dem Merkmal des gutgesinnten Herzens bezeichnet. Sie war in der ganzen Ge- sellschaft die Person, die mir am besten gefiel, und ich werde mir das Anerbieten ihrer Freundschaft zu nutze machen.
Endlich kam die Gräfin F*** für wel- che mir meine Tante viele Achtung zu ha- ben empfohlen hatte, weil ihr Gemahl meinem Oncle in seinem Processe viele Dienste leisten könne. Jch that alles, aber doch fühlte ich einen Unmuth über die Vorstellung, daß die Gefälligkeit der Nichte gegen die Frau des Ministers die Gerechtsamen des Oheims sollte stützen helfen. An seinem Platze würde ich we- der meine noch des Ministers Frau in die- se Sache mengen, sondern eine männliche Sache mit Männern behandeln. Der Mi- nister, den seine Frau führt, steht mir auch nicht an; doch ist alles dieses eine eingeführte Gewohnheitssache, worüber der eine nichts klagt, und der andre nicht stutzig wird.
Das Fräulein C*** und die Gräfin F*** blieben beym Abendessen. Die Un-
terredun-
G
dem Merkmal des gutgeſinnten Herzens bezeichnet. Sie war in der ganzen Ge- ſellſchaft die Perſon, die mir am beſten gefiel, und ich werde mir das Anerbieten ihrer Freundſchaft zu nutze machen.
Endlich kam die Graͤfin F*** fuͤr wel- che mir meine Tante viele Achtung zu ha- ben empfohlen hatte, weil ihr Gemahl meinem Oncle in ſeinem Proceſſe viele Dienſte leiſten koͤnne. Jch that alles, aber doch fuͤhlte ich einen Unmuth uͤber die Vorſtellung, daß die Gefaͤlligkeit der Nichte gegen die Frau des Miniſters die Gerechtſamen des Oheims ſollte ſtuͤtzen helfen. An ſeinem Platze wuͤrde ich we- der meine noch des Miniſters Frau in die- ſe Sache mengen, ſondern eine maͤnnliche Sache mit Maͤnnern behandeln. Der Mi- niſter, den ſeine Frau fuͤhrt, ſteht mir auch nicht an; doch iſt alles dieſes eine eingefuͤhrte Gewohnheitsſache, woruͤber der eine nichts klagt, und der andre nicht ſtutzig wird.
Das Fraͤulein C*** und die Graͤfin F*** blieben beym Abendeſſen. Die Un-
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dem Merkmal des gutgeſinnten Herzens
bezeichnet. Sie war in der ganzen Ge-
ſellſchaft die Perſon, die mir am beſten
gefiel, und ich werde mir das Anerbieten
ihrer Freundſchaft zu nutze machen.
Endlich kam die Graͤfin F*** fuͤr wel-
che mir meine Tante viele Achtung zu ha-
ben empfohlen hatte, weil ihr Gemahl
meinem Oncle in ſeinem Proceſſe viele
Dienſte leiſten koͤnne. Jch that alles,
aber doch fuͤhlte ich einen Unmuth uͤber
die Vorſtellung, daß die Gefaͤlligkeit der
Nichte gegen die Frau des Miniſters die
Gerechtſamen des Oheims ſollte ſtuͤtzen
helfen. An ſeinem Platze wuͤrde ich we-
der meine noch des Miniſters Frau in die-
ſe Sache mengen, ſondern eine maͤnnliche
Sache mit Maͤnnern behandeln. Der Mi-
niſter, den ſeine Frau fuͤhrt, ſteht mir
auch nicht an; doch iſt alles dieſes eine
eingefuͤhrte Gewohnheitsſache, woruͤber
der eine nichts klagt, und der andre
nicht ſtutzig wird.
Das Fraͤulein C*** und die Graͤfin
F*** blieben beym Abendeſſen. Die Un-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/123>, abgerufen am 29.04.2024.
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