe, der in die Mitte des funfzehnten Jahrhunderts fällt, wird die für unſere Unterſuchung allzu unbeſtimmte Angabe aufge- führt, man habe damahls noch Geſänge von dem ſtarken Sifrid, von Hagin und Kunehild (Kriemhild) gehabt ⁷⁶⁾ . Hingegen kenne ich nur Ein ausdrückliches Zeugniß für unſere Nibelungennoth; die augenſcheinliche Nachahmung in dem Anfange des Liedes von der Rabenſchlacht, wovon die hierher gehörigen Zeilen alſo lauten ⁷⁷⁾ : Welt ir von alten meren Wunder horen ſagen, Von recken lobeberen, So ſolt ir gern dazů dagen. — — — — — — — Dem tet er wol geliche, Als mir iſt geſeit; Dem herren Dietriche Frumt’ er manig ſtarke leit

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Zitationshilfe: Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/93>, abgerufen am 26.04.2024.