"Jngleichem die Werkstätte der Künst- ler, deren Genie für Pracht und Vergnü- gen arbeitet, und alles dieses trüge viel dazu bey, ihre Unterredungen so ange- nehm und abwechselnd zu machen.
Da fühlte ich mit Unmuth die vor- zügliche Klugheit der französischen Eigen- liebe, die sich in so edle nützliche Aus- wüchse verbreitet. Jmmer genug, wenn man begierig ist die Blüthe der Bäume zu kennen; bald wird man auch den Wachs- thum und die Reife der Früchte erforschen wollen.
Wie viel hat diese Nation voraus, denn nichts wird schneller allgemein als der Geschmack des Frauenzimmers.
Warum brachten seit so vielen Jahren die meisten unserer Cavaliere von ihren Pa- riser Reisen ihren Schwestern und Ver- wandtinnen, unter tausenderley verderb- lichen Modenachrichten, nicht auch diese mit, die alles andere verbessert hätte? Aber da sie für sich nichts als lächerliche und schädliche Sachen sammeln, wie soll-
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„Jngleichem die Werkſtaͤtte der Kuͤnſt- ler, deren Genie fuͤr Pracht und Vergnuͤ- gen arbeitet, und alles dieſes truͤge viel dazu bey, ihre Unterredungen ſo ange- nehm und abwechſelnd zu machen.
Da fuͤhlte ich mit Unmuth die vor- zuͤgliche Klugheit der franzoͤſiſchen Eigen- liebe, die ſich in ſo edle nuͤtzliche Aus- wuͤchſe verbreitet. Jmmer genug, wenn man begierig iſt die Bluͤthe der Baͤume zu kennen; bald wird man auch den Wachs- thum und die Reife der Fruͤchte erforſchen wollen.
Wie viel hat dieſe Nation voraus, denn nichts wird ſchneller allgemein als der Geſchmack des Frauenzimmers.
Warum brachten ſeit ſo vielen Jahren die meiſten unſerer Cavaliere von ihren Pa- riſer Reiſen ihren Schweſtern und Ver- wandtinnen, unter tauſenderley verderb- lichen Modenachrichten, nicht auch dieſe mit, die alles andere verbeſſert haͤtte? Aber da ſie fuͤr ſich nichts als laͤcherliche und ſchaͤdliche Sachen ſammeln, wie ſoll-
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„Jngleichem die Werkſtaͤtte der Kuͤnſt-
ler, deren Genie fuͤr Pracht und Vergnuͤ-
gen arbeitet, und alles dieſes truͤge viel
dazu bey, ihre Unterredungen ſo ange-
nehm und abwechſelnd zu machen.
Da fuͤhlte ich mit Unmuth die vor-
zuͤgliche Klugheit der franzoͤſiſchen Eigen-
liebe, die ſich in ſo edle nuͤtzliche Aus-
wuͤchſe verbreitet. Jmmer genug, wenn
man begierig iſt die Bluͤthe der Baͤume zu
kennen; bald wird man auch den Wachs-
thum und die Reife der Fruͤchte erforſchen
wollen.
Wie viel hat dieſe Nation voraus,
denn nichts wird ſchneller allgemein als
der Geſchmack des Frauenzimmers.
Warum brachten ſeit ſo vielen Jahren
die meiſten unſerer Cavaliere von ihren Pa-
riſer Reiſen ihren Schweſtern und Ver-
wandtinnen, unter tauſenderley verderb-
lichen Modenachrichten, nicht auch dieſe
mit, die alles andere verbeſſert haͤtte?
Aber da ſie fuͤr ſich nichts als laͤcherliche
und ſchaͤdliche Sachen ſammeln, wie ſoll-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/255>, abgerufen am 15.05.2024.
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