Erklärung des andern Briefes Pauli C. 1. v. 12. 13
[Spaltenumbruch]
sondern es muß ein ieglicher, obgleich in unter- schiedlichem Maaße, mit Paulo aus gewisser Er- kenntniß und Uberzeugung sagen können: Jch weiß, an wen ich glaube: Wie denn der Glaube ein göttliches Licht in der Seele ist, und auch upostasis und elegkhos Hebr. 10, 1. eine gründliche für sich selbst vest bestehende Uberzeu- gung.
3. Es darf demnach ein Christ, wie im gan- tzen Gnaden-Stande, also auch insonderheit, wenn es mit ihm zum sterben kömmt, nicht an seiner Seligkeit zweifeln, vielweniger sich eines Fegfeuers befürchten; sondern er kan seiner wie schon gegenwärtigen, also auch der noch künfti- gen Seligkeit gewiß seyn: sintemal Paulus in diesem Stücke nichts anders voraus hat, als was etwa in einem höhern Grad bestehet. Sie- he auch Röm. 8. 38.
4. Es wird aber die Gewißheit der Selig- keit nicht anders erlanget und erhalten, als in der Ordnung der beständigen Beharrung mit einem guten Gewissen im Laufe der Erneue- rung: welchen Sinn und Vorsatz wahre Kinder GOttes aus der Gnade haben.
5. Und gleichwie auf ihrer Seite sich der Vorsatz der Beharrung und guten Anlegung der schon zum Theil geschenckten guten Beylage be- sindet; so wird dieser dadurch vortreflich beve- stiget, daß GOTT auf seiner Seite so getreue ist, daß er will, und so mächtig, daß er kan, uns im Stande der Gnaden bewahren. Darum Petrus Ep. 1. c. 1, 15. schreibet von einem un- vergänglichen, unbefleckten und unver- welcklichen Erbe, das behalten wird im Himmel denen, die aus GOttes Macht durch den Glauben bewahret werden zur Seligkeit. Alwo die Macht GOTTES mit der Ordnung des beharrlichen Glaubens auf Seiten des Menschen auch gar schön ver- bunden wird, wie im gegenwärtigen Texte ge- schiehet. Siehe auch Joh. 10, 28. 29.
6. Es haben sich sonderlich krancke und sterbende diesen Text wohl zu mercken, und zwar schon bey Zeiten bey gesunden Tagen, und ihn also zu fassen, daß er ihnen hernach destomehr im Sinn liege und desto mehrere Glaubens- Stärckung gebe.
7. Von der gantzen Redens-Art: bewah- ren bis an jenen Tag, siehe die Anmerckung über 1 Tim. 6, 14.
V. 13.
Halte an dem Fürbilde (dem Muster oder Vorschrift und dem Begriff) der heilsa- men Worte (der im Worte vorgetragenen ge- sunden und geistlich gesundmachenden Lehren) die du von mir (der ich in der Lehre dein geist- licher Vater worden bin, mit aller Aufmerck- samkeit also) gehöret hast (also, daß du dein hören akoen hast kommen lassen zur [fremdsprachliches Material]pakoe, zum gläubigen Gehorsam) vom Glauben und von der Liebe, (als den beyden rechten Haupt- Stücken des Fürbildes der Lehre) in Christo JESU (als dem rechten Grunde von bey- den.)
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.
1. Es verdienet dieser Vers seiner be- sondern Wichtigkeit wegen etwas genauer be- trachtet zu werden. Er hält aber diese drey Sä- tze in sich:
a.Das Fürbild der Lehre bestehet im Glauben und in der Liebe in Christo JEsu.
b.Dieses Fürbild der Lehre hatte Timo- theus von Paulo gehöret.
c.Timotheus solte an dem gehörten Fürbilde der Lehre halten.
2. Upotuposis, Fürbild ist alhier ein sol- cher Begriff der Christlichen Lehre, in welcher al- le desselben Haupt-Stücke nach ihrer Analogie, oder Verbindung, die sie untereinander haben, recht nachdrücklich verfasset sind, also daß daraus alles, was zum Grunde und der Ordnung des Heyls gehörete, konte leichtlich erkannt und beur- theilet werden, wie ein gemachtes Bild aus der Person des lebendigen Menschen. Und also war es ein Exempel, oder ein lebendiges Muster, dar- nach man sich richten konte; wie dis Wort auch 1 Tim. 1, 16. genommen wird, da Paulus sich al- len bußfertigen und bekehrten Sündern, zum Fürbilde nach der empfangenen Gnade GOttes vorstellet. Es war aber das archetypum, oder das rechte Grund-Muster die Heil. Schrift; als worauf Timotheus schon von Kindheit an ge- führet war und von Paulo noch immer mehr an- gewiesen wurde. 1 Tim. 4, 16. 2 Tim. 3, 15. 16. 17.
