Erklärung des ersten Briefes Pauli C. 1. v. 19. 20.
[Spaltenumbruch]
5. Jst das gantze Christenthum nichts an- ders als ein Streit 1 B. Mos. 3, 15. so hat sich ein Lehrer noch weniger etwas anders vorzustel- len; als der nebst seiner gemeinen Christenpflicht auch seines Amts wegen manchen Kampf über sich zu nehmen hat.
6. Es muß aber der Streit seyn ein guter, der seine rechte Gute hat nicht allein in der guten Sache selbst, sondern auch in der rechten Art und Weise, wie er muß geführet werden; und auch in dem siegreichen Ausgange. Mancher streitet zwar, aber leider also daß er an dieser drey- fachen, oder doch an der mittlern Eigenschaft des Kampfes fehlet: welches denn auch der letztern zum Nachtheil gereichet. Welcher Lehrer aber in seinem Amte gar von keinem geistlichen Streite weiß, daß ihm nemlich der Satan durch seine Werckzeuge dieses und jenes in den Weg leget, der hat sich zu prüfen, ob er auch Pauli und Ti- mothei Sinn habe und ihre Lehre in der Lauter- keit führe. Man sehe sonst von dem geistlichen Streite Luc. 13, 14. 1 Cor. 9, 25. 26. 2 Cor. 10, 4. 5. Eph. 6, 12. u. f. Philipp. 3, 7. u. f. 1 Tim. 6, 11. 12. 2 Tim. 2, 3. 4. 4, 7. 8. u. s. w.
V. 19.
Und habest (also daß du bewahrest und behaltest) den Glauben (den wahren und unge- färbten V. 5.) und gutes Gewissen (in einem reinen Hertzen bey Ausübung der Liebe V. 5.) welche (welches, nemlich das gute Gewissen) etliche (insonderheit zu Ephesus) von sich ge- stossen (mit Unterlassung der Pflichten der Liebe, und mit Begehung der dawider streitenden Sün- den; und es also muthwillig verletzet haben) und am Glauben (welcher im guten Gewissen be- wahret werden muß 1 Tim 3, 9.) Schiffbruch erlitten (also daß sie ihre theure Beylage ver- loren haben.)
Anmerckungen.
1. Glauben und gutes Gewissen gehören zusammen; denn ohne Glauben an Christum kömmt man nicht zum guten Gewissen, und ohne ein gutes Gewissen wird der Glaube nicht behalten: wie denn auch das Geheimniß des Glaubens nur in einem guten Gewissen statt hat. Cap. 3, 9. Siehe was vom Glauben und gutem Gewissen oben V. 5. vorkömmt.
2. Das Verbum ekhein, haben, heißt alhie soviel als katekhein bewahren, und veste halten was man hat, nach Offenb. 2, 25. 3, 11. sintemal Timotheus beydes, Glauben und gutes Gewis- sen, nicht erst überkommen soll, sondern schon hatte; dieses haben auch dem Verlust, da man um diese theure Beylage kömmt, ja sie gar von sich stosset, entgegen gesetzet wird. Jn diesem Nach- druck stehet das Wort ekhein auch 2 Tim. 1, 13. upotuposin ekhe ugiainonton logon, da es Lu- therus gar fein gegeben hat: Halte an dem Vorbilde u. s. w.
3. Da der Apostel nach der Meldung der guten Ritterschaft, oder des siegreichen Streits, so fort der Bewahrung des Glau- bens und des guten Gewissens gedencket, so zeiget er damit an, wie daß eben dieses fürnehm- [Spaltenumbruch]
lich zu jenem Gehöre. Wie er denn auch daher in der Ermahnung zum geistlichen Kampfe Eph. 6, 16. spricht: Vor allen Dingen ergreifet den Schild des Glaubens,
4. Ein Christ kan und soll im Stande der Gnaden bis an sein seligs Ende beharren; als welches die Bewahrung des Glaubens und guten Gewissens mit sich bringet, und wozu hier Timotheus ermahnet ist. Und ist hingegen der Satz, daß kein Widergeborner sich vor muth- willigen Sünden beständig hüten, und im Stan- de der Gnaden bis an sein seliges Ende verharren könne, recht Epicurisch.
5. So billig und möglich die Beharrung gleich ist; so ist es doch gleichwol auch möglich, daß einer, der da stehet, falle: als welches Paulus alhie von ihrer etlichen saget. Denn daß sie vorher müssen in der Gnade gestanden haben, das siehet man daraus, daß sie glauben und gutes Gewissen gehabt, aber beydes verloren haben; woraus denn auch der wirckliche Rückfall offen- bar ist.
