Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Merkmal des gutgesinnten Herzens
bezeichnet. Sie war in der ganzen Ge-
sellschaft die Person, die mir am besten
gefiel, und ich werde mir das Anerbieten
ihrer Freundschaft zu nutze machen.

Endlich kam die Gräfin F*** für wel-
che mir meine Tante viele Achtung zu ha-
ben empfohlen hatte, weil ihr Gemahl
meinem Oncle in seinem Processe viele
Dienste leisten könne. Jch that alles,
aber doch fühlte ich einen Unmuth über
die Vorstellung, daß die Gefälligkeit der
Nichte gegen die Frau des Ministers die
Gerechtsamen des Oheims sollte stützen
helfen. An seinem Platze würde ich we-
der meine noch des Ministers Frau in die-
se Sache mengen, sondern eine männliche
Sache mit Männern behandeln. Der Mi-
nister, den seine Frau führt, steht mir
auch nicht an; doch ist alles dieses eine
eingeführte Gewohnheitssache, worüber
der eine nichts klagt, und der andre
nicht stutzig wird.

Das Fräulein C*** und die Gräfin
F*** blieben beym Abendessen. Die Un-

terredun-
G

dem Merkmal des gutgeſinnten Herzens
bezeichnet. Sie war in der ganzen Ge-
ſellſchaft die Perſon, die mir am beſten
gefiel, und ich werde mir das Anerbieten
ihrer Freundſchaft zu nutze machen.

Endlich kam die Graͤfin F*** fuͤr wel-
che mir meine Tante viele Achtung zu ha-
ben empfohlen hatte, weil ihr Gemahl
meinem Oncle in ſeinem Proceſſe viele
Dienſte leiſten koͤnne. Jch that alles,
aber doch fuͤhlte ich einen Unmuth uͤber
die Vorſtellung, daß die Gefaͤlligkeit der
Nichte gegen die Frau des Miniſters die
Gerechtſamen des Oheims ſollte ſtuͤtzen
helfen. An ſeinem Platze wuͤrde ich we-
der meine noch des Miniſters Frau in die-
ſe Sache mengen, ſondern eine maͤnnliche
Sache mit Maͤnnern behandeln. Der Mi-
niſter, den ſeine Frau fuͤhrt, ſteht mir
auch nicht an; doch iſt alles dieſes eine
eingefuͤhrte Gewohnheitsſache, woruͤber
der eine nichts klagt, und der andre
nicht ſtutzig wird.

Das Fraͤulein C*** und die Graͤfin
F*** blieben beym Abendeſſen. Die Un-

terredun-
G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0123" n="97"/>
dem Merkmal des gutge&#x017F;innten Herzens<lb/>
bezeichnet. Sie war in der ganzen Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft die Per&#x017F;on, die mir am be&#x017F;ten<lb/>
gefiel, und ich werde mir das Anerbieten<lb/>
ihrer Freund&#x017F;chaft zu nutze machen.</p><lb/>
          <p>Endlich kam die Gra&#x0364;fin F*** fu&#x0364;r wel-<lb/>
che mir meine Tante viele Achtung zu ha-<lb/>
ben empfohlen hatte, weil ihr Gemahl<lb/>
meinem Oncle in &#x017F;einem Proce&#x017F;&#x017F;e viele<lb/>
Dien&#x017F;te lei&#x017F;ten ko&#x0364;nne. Jch that alles,<lb/>
aber doch fu&#x0364;hlte ich einen Unmuth u&#x0364;ber<lb/>
die Vor&#x017F;tellung, daß die Gefa&#x0364;lligkeit der<lb/>
Nichte gegen die Frau des Mini&#x017F;ters die<lb/>
Gerecht&#x017F;amen des Oheims &#x017F;ollte &#x017F;tu&#x0364;tzen<lb/>
helfen. An &#x017F;einem Platze wu&#x0364;rde ich we-<lb/>
der meine noch des Mini&#x017F;ters Frau in die-<lb/>
&#x017F;e Sache mengen, &#x017F;ondern eine ma&#x0364;nnliche<lb/>
Sache mit Ma&#x0364;nnern behandeln. Der Mi-<lb/>
ni&#x017F;ter, den &#x017F;eine Frau fu&#x0364;hrt, &#x017F;teht mir<lb/>
auch nicht an; doch i&#x017F;t alles die&#x017F;es eine<lb/>
eingefu&#x0364;hrte Gewohnheits&#x017F;ache, woru&#x0364;ber<lb/>
der eine nichts klagt, und der andre<lb/>
nicht &#x017F;tutzig wird.</p><lb/>
          <p>Das Fra&#x0364;ulein C*** und die Gra&#x0364;fin<lb/>
F*** blieben beym Abende&#x017F;&#x017F;en. Die Un-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G</fw><fw place="bottom" type="catch">terredun-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0123] dem Merkmal des gutgeſinnten Herzens bezeichnet. Sie war in der ganzen Ge- ſellſchaft die Perſon, die mir am beſten gefiel, und ich werde mir das Anerbieten ihrer Freundſchaft zu nutze machen. Endlich kam die Graͤfin F*** fuͤr wel- che mir meine Tante viele Achtung zu ha- ben empfohlen hatte, weil ihr Gemahl meinem Oncle in ſeinem Proceſſe viele Dienſte leiſten koͤnne. Jch that alles, aber doch fuͤhlte ich einen Unmuth uͤber die Vorſtellung, daß die Gefaͤlligkeit der Nichte gegen die Frau des Miniſters die Gerechtſamen des Oheims ſollte ſtuͤtzen helfen. An ſeinem Platze wuͤrde ich we- der meine noch des Miniſters Frau in die- ſe Sache mengen, ſondern eine maͤnnliche Sache mit Maͤnnern behandeln. Der Mi- niſter, den ſeine Frau fuͤhrt, ſteht mir auch nicht an; doch iſt alles dieſes eine eingefuͤhrte Gewohnheitsſache, woruͤber der eine nichts klagt, und der andre nicht ſtutzig wird. Das Fraͤulein C*** und die Graͤfin F*** blieben beym Abendeſſen. Die Un- terredun- G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/123
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/123>, abgerufen am 29.04.2024.