3. Dieses Fürbild hielte überhaupt in sich logous [i]giainontas Worte, oder Lehren, welche an sich rein, richtig und gesund sind, und aus der Wirckung des Heil. Geistes die Kraft ha- ben, den Menschen der Seele nach dergestalt gesund zu machen, daß er zuvorderst aus dem geistlichen Tode erwecket wird, und wie zum geist- lichen Leben, also damit zugleich auch zu den rech- ten Lebens-Kräften in Erneuerung des Ebenbil- des GOttes gelangen kan. Siehe dergleichen Re- dens-Arten von der gesunden und gesundma- chenden Lehre 1 Tim. 1, 10. c. 6, 5. 2 Tim. 4, 3. Tit. 1, 9. c. 2, 1. 2. das Gegentheil von der un- gesunden Lehre 1 Tim. 6, 4. und 2 Tim. 2, 17. da gesaget wird, daß die falsche Lehre wie der Krebs um sich greifet.
4. Die Haupt-Summa des Fürbildes heilsamer Worte setzet der Apostel im Glauben und in der Liebe, und also auch in den creden- dis, in dem Glauben des Hertzens, welcher sich hält an die Glaubens-Lehren; und in den agen- dis, in dem thätigen Beweise des Glaubens durch die Liebe in allen Pflichten gegen GOtt, uns selbst und den Nechsten: gleichwie es 1 Tim. 1, 5. hieß, daß die Haupt-Summa des Gebots oder von Timotheo zuthuenden Vortrages sey die Liebe vom ungefärbten Glauben, da- bey sich ein reines Hertz und gutes Gewissen findet.
5. Die Redens-Art: in Christo JEsu, ist, wie schon öfters erinnert, Paulo sonderlich eigen; als damit er auf die genaue Vereinigung
der
Erklaͤrung des andern Briefes Pauli C. 1. v. 12. 13
[Spaltenumbruch]
ſondern es muß ein ieglicher, obgleich in unter- ſchiedlichem Maaße, mit Paulo aus gewiſſer Er- kenntniß und Uberzeugung ſagen koͤnnen: Jch weiß, an wen ich glaube: Wie denn der Glaube ein goͤttliches Licht in der Seele iſt, und auch ὑπόστασις und ἔλεγχος Hebr. 10, 1. eine gruͤndliche fuͤr ſich ſelbſt veſt beſtehende Uberzeu- gung.
3. Es darf demnach ein Chriſt, wie im gan- tzen Gnaden-Stande, alſo auch inſonderheit, wenn es mit ihm zum ſterben koͤmmt, nicht an ſeiner Seligkeit zweifeln, vielweniger ſich eines Fegfeuers befuͤrchten; ſondern er kan ſeiner wie ſchon gegenwaͤrtigen, alſo auch der noch kuͤnfti- gen Seligkeit gewiß ſeyn: ſintemal Paulus in dieſem Stuͤcke nichts anders voraus hat, als was etwa in einem hoͤhern Grad beſtehet. Sie- he auch Roͤm. 8. 38.
4. Es wird aber die Gewißheit der Selig- keit nicht anders erlanget und erhalten, als in der Ordnung der beſtaͤndigen Beharrung mit einem guten Gewiſſen im Laufe der Erneue- rung: welchen Sinn und Vorſatz wahre Kinder GOttes aus der Gnade haben.
5. Und gleichwie auf ihrer Seite ſich der Vorſatz der Beharrung und guten Anlegung der ſchon zum Theil geſchenckten guten Beylage be- ſindet; ſo wird dieſer dadurch vortreflich beve- ſtiget, daß GOTT auf ſeiner Seite ſo getreue iſt, daß er will, und ſo maͤchtig, daß er kan, uns im Stande der Gnaden bewahren. Darum Petrus Ep. 1. c. 1, 15. ſchreibet von einem un- vergaͤnglichen, unbefleckten und unver- welcklichen Erbe, das behalten wird im Himmel denen, die aus GOttes Macht durch den Glauben bewahret werden zur Seligkeit. Alwo die Macht GOTTES mit der Ordnung des beharrlichen Glaubens auf Seiten des Menſchen auch gar ſchoͤn ver- bunden wird, wie im gegenwaͤrtigen Texte ge- ſchiehet. Siehe auch Joh. 10, 28. 29.
