Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Billigkeit nicht zufrieden; ich soll denken
und empfinden wie sie, ich soll freudig
über meinen wohlgerathnen Putz, glück-
lich durch den Beyfall der andern, und
entzückt über den Entwurf eines Soupe',
eines Bal's werden. Die Opera, weil
es die erste war, die ich sah, hätte mich
außer mir selbst setzen sollen, und der Him-
mel weis, was für elendes Vergnügen ich
in dem Lob des Fürsten habe finden sollen.
Alle Augenblicke wurde ich in der Comö-
die gefragt: Nun wie gefällts ihnen,
Fräulein?

Gut, sagte ich ganz gelassen; es ist
vollkommen nach der Jdee, die ich mir von
diesen Schauspielen machte. Da war
man mißvergnügt, und sah mich als eine
Person an, die nicht wisse was sie rede.
Es mag seyn, Emilia, daß es ein Fehler
meiner Empfindungen ist, daß ich die
Schauspiele nicht liebe, und ich halte es
für eine Wirkung des Eindrucks, den die
Beschreibung des Lächerlichen und Unna-
türlichen eines auf dem Schlachtfeld sin-
genden Generals und einer sterbenden

Liebha-

Billigkeit nicht zufrieden; ich ſoll denken
und empfinden wie ſie, ich ſoll freudig
uͤber meinen wohlgerathnen Putz, gluͤck-
lich durch den Beyfall der andern, und
entzuͤckt uͤber den Entwurf eines Soupe’,
eines Bal’s werden. Die Opera, weil
es die erſte war, die ich ſah, haͤtte mich
außer mir ſelbſt ſetzen ſollen, und der Him-
mel weis, was fuͤr elendes Vergnuͤgen ich
in dem Lob des Fuͤrſten habe finden ſollen.
Alle Augenblicke wurde ich in der Comoͤ-
die gefragt: Nun wie gefaͤllts ihnen,
Fraͤulein?

Gut, ſagte ich ganz gelaſſen; es iſt
vollkommen nach der Jdee, die ich mir von
dieſen Schauſpielen machte. Da war
man mißvergnuͤgt, und ſah mich als eine
Perſon an, die nicht wiſſe was ſie rede.
Es mag ſeyn, Emilia, daß es ein Fehler
meiner Empfindungen iſt, daß ich die
Schauſpiele nicht liebe, und ich halte es
fuͤr eine Wirkung des Eindrucks, den die
Beſchreibung des Laͤcherlichen und Unna-
tuͤrlichen eines auf dem Schlachtfeld ſin-
genden Generals und einer ſterbenden

Liebha-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0184" n="158"/>
Billigkeit nicht zufrieden; ich &#x017F;oll denken<lb/>
und empfinden wie &#x017F;ie, ich &#x017F;oll freudig<lb/>
u&#x0364;ber meinen wohlgerathnen Putz, glu&#x0364;ck-<lb/>
lich durch den Beyfall der andern, und<lb/>
entzu&#x0364;ckt u&#x0364;ber den Entwurf eines Soupe&#x2019;,<lb/>
eines Bal&#x2019;s werden. Die Opera, weil<lb/>
es die er&#x017F;te war, die ich &#x017F;ah, ha&#x0364;tte mich<lb/>
außer mir &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;etzen &#x017F;ollen, und der Him-<lb/>
mel weis, was fu&#x0364;r elendes Vergnu&#x0364;gen ich<lb/>
in dem Lob des Fu&#x0364;r&#x017F;ten habe finden &#x017F;ollen.<lb/>
Alle Augenblicke wurde ich in der Como&#x0364;-<lb/>
die gefragt: Nun wie gefa&#x0364;llts ihnen,<lb/>
Fra&#x0364;ulein?</p><lb/>
          <p>Gut, &#x017F;agte ich ganz gela&#x017F;&#x017F;en; es i&#x017F;t<lb/>
vollkommen nach der Jdee, die ich mir von<lb/>
die&#x017F;en Schau&#x017F;pielen machte. Da war<lb/>
man mißvergnu&#x0364;gt, und &#x017F;ah mich als eine<lb/>
Per&#x017F;on an, die nicht wi&#x017F;&#x017F;e was &#x017F;ie rede.<lb/>
Es mag &#x017F;eyn, Emilia, daß es ein Fehler<lb/>
meiner Empfindungen i&#x017F;t, daß ich die<lb/>
Schau&#x017F;piele nicht liebe, und ich halte es<lb/>
fu&#x0364;r eine Wirkung des Eindrucks, den die<lb/>
Be&#x017F;chreibung des La&#x0364;cherlichen und Unna-<lb/>
tu&#x0364;rlichen eines auf dem Schlachtfeld &#x017F;in-<lb/>
genden Generals und einer &#x017F;terbenden<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Liebha-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0184] Billigkeit nicht zufrieden; ich ſoll denken und empfinden wie ſie, ich ſoll freudig uͤber meinen wohlgerathnen Putz, gluͤck- lich durch den Beyfall der andern, und entzuͤckt uͤber den Entwurf eines Soupe’, eines Bal’s werden. Die Opera, weil es die erſte war, die ich ſah, haͤtte mich außer mir ſelbſt ſetzen ſollen, und der Him- mel weis, was fuͤr elendes Vergnuͤgen ich in dem Lob des Fuͤrſten habe finden ſollen. Alle Augenblicke wurde ich in der Comoͤ- die gefragt: Nun wie gefaͤllts ihnen, Fraͤulein? Gut, ſagte ich ganz gelaſſen; es iſt vollkommen nach der Jdee, die ich mir von dieſen Schauſpielen machte. Da war man mißvergnuͤgt, und ſah mich als eine Perſon an, die nicht wiſſe was ſie rede. Es mag ſeyn, Emilia, daß es ein Fehler meiner Empfindungen iſt, daß ich die Schauſpiele nicht liebe, und ich halte es fuͤr eine Wirkung des Eindrucks, den die Beſchreibung des Laͤcherlichen und Unna- tuͤrlichen eines auf dem Schlachtfeld ſin- genden Generals und einer ſterbenden Liebha-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/184
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/184>, abgerufen am 29.04.2024.