6. Was das Auge ist dem Haupte, und das Hertz dem Leibe, das ist das Gewissen dem Glauben und gantzen Christenthum. Es ist sehr zart und muß daher wohl bewahret werden.
7. Das gute Gewissen ist gleichsam wie ein Schiff, und der Glaube mit allen übrigen Heyls-Gütern gleichsam wie eine kostbare La- dung. Daher man sehen muß, daß man, zu- mal bey erregten Sturm, damit unverletzt in den Hafen des ewigen Lebens einlaufe.
V. 20.
Unter welchen ist Hymenäus und Alexander, welche ich (aus Apostolischer Macht) habe dem Satan übergeben, daß sie gezüchtiget würden, nicht mehr zu lästern (hingegen aber die verlästerte Wahrheit zu ihrer Seligkeit anzunehmen.)
Anmerckungen.
1. Es ist bey diesem Orte zu mercken a. die- ser Leute ihre Sünde: b. ihre Strafe: c. der Zweck derselben; d. ob er mit der Strafe erhal- ten worden: e. die apostolische Macht bey sol- cher Strafe.
2. Jhre Sünde war theils in der Lehre, daß sie die Haupt-Summa des Gebots, nemlich Liebe von reinem Hertzen u. s. w. nach v. 3. 4. 5. fahren lassen, und dagegen auf allerhand Jrr- thümer, insonderheit auf jüdische Fabeln, auch unnütze Fragen und Geschlecht-Register gefal- len: theils im Leben, daß sie durch herrschen- de Sünden das gute Gewissen von sich gestossen und also daher am Glauben Schiffbruch erlit- ten, und die apostolische Wahrheit auf man- cherley Art verlästert hatten. Wie denn irri- ge Lehre und gottlos Leben gemeiniglich bey einander ist.
3. Vom Hymaenaeo finden wir 2 Tim. 2, 17. daß er auch die Auferstehung von den Tod- ten geleugnet, und mit solcher losen Lehre, die wie ein Krebs um sich gefressen, nebst dem Phi- leto vieler Glauben verkehret habe. Was den
Alexan-
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 1. v. 19. 20.
[Spaltenumbruch]
5. Jſt das gantze Chriſtenthum nichts an- ders als ein Streit 1 B. Moſ. 3, 15. ſo hat ſich ein Lehrer noch weniger etwas anders vorzuſtel- len; als der nebſt ſeiner gemeinen Chriſtenpflicht auch ſeines Amts wegen manchen Kampf uͤber ſich zu nehmen hat.
6. Es muß aber der Streit ſeyn ein guter, der ſeine rechte Gůte hat nicht allein in der guten Sache ſelbſt, ſondern auch in der rechten Art und Weiſe, wie er muß gefuͤhret werden; und auch in dem ſiegreichen Ausgange. Mancher ſtreitet zwar, aber leider alſo daß er an dieſer drey- fachen, oder doch an der mittlern Eigenſchaft des Kampfes fehlet: welches denn auch der letztern zum Nachtheil gereichet. Welcher Lehrer aber in ſeinem Amte gar von keinem geiſtlichen Streite weiß, daß ihm nemlich der Satan durch ſeine Werckzeuge dieſes und jenes in den Weg leget, der hat ſich zu pruͤfen, ob er auch Pauli und Ti- mothei Sinn habe und ihre Lehre in der Lauter- keit fuͤhre. Man ſehe ſonſt von dem geiſtlichen Streite Luc. 13, 14. 1 Cor. 9, 25. 26. 2 Cor. 10, 4. 5. Eph. 6, 12. u. f. Philipp. 3, 7. u. f. 1 Tim. 6, 11. 12. 2 Tim. 2, 3. 4. 4, 7. 8. u. ſ. w.
V. 19.
Und habeſt (alſo daß du bewahreſt und behalteſt) den Glauben (den wahren und unge- faͤrbten V. 5.) und gutes Gewiſſen (in einem reinen Hertzen bey Ausuͤbung der Liebe V. 5.) welche (welches, nemlich das gute Gewiſſen) etliche (inſonderheit zu Epheſus) von ſich ge- ſtoſſen (mit Unterlaſſung der Pflichten der Liebe, und mit Begehung der dawider ſtreitenden Suͤn- den; und es alſo muthwillig verletzet haben) und am Glauben (welcher im guten Gewiſſen be- wahret werden muß 1 Tim 3, 9.) Schiffbruch erlitten (alſo daß ſie ihre theure Beylage ver- loren haben.)