6. Es haben ſich ſonderlich krancke und ſterbende dieſen Text wohl zu mercken, und zwar ſchon bey Zeiten bey geſunden Tagen, und ihn alſo zu faſſen, daß er ihnen hernach deſtomehr im Sinn liege und deſto mehrere Glaubens- Staͤrckung gebe.
7. Von der gantzen Redens-Art: bewah- ren bis an jenen Tag, ſiehe die Anmerckung uͤber 1 Tim. 6, 14.
V. 13.
Halte an dem Fuͤrbilde (dem Muſter oder Vorſchrift und dem Begriff) der heilſa- men Worte (der im Worte vorgetragenen ge- ſunden und geiſtlich geſundmachenden Lehren) die du von mir (der ich in der Lehre dein geiſt- licher Vater worden bin, mit aller Aufmerck- ſamkeit alſo) gehoͤret haſt (alſo, daß du dein hoͤren ἀκοὴν haſt kommen laſſen zur [fremdsprachliches Material]πακοῆ, zum glaͤubigen Gehorſam) vom Glauben und von der Liebe, (als den beyden rechten Haupt- Stuͤcken des Fuͤrbildes der Lehre) in Chriſto JESU (als dem rechten Grunde von bey- den.)
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.
1. Es verdienet dieſer Vers ſeiner be- ſondern Wichtigkeit wegen etwas genauer be- trachtet zu werden. Er haͤlt aber dieſe drey Saͤ- tze in ſich:
a.Das Fuͤrbild der Lehre beſtehet im Glauben und in der Liebe in Chriſto JEſu.
b.Dieſes Fuͤrbild der Lehre hatte Timo- theus von Paulo gehoͤret.
c.Timotheus ſolte an dem gehoͤrten Fuͤrbilde der Lehre halten.
2. Ύποτύπωσις, Fuͤrbild iſt alhier ein ſol- cher Begriff der Chriſtlichen Lehre, in welcher al- le deſſelben Haupt-Stuͤcke nach ihrer Analogie, oder Verbindung, die ſie untereinander haben, recht nachdruͤcklich verfaſſet ſind, alſo daß daraus alles, was zum Grunde und der Ordnung des Heyls gehoͤrete, konte leichtlich erkannt und beur- theilet werden, wie ein gemachtes Bild aus der Perſon des lebendigen Menſchen. Und alſo war es ein Exempel, oder ein lebendiges Muſter, dar- nach man ſich richten konte; wie dis Wort auch 1 Tim. 1, 16. genommen wird, da Paulus ſich al- len bußfertigen und bekehrten Suͤndern, zum Fuͤrbilde nach der empfangenen Gnade GOttes vorſtellet. Es war aber das archetypum, oder das rechte Grund-Muſter die Heil. Schrift; als worauf Timotheus ſchon von Kindheit an ge- fuͤhret war und von Paulo noch immer mehr an- gewieſen wurde. 1 Tim. 4, 16. 2 Tim. 3, 15. 16. 17.
3. Dieſes Fuͤrbild hielte uͤberhaupt in ſich λόγους [ἱ]γιαίνοντας Worte, oder Lehren, welche an ſich rein, richtig und geſund ſind, und aus der Wirckung des Heil. Geiſtes die Kraft ha- ben, den Menſchen der Seele nach dergeſtalt geſund zu machen, daß er zuvorderſt aus dem geiſtlichen Tode erwecket wird, und wie zum geiſt- lichen Leben, alſo damit zugleich auch zu den rech- ten Lebens-Kraͤften in Erneuerung des Ebenbil- des GOttes gelangen kan. Siehe dergleichen Re- dens-Arten von der geſunden und geſundma- chenden Lehre 1 Tim. 1, 10. c. 6, 5. 2 Tim. 4, 3. Tit. 1, 9. c. 2, 1. 2. das Gegentheil von der un- geſunden Lehre 1 Tim. 6, 4. und 2 Tim. 2, 17. da geſaget wird, daß die falſche Lehre wie der Krebs um ſich greifet.
