Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite
Von dem Wahrscheinlichen.
weise. Wer Einwürfe dawider macht, hat die
Schuld in sich zu suchen. Sie liegt nicht in der
Sache.
2. Jst hingegen der Satz nicht richtig bestimmt, es
sey, daß man darinn zu viel oder zu wenig sage,
oder Vieldeutigkeit in den Worten liege: so muß
man die Vieldeutigkeit heben, und die Einschrän-
kungen und nähere Bestimmungen beyfügen, es
sey, daß man sie in den Satz selbst einschiebe, oder
es nachhole. Wo dieses versäumt wird, da setzt
man sich gegründeten Einwürfen bloß, und
hat es sich selbst zuzuschreiben, wenn sie gemacht
werden, oder wenn man sie zuletzt selbst macht,
und in der Beantwortung von dem anfänglichen
Vorgeben wiederum ganze Stücke abbrechen muß,
wodurch selbst auch die Nettigkeit des Vortrags
verderbt wird.
3. Jst endlich der Satz richtig bestimmt, aber nicht
vollständig oder nicht zureichend erwiesen, es sey,
daß man einzelne Theile des Satzes unbewiesen
gelassen, oder den Beweis nicht bis auf unbestrit-
tene Gründe entwickelt, oder in der Form der
Schlüsse und ihres Zusammenhanges gefehlt ha-
be: so giebt es ebenfalls wiederum gegründete
Einwürfe, deren Beantwortung man, ohne der
Nettigkeit des Vortrags Abbruch zu thun, nicht
füglich nachholen kann, sondern denen man durch
die genauere Entwicklung des Beweises viel na-
türlicher begegnet.
4. Kann man, an statt einen directen Beweis zu
führen, die Einwürfe wider den Satz abzählen,
und jeden besonders heben, so ist der Satz indi-
recte, und in Form eines Polylemma erwiesen.

§. 183. Bey der Aufhäusung der Argumente bleibt
man aber auch hierinn zurücke, oder man scheint wenig-

stens
Lamb. Organon II B. Z
Von dem Wahrſcheinlichen.
weiſe. Wer Einwuͤrfe dawider macht, hat die
Schuld in ſich zu ſuchen. Sie liegt nicht in der
Sache.
2. Jſt hingegen der Satz nicht richtig beſtimmt, es
ſey, daß man darinn zu viel oder zu wenig ſage,
oder Vieldeutigkeit in den Worten liege: ſo muß
man die Vieldeutigkeit heben, und die Einſchraͤn-
kungen und naͤhere Beſtimmungen beyfuͤgen, es
ſey, daß man ſie in den Satz ſelbſt einſchiebe, oder
es nachhole. Wo dieſes verſaͤumt wird, da ſetzt
man ſich gegruͤndeten Einwuͤrfen bloß, und
hat es ſich ſelbſt zuzuſchreiben, wenn ſie gemacht
werden, oder wenn man ſie zuletzt ſelbſt macht,
und in der Beantwortung von dem anfaͤnglichen
Vorgeben wiederum ganze Stuͤcke abbrechen muß,
wodurch ſelbſt auch die Nettigkeit des Vortrags
verderbt wird.
3. Jſt endlich der Satz richtig beſtimmt, aber nicht
vollſtaͤndig oder nicht zureichend erwieſen, es ſey,
daß man einzelne Theile des Satzes unbewieſen
gelaſſen, oder den Beweis nicht bis auf unbeſtrit-
tene Gruͤnde entwickelt, oder in der Form der
Schluͤſſe und ihres Zuſammenhanges gefehlt ha-
be: ſo giebt es ebenfalls wiederum gegruͤndete
Einwuͤrfe, deren Beantwortung man, ohne der
Nettigkeit des Vortrags Abbruch zu thun, nicht
fuͤglich nachholen kann, ſondern denen man durch
die genauere Entwicklung des Beweiſes viel na-
tuͤrlicher begegnet.
4. Kann man, an ſtatt einen directen Beweis zu
fuͤhren, die Einwuͤrfe wider den Satz abzaͤhlen,
und jeden beſonders heben, ſo iſt der Satz indi-
recte, und in Form eines Polylemma erwieſen.

§. 183. Bey der Aufhaͤuſung der Argumente bleibt
man aber auch hierinn zuruͤcke, oder man ſcheint wenig-