Anmerckungen.
1. Glauben und gutes Gewiſſen gehoͤren zuſammen; denn ohne Glauben an Chriſtum koͤmmt man nicht zum guten Gewiſſen, und ohne ein gutes Gewiſſen wird der Glaube nicht behalten: wie denn auch das Geheimniß des Glaubens nur in einem guten Gewiſſen ſtatt hat. Cap. 3, 9. Siehe was vom Glauben und gutem Gewiſſen oben V. 5. vorkoͤmmt.
2. Das Verbum ἔχειν, haben, heißt alhie ſoviel als κατέχειν bewahren, und veſte halten was man hat, nach Offenb. 2, 25. 3, 11. ſintemal Timotheus beydes, Glauben und gutes Gewiſ- ſen, nicht erſt uͤberkommen ſoll, ſondern ſchon hatte; dieſes haben auch dem Verluſt, da man um dieſe theure Beylage koͤmmt, ja ſie gar von ſich ſtoſſet, entgegen geſetzet wird. Jn dieſem Nach- druck ſtehet das Wort ἔχειν auch 2 Tim. 1, 13. ὑποτύπωσιν ἔχε ὑγιαινόντων λόγων, da es Lu- therus gar fein gegeben hat: Halte an dem Vorbilde u. ſ. w.
3. Da der Apoſtel nach der Meldung der guten Ritterſchaft, oder des ſiegreichen Streits, ſo fort der Bewahrung des Glau- bens und des guten Gewiſſens gedencket, ſo zeiget er damit an, wie daß eben dieſes fuͤrnehm- [Spaltenumbruch]
lich zu jenem Gehoͤre. Wie er denn auch daher in der Ermahnung zum geiſtlichen Kampfe Eph. 6, 16. ſpricht: Vor allen Dingen ergreifet den Schild des Glaubens,
4. Ein Chriſt kan und ſoll im Stande der Gnaden bis an ſein ſeligs Ende beharren; als welches die Bewahrung des Glaubens und guten Gewiſſens mit ſich bringet, und wozu hier Timotheus ermahnet iſt. Und iſt hingegen der Satz, daß kein Widergeborner ſich vor muth- willigen Suͤnden beſtaͤndig huͤten, und im Stan- de der Gnaden bis an ſein ſeliges Ende verharren koͤnne, recht Epicuriſch.
5. So billig und moͤglich die Beharrung gleich iſt; ſo iſt es doch gleichwol auch moͤglich, daß einer, der da ſtehet, falle: als welches Paulus alhie von ihrer etlichen ſaget. Denn daß ſie vorher muͤſſen in der Gnade geſtanden haben, das ſiehet man daraus, daß ſie glauben und gutes Gewiſſen gehabt, aber beydes verloren haben; woraus denn auch der wirckliche Ruͤckfall offen- bar iſt.
6. Was das Auge iſt dem Haupte, und das Hertz dem Leibe, das iſt das Gewiſſen dem Glauben und gantzen Chriſtenthum. Es iſt ſehr zart und muß daher wohl bewahret werden.
7. Das gute Gewiſſen iſt gleichſam wie ein Schiff, und der Glaube mit allen uͤbrigen Heyls-Guͤtern gleichſam wie eine koſtbare La- dung. Daher man ſehen muß, daß man, zu- mal bey erregten Sturm, damit unverletzt in den Hafen des ewigen Lebens einlaufe.
V. 20.
Unter welchen iſt Hymenaͤus und Alexander, welche ich (aus Apoſtoliſcher Macht) habe dem Satan uͤbergeben, daß ſie gezuͤchtiget wuͤrden, nicht mehr zu laͤſtern (hingegen aber die verlaͤſterte Wahrheit zu ihrer Seligkeit anzunehmen.)
Anmerckungen.
1. Es iſt bey dieſem Orte zu mercken a. die- ſer Leute ihre Suͤnde: b. ihre Strafe: c. der Zweck derſelben; d. ob er mit der Strafe erhal- ten worden: e. die apoſtoliſche Macht bey ſol- cher Strafe.