4. Die Haupt-Summa des Fuͤrbildes heilſamer Worte ſetzet der Apoſtel im Glauben und in der Liebe, und alſo auch in den creden- dis, in dem Glauben des Hertzens, welcher ſich haͤlt an die Glaubens-Lehren; und in den agen- dis, in dem thaͤtigen Beweiſe des Glaubens durch die Liebe in allen Pflichten gegen GOtt, uns ſelbſt und den Nechſten: gleichwie es 1 Tim. 1, 5. hieß, daß die Haupt-Summa des Gebots oder von Timotheo zuthuenden Vortrages ſey die Liebe vom ungefaͤrbten Glauben, da- bey ſich ein reines Hertz und gutes Gewiſſen findet.
5. Die Redens-Art: in Chriſto JEſu, iſt, wie ſchon oͤfters erinnert, Paulo ſonderlich eigen; als damit er auf die genaue Vereinigung
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[152/0154]
Erklaͤrung des andern Briefes Pauli C. 1. v. 12. 13
ſondern es muß ein ieglicher, obgleich in unter-
ſchiedlichem Maaße, mit Paulo aus gewiſſer Er-
kenntniß und Uberzeugung ſagen koͤnnen: Jch
weiß, an wen ich glaube: Wie denn der
Glaube ein goͤttliches Licht in der Seele iſt, und
auch ὑπόστασις und ἔλεγχος Hebr. 10, 1. eine
gruͤndliche fuͤr ſich ſelbſt veſt beſtehende Uberzeu-
gung.
3. Es darf demnach ein Chriſt, wie im gan-
tzen Gnaden-Stande, alſo auch inſonderheit,
wenn es mit ihm zum ſterben koͤmmt, nicht an
ſeiner Seligkeit zweifeln, vielweniger ſich eines
Fegfeuers befuͤrchten; ſondern er kan ſeiner wie
ſchon gegenwaͤrtigen, alſo auch der noch kuͤnfti-
gen Seligkeit gewiß ſeyn: ſintemal Paulus in
dieſem Stuͤcke nichts anders voraus hat, als
was etwa in einem hoͤhern Grad beſtehet. Sie-
he auch Roͤm. 8. 38.
4. Es wird aber die Gewißheit der Selig-
keit nicht anders erlanget und erhalten, als in
der Ordnung der beſtaͤndigen Beharrung mit
einem guten Gewiſſen im Laufe der Erneue-
rung: welchen Sinn und Vorſatz wahre Kinder
GOttes aus der Gnade haben.
5. Und gleichwie auf ihrer Seite ſich der
Vorſatz der Beharrung und guten Anlegung der
ſchon zum Theil geſchenckten guten Beylage be-
ſindet; ſo wird dieſer dadurch vortreflich beve-
ſtiget, daß GOTT auf ſeiner Seite ſo getreue
iſt, daß er will, und ſo maͤchtig, daß er kan, uns
im Stande der Gnaden bewahren. Darum
Petrus Ep. 1. c. 1, 15. ſchreibet von einem un-
vergaͤnglichen, unbefleckten und unver-
welcklichen Erbe, das behalten wird im
Himmel denen, die aus GOttes Macht
durch den Glauben bewahret werden zur
Seligkeit. Alwo die Macht GOTTES
mit der Ordnung des beharrlichen Glaubens
auf Seiten des Menſchen auch gar ſchoͤn ver-
bunden wird, wie im gegenwaͤrtigen Texte ge-
ſchiehet. Siehe auch Joh. 10, 28. 29.
6. Es haben ſich ſonderlich krancke und
ſterbende dieſen Text wohl zu mercken, und
zwar ſchon bey Zeiten bey geſunden Tagen, und
ihn alſo zu faſſen, daß er ihnen hernach deſtomehr
im Sinn liege und deſto mehrere Glaubens-
Staͤrckung gebe.
7. Von der gantzen Redens-Art: bewah-
ren bis an jenen Tag, ſiehe die Anmerckung
uͤber 1 Tim. 6, 14.
