Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Fräulein R* betrachtete sie auf
eine beleidigende Weise, und meine Göt-
tin mochte unsere Verlegenheit gemerkt
haben, denn sie schwieg, wie wir, in ei-
nem fort, bis wir wieder zu Hause ka-
men. Jch eilte Abends fort, um meine
Nachrichten zu hören. Da erzählte mir
mein Kerl; Er hätte die Wirthin und die
Frau heulend über die Güte des Fräu-
leins angetroffen; die Frau sey dem Fräu-
lein ganz fremd gewesen, hätte sich über
das Anreden dieser Dame verwundert,
und wäre ihr mit sorgsamem Gesicht in
die Stube gefolgt, wohin sie sie mit den
Kindern geführt. Da hätte ihr das
Fräulein zugesprochen, sie um Ver-
gebung über ihr Zudringen gebeten,
und Hülfe angeboten, auch würklich
Geld gegeben, und nachdem sie erfah-
ren, daß sie nach D* gehe, und dort
wohne, hätte sie ihren Nahmen und
Aufenthalt der Frau aufgeschrieben,
und ihr auf das liebreichste fernere
Dienste versichert, auch bey der Wir-
thin eine gute Kutsche bestellt, welche

die

Das Fraͤulein R* betrachtete ſie auf
eine beleidigende Weiſe, und meine Goͤt-
tin mochte unſere Verlegenheit gemerkt
haben, denn ſie ſchwieg, wie wir, in ei-
nem fort, bis wir wieder zu Hauſe ka-
men. Jch eilte Abends fort, um meine
Nachrichten zu hoͤren. Da erzaͤhlte mir
mein Kerl; Er haͤtte die Wirthin und die
Frau heulend uͤber die Guͤte des Fraͤu-
leins angetroffen; die Frau ſey dem Fraͤu-
lein ganz fremd geweſen, haͤtte ſich uͤber
das Anreden dieſer Dame verwundert,
und waͤre ihr mit ſorgſamem Geſicht in
die Stube gefolgt, wohin ſie ſie mit den
Kindern gefuͤhrt. Da haͤtte ihr das
Fraͤulein zugeſprochen, ſie um Ver-
gebung uͤber ihr Zudringen gebeten,
und Huͤlfe angeboten, auch wuͤrklich
Geld gegeben, und nachdem ſie erfah-
ren, daß ſie nach D* gehe, und dort
wohne, haͤtte ſie ihren Nahmen und
Aufenthalt der Frau aufgeſchrieben,
und ihr auf das liebreichſte fernere
Dienſte verſichert, auch bey der Wir-
thin eine gute Kutſche beſtellt, welche

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0240" n="214"/>
          <p>Das Fra&#x0364;ulein R* betrachtete &#x017F;ie auf<lb/>
eine beleidigende Wei&#x017F;e, und meine Go&#x0364;t-<lb/>
tin mochte un&#x017F;ere Verlegenheit gemerkt<lb/>
haben, denn &#x017F;ie &#x017F;chwieg, wie wir, in ei-<lb/>
nem fort, bis wir wieder zu Hau&#x017F;e ka-<lb/>
men. Jch eilte Abends fort, um meine<lb/>
Nachrichten zu ho&#x0364;ren. Da erza&#x0364;hlte mir<lb/>
mein Kerl; Er ha&#x0364;tte die Wirthin und die<lb/>
Frau heulend u&#x0364;ber die Gu&#x0364;te des Fra&#x0364;u-<lb/>
leins angetroffen; die Frau &#x017F;ey dem Fra&#x0364;u-<lb/>
lein ganz fremd gewe&#x017F;en, ha&#x0364;tte &#x017F;ich u&#x0364;ber<lb/>
das Anreden die&#x017F;er Dame verwundert,<lb/>
und wa&#x0364;re ihr mit &#x017F;org&#x017F;amem Ge&#x017F;icht in<lb/>
die Stube gefolgt, wohin &#x017F;ie &#x017F;ie mit den<lb/>
Kindern gefu&#x0364;hrt. Da ha&#x0364;tte ihr das<lb/>
Fra&#x0364;ulein zuge&#x017F;prochen, &#x017F;ie um Ver-<lb/>
gebung u&#x0364;ber ihr Zudringen gebeten,<lb/>
und Hu&#x0364;lfe angeboten, auch wu&#x0364;rklich<lb/>
Geld gegeben, und nachdem &#x017F;ie erfah-<lb/>
ren, daß &#x017F;ie nach D* gehe, und dort<lb/>
wohne, ha&#x0364;tte &#x017F;ie ihren Nahmen und<lb/>
Aufenthalt der Frau aufge&#x017F;chrieben,<lb/>
und ihr auf das liebreich&#x017F;te fernere<lb/>
Dien&#x017F;te ver&#x017F;ichert, auch bey der Wir-<lb/>
thin eine gute Kut&#x017F;che be&#x017F;tellt, welche<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0240] Das Fraͤulein R* betrachtete ſie auf eine beleidigende Weiſe, und meine Goͤt- tin mochte unſere Verlegenheit gemerkt haben, denn ſie ſchwieg, wie wir, in ei- nem fort, bis wir wieder zu Hauſe ka- men. Jch eilte Abends fort, um meine Nachrichten zu hoͤren. Da erzaͤhlte mir mein Kerl; Er haͤtte die Wirthin und die Frau heulend uͤber die Guͤte des Fraͤu- leins angetroffen; die Frau ſey dem Fraͤu- lein ganz fremd geweſen, haͤtte ſich uͤber das Anreden dieſer Dame verwundert, und waͤre ihr mit ſorgſamem Geſicht in die Stube gefolgt, wohin ſie ſie mit den Kindern gefuͤhrt. Da haͤtte ihr das Fraͤulein zugeſprochen, ſie um Ver- gebung uͤber ihr Zudringen gebeten, und Huͤlfe angeboten, auch wuͤrklich Geld gegeben, und nachdem ſie erfah- ren, daß ſie nach D* gehe, und dort wohne, haͤtte ſie ihren Nahmen und Aufenthalt der Frau aufgeſchrieben, und ihr auf das liebreichſte fernere Dienſte verſichert, auch bey der Wir- thin eine gute Kutſche beſtellt, welche die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/240
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/240>, abgerufen am 04.05.2024.