2. Jhre Suͤnde war theils in der Lehre, daß ſie die Haupt-Summa des Gebots, nemlich Liebe von reinem Hertzen u. ſ. w. nach v. 3. 4. 5. fahren laſſen, und dagegen auf allerhand Jrr- thuͤmer, inſonderheit auf juͤdiſche Fabeln, auch unnuͤtze Fragen und Geſchlecht-Regiſter gefal- len: theils im Leben, daß ſie durch herrſchen- de Suͤnden das gute Gewiſſen von ſich geſtoſſen und alſo daher am Glauben Schiffbruch erlit- ten, und die apoſtoliſche Wahrheit auf man- cherley Art verlaͤſtert hatten. Wie denn irri- ge Lehre und gottlos Leben gemeiniglich bey einander iſt.
3. Vom Hymænæo finden wir 2 Tim. 2, 17. daß er auch die Auferſtehung von den Tod- ten geleugnet, und mit ſolcher loſen Lehre, die wie ein Krebs um ſich gefreſſen, nebſt dem Phi- leto vieler Glauben verkehret habe. Was den
Alexan-
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[92/0094]
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 1. v. 19. 20.
5. Jſt das gantze Chriſtenthum nichts an-
ders als ein Streit 1 B. Moſ. 3, 15. ſo hat ſich
ein Lehrer noch weniger etwas anders vorzuſtel-
len; als der nebſt ſeiner gemeinen Chriſtenpflicht
auch ſeines Amts wegen manchen Kampf uͤber
ſich zu nehmen hat.
6. Es muß aber der Streit ſeyn ein guter,
der ſeine rechte Gůte hat nicht allein in der guten
Sache ſelbſt, ſondern auch in der rechten Art
und Weiſe, wie er muß gefuͤhret werden; und
auch in dem ſiegreichen Ausgange. Mancher
ſtreitet zwar, aber leider alſo daß er an dieſer drey-
fachen, oder doch an der mittlern Eigenſchaft des
Kampfes fehlet: welches denn auch der letztern
zum Nachtheil gereichet. Welcher Lehrer aber
in ſeinem Amte gar von keinem geiſtlichen Streite
weiß, daß ihm nemlich der Satan durch ſeine
Werckzeuge dieſes und jenes in den Weg leget,
der hat ſich zu pruͤfen, ob er auch Pauli und Ti-
mothei Sinn habe und ihre Lehre in der Lauter-
keit fuͤhre. Man ſehe ſonſt von dem geiſtlichen
Streite Luc. 13, 14. 1 Cor. 9, 25. 26. 2 Cor. 10,
4. 5. Eph. 6, 12. u. f. Philipp. 3, 7. u. f. 1 Tim. 6,
11. 12. 2 Tim. 2, 3. 4. 4, 7. 8. u. ſ. w.
V. 19.
Und habeſt (alſo daß du bewahreſt und
behalteſt) den Glauben (den wahren und unge-
faͤrbten V. 5.) und gutes Gewiſſen (in einem
reinen Hertzen bey Ausuͤbung der Liebe V. 5.)
welche (welches, nemlich das gute Gewiſſen)
etliche (inſonderheit zu Epheſus) von ſich ge-
ſtoſſen (mit Unterlaſſung der Pflichten der Liebe,
und mit Begehung der dawider ſtreitenden Suͤn-
den; und es alſo muthwillig verletzet haben) und
am Glauben (welcher im guten Gewiſſen be-
wahret werden muß 1 Tim 3, 9.) Schiffbruch
erlitten (alſo daß ſie ihre theure Beylage ver-
loren haben.)
Anmerckungen.
1. Glauben und gutes Gewiſſen gehoͤren
zuſammen; denn ohne Glauben an Chriſtum
koͤmmt man nicht zum guten Gewiſſen, und
ohne ein gutes Gewiſſen wird der Glaube nicht
behalten: wie denn auch das Geheimniß des
Glaubens nur in einem guten Gewiſſen ſtatt hat.
Cap. 3, 9. Siehe was vom Glauben und gutem
Gewiſſen oben V. 5. vorkoͤmmt.
2. Das Verbum ἔχειν, haben, heißt alhie
ſoviel als κατέχειν bewahren, und veſte halten
was man hat, nach Offenb. 2, 25. 3, 11. ſintemal
Timotheus beydes, Glauben und gutes Gewiſ-
ſen, nicht erſt uͤberkommen ſoll, ſondern ſchon
hatte; dieſes haben auch dem Verluſt, da man
um dieſe theure Beylage koͤmmt, ja ſie gar von ſich
ſtoſſet, entgegen geſetzet wird. Jn dieſem Nach-
druck ſtehet das Wort ἔχειν auch 2 Tim. 1, 13.