V. 13.
Halte an dem Fuͤrbilde (dem Muſter
oder Vorſchrift und dem Begriff) der heilſa-
men Worte (der im Worte vorgetragenen ge-
ſunden und geiſtlich geſundmachenden Lehren)
die du von mir (der ich in der Lehre dein geiſt-
licher Vater worden bin, mit aller Aufmerck-
ſamkeit alſo) gehoͤret haſt (alſo, daß du dein
hoͤren ἀκοὴν haſt kommen laſſen zur _ πακοῆ,
zum glaͤubigen Gehorſam) vom Glauben und
von der Liebe, (als den beyden rechten Haupt-
Stuͤcken des Fuͤrbildes der Lehre) in Chriſto
JESU (als dem rechten Grunde von bey-
den.)
Anmerckungen.
1. Es verdienet dieſer Vers ſeiner be-
ſondern Wichtigkeit wegen etwas genauer be-
trachtet zu werden. Er haͤlt aber dieſe drey Saͤ-
tze in ſich:
a. Das Fuͤrbild der Lehre beſtehet im
Glauben und in der Liebe in Chriſto
JEſu.
b. Dieſes Fuͤrbild der Lehre hatte Timo-
theus von Paulo gehoͤret.
c. Timotheus ſolte an dem gehoͤrten
Fuͤrbilde der Lehre halten.
2. Ύποτύπωσις, Fuͤrbild iſt alhier ein ſol-
cher Begriff der Chriſtlichen Lehre, in welcher al-
le deſſelben Haupt-Stuͤcke nach ihrer Analogie,
oder Verbindung, die ſie untereinander haben,
recht nachdruͤcklich verfaſſet ſind, alſo daß daraus
alles, was zum Grunde und der Ordnung des
Heyls gehoͤrete, konte leichtlich erkannt und beur-
theilet werden, wie ein gemachtes Bild aus der
Perſon des lebendigen Menſchen. Und alſo war
es ein Exempel, oder ein lebendiges Muſter, dar-
nach man ſich richten konte; wie dis Wort auch
1 Tim. 1, 16. genommen wird, da Paulus ſich al-
len bußfertigen und bekehrten Suͤndern, zum
Fuͤrbilde nach der empfangenen Gnade GOttes
vorſtellet. Es war aber das archetypum, oder
das rechte Grund-Muſter die Heil. Schrift; als
worauf Timotheus ſchon von Kindheit an ge-
fuͤhret war und von Paulo noch immer mehr an-
gewieſen wurde. 1 Tim. 4, 16. 2 Tim. 3, 15.
16. 17.
3. Dieſes Fuͤrbild hielte uͤberhaupt in ſich
λόγους ἱγιαίνοντας Worte, oder Lehren, welche
an ſich rein, richtig und geſund ſind, und aus
der Wirckung des Heil. Geiſtes die Kraft ha-
ben, den Menſchen der Seele nach dergeſtalt
geſund zu machen, daß er zuvorderſt aus dem
geiſtlichen Tode erwecket wird, und wie zum geiſt-
lichen Leben, alſo damit zugleich auch zu den rech-
ten Lebens-Kraͤften in Erneuerung des Ebenbil-
des GOttes gelangen kan. Siehe dergleichen Re-
dens-Arten von der geſunden und geſundma-
chenden Lehre 1 Tim. 1, 10. c. 6, 5. 2 Tim. 4, 3.
Tit. 1, 9. c. 2, 1. 2. das Gegentheil von der un-
geſunden Lehre 1 Tim. 6, 4. und 2 Tim. 2, 17.
da geſaget wird, daß die falſche Lehre wie der
Krebs um ſich greifet.
4. Die Haupt-Summa des Fuͤrbildes
heilſamer Worte ſetzet der Apoſtel im Glauben
und in der Liebe, und alſo auch in den creden-
dis, in dem Glauben des Hertzens, welcher ſich
haͤlt an die Glaubens-Lehren; und in den agen-
dis, in dem thaͤtigen Beweiſe des Glaubens
durch die Liebe in allen Pflichten gegen GOtt,
uns ſelbſt und den Nechſten: gleichwie es 1 Tim.
1, 5. hieß, daß die Haupt-Summa des Gebots
oder von Timotheo zuthuenden Vortrages ſey
die Liebe vom ungefaͤrbten Glauben, da-
bey ſich ein reines Hertz und gutes Gewiſſen
findet.
5. Die Redens-Art: in Chriſto JEſu,
iſt, wie ſchon oͤfters erinnert, Paulo ſonderlich
eigen; als damit er auf die genaue Vereinigung
der
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/154>, abgerufen am 15.06.2024.
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