ſtens
Lamb. Organon II B. Z
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <list>
            <item><pb facs="#f0359" n="353"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem Wahr&#x017F;cheinlichen.</hi></fw><lb/>
wei&#x017F;e. Wer Einwu&#x0364;rfe dawider macht, hat die<lb/>
Schuld in &#x017F;ich zu &#x017F;uchen. Sie liegt nicht in der<lb/>
Sache.</item><lb/>
            <item>2. J&#x017F;t hingegen der Satz nicht richtig be&#x017F;timmt, es<lb/>
&#x017F;ey, daß man darinn zu viel oder zu wenig &#x017F;age,<lb/>
oder Vieldeutigkeit in den Worten liege: &#x017F;o muß<lb/>
man die Vieldeutigkeit heben, und die Ein&#x017F;chra&#x0364;n-<lb/>
kungen und na&#x0364;here Be&#x017F;timmungen beyfu&#x0364;gen, es<lb/>
&#x017F;ey, daß man &#x017F;ie in den Satz &#x017F;elb&#x017F;t ein&#x017F;chiebe, oder<lb/>
es nachhole. Wo die&#x017F;es ver&#x017F;a&#x0364;umt wird, da &#x017F;etzt<lb/>
man &#x017F;ich <hi rendition="#fr">gegru&#x0364;ndeten Einwu&#x0364;rfen</hi> bloß, und<lb/>
hat es &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zuzu&#x017F;chreiben, wenn &#x017F;ie gemacht<lb/>
werden, oder wenn man &#x017F;ie zuletzt &#x017F;elb&#x017F;t macht,<lb/>
und in der Beantwortung von dem anfa&#x0364;nglichen<lb/>
Vorgeben wiederum ganze Stu&#x0364;cke abbrechen muß,<lb/>
wodurch &#x017F;elb&#x017F;t auch die Nettigkeit des Vortrags<lb/>
verderbt wird.</item><lb/>
            <item>3. J&#x017F;t endlich der Satz richtig be&#x017F;timmt, aber nicht<lb/>
voll&#x017F;ta&#x0364;ndig oder nicht zureichend erwie&#x017F;en, es &#x017F;ey,<lb/>
daß man einzelne Theile des Satzes unbewie&#x017F;en<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en, oder den Beweis nicht bis auf unbe&#x017F;trit-<lb/>
tene Gru&#x0364;nde entwickelt, oder in der Form der<lb/>
Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und ihres Zu&#x017F;ammenhanges gefehlt ha-<lb/>
be: &#x017F;o giebt es ebenfalls wiederum gegru&#x0364;ndete<lb/>
Einwu&#x0364;rfe, deren Beantwortung man, ohne der<lb/>
Nettigkeit des Vortrags Abbruch zu thun, nicht<lb/>
fu&#x0364;glich nachholen kann, &#x017F;ondern denen man durch<lb/>
die genauere Entwicklung des Bewei&#x017F;es viel na-<lb/>
tu&#x0364;rlicher begegnet.</item><lb/>
            <item>4. Kann man, an &#x017F;tatt einen directen Beweis zu<lb/>
fu&#x0364;hren, die Einwu&#x0364;rfe wider den Satz abza&#x0364;hlen,<lb/>
und jeden be&#x017F;onders heben, &#x017F;o i&#x017F;t der Satz indi-<lb/>
recte, und in Form eines Polylemma erwie&#x017F;en.</item>
          </list><lb/>
          <p>§. 183. Bey der Aufha&#x0364;u&#x017F;ung der Argumente bleibt<lb/>
man aber auch hierinn zuru&#x0364;cke, oder man &#x017F;cheint wenig-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Lamb. Organon <hi rendition="#aq">II</hi> B. Z</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;tens</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[353/0359] Von dem Wahrſcheinlichen. weiſe. Wer Einwuͤrfe dawider macht, hat die Schuld in ſich zu ſuchen. Sie liegt nicht in der Sache. 2. Jſt hingegen der Satz nicht richtig beſtimmt, es ſey, daß man darinn zu viel oder zu wenig ſage, oder Vieldeutigkeit in den Worten liege: ſo muß man die Vieldeutigkeit heben, und die Einſchraͤn- kungen und naͤhere Beſtimmungen beyfuͤgen, es ſey, daß man ſie in den Satz ſelbſt einſchiebe, oder es nachhole. Wo dieſes verſaͤumt wird, da ſetzt man ſich gegruͤndeten Einwuͤrfen bloß, und hat es ſich ſelbſt zuzuſchreiben, wenn ſie gemacht werden, oder wenn man ſie zuletzt ſelbſt macht, und in der Beantwortung von dem anfaͤnglichen Vorgeben wiederum ganze Stuͤcke abbrechen muß, wodurch ſelbſt auch die Nettigkeit des Vortrags verderbt wird. 3. Jſt endlich der Satz richtig beſtimmt, aber nicht vollſtaͤndig oder nicht zureichend erwieſen, es ſey, daß man einzelne Theile des Satzes unbewieſen gelaſſen, oder den Beweis nicht bis auf unbeſtrit- tene Gruͤnde entwickelt, oder in der Form der Schluͤſſe und ihres Zuſammenhanges gefehlt ha- be: ſo giebt es ebenfalls wiederum gegruͤndete Einwuͤrfe, deren Beantwortung man, ohne der Nettigkeit des Vortrags Abbruch zu thun, nicht fuͤglich nachholen kann, ſondern denen man durch die genauere Entwicklung des Beweiſes viel na- tuͤrlicher begegnet. 4. Kann man, an ſtatt einen directen Beweis zu fuͤhren, die Einwuͤrfe wider den Satz abzaͤhlen, und jeden beſonders heben, ſo iſt der Satz indi- recte, und in Form eines Polylemma erwieſen. §. 183. Bey der Aufhaͤuſung der Argumente bleibt man aber auch hierinn zuruͤcke, oder man ſcheint wenig- ſtens Lamb. Organon II B. Z

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/359
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/359>, abgerufen am 05.06.2024.