ὑποτύπωσιν ἔχε ὑγιαινόντων λόγων, da es Lu-
therus gar fein gegeben hat: Halte an dem
Vorbilde u. ſ. w.
3. Da der Apoſtel nach der Meldung der
guten Ritterſchaft, oder des ſiegreichen
Streits, ſo fort der Bewahrung des Glau-
bens und des guten Gewiſſens gedencket, ſo
zeiget er damit an, wie daß eben dieſes fuͤrnehm-
lich zu jenem Gehoͤre. Wie er denn auch daher
in der Ermahnung zum geiſtlichen Kampfe Eph.
6, 16. ſpricht: Vor allen Dingen ergreifet
den Schild des Glaubens,
4. Ein Chriſt kan und ſoll im Stande der
Gnaden bis an ſein ſeligs Ende beharren; als
welches die Bewahrung des Glaubens und
guten Gewiſſens mit ſich bringet, und wozu hier
Timotheus ermahnet iſt. Und iſt hingegen der
Satz, daß kein Widergeborner ſich vor muth-
willigen Suͤnden beſtaͤndig huͤten, und im Stan-
de der Gnaden bis an ſein ſeliges Ende verharren
koͤnne, recht Epicuriſch.
5. So billig und moͤglich die Beharrung
gleich iſt; ſo iſt es doch gleichwol auch moͤglich,
daß einer, der da ſtehet, falle: als welches
Paulus alhie von ihrer etlichen ſaget. Denn daß
ſie vorher muͤſſen in der Gnade geſtanden haben,
das ſiehet man daraus, daß ſie glauben und gutes
Gewiſſen gehabt, aber beydes verloren haben;
woraus denn auch der wirckliche Ruͤckfall offen-
bar iſt.
6. Was das Auge iſt dem Haupte, und
das Hertz dem Leibe, das iſt das Gewiſſen
dem Glauben und gantzen Chriſtenthum.
Es iſt ſehr zart und muß daher wohl bewahret
werden.
7. Das gute Gewiſſen iſt gleichſam wie
ein Schiff, und der Glaube mit allen uͤbrigen
Heyls-Guͤtern gleichſam wie eine koſtbare La-
dung. Daher man ſehen muß, daß man, zu-
mal bey erregten Sturm, damit unverletzt in den
Hafen des ewigen Lebens einlaufe.
V. 20.
Unter welchen iſt Hymenaͤus und
Alexander, welche ich (aus Apoſtoliſcher
Macht) habe dem Satan uͤbergeben, daß
ſie gezuͤchtiget wuͤrden, nicht mehr zu
laͤſtern (hingegen aber die verlaͤſterte Wahrheit
zu ihrer Seligkeit anzunehmen.)
Anmerckungen.
1. Es iſt bey dieſem Orte zu mercken a. die-
ſer Leute ihre Suͤnde: b. ihre Strafe: c. der
Zweck derſelben; d. ob er mit der Strafe erhal-
ten worden: e. die apoſtoliſche Macht bey ſol-
cher Strafe.
2. Jhre Suͤnde war theils in der Lehre,
daß ſie die Haupt-Summa des Gebots, nemlich
Liebe von reinem Hertzen u. ſ. w. nach v. 3. 4. 5.
fahren laſſen, und dagegen auf allerhand Jrr-
thuͤmer, inſonderheit auf juͤdiſche Fabeln, auch
unnuͤtze Fragen und Geſchlecht-Regiſter gefal-
len: theils im Leben, daß ſie durch herrſchen-
de Suͤnden das gute Gewiſſen von ſich geſtoſſen
und alſo daher am Glauben Schiffbruch erlit-
ten, und die apoſtoliſche Wahrheit auf man-
cherley Art verlaͤſtert hatten. Wie denn irri-
ge Lehre und gottlos Leben gemeiniglich bey
einander iſt.
3. Vom Hymænæo finden wir 2 Tim. 2,
17. daß er auch die Auferſtehung von den Tod-
ten geleugnet, und mit ſolcher loſen Lehre, die
wie ein Krebs um ſich gefreſſen, nebſt dem Phi-
leto vieler Glauben verkehret habe. Was den
Alexan-
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/94>, abgerufen am 16.06.2024.
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