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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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ne Schwester, wie übel bin ich mit deinem
vortrefflichen Herzen umgegangen! --

"P., was sagen Sie! und wie kön-
nen Sie mein Herz durch einen solchen
Vorwurf zerreissen? Wenn Sie edelmü-
thig sind: soll ich es nicht auch seyn?
soll ich die Augen über die Mienen des be-
nachbarten Adels zuschliessen?

Sie sollen es, wenn die Frage von
Jhrer Freude und Jhrem Glück ist.

"Was wollen Sie dann, daß ich
thun soll?

Daß Sie mich mit dem Auftrage zu-
rück reisen lassen, mit meiner Mutter von
meinem Wunsche zu sprechen, und daß
Sie zu uns kommen wollen, wenn ich
Jhnen ein Billet schicke.

Der Oberste konnte nicht mehr reden;
er umarmte den Baron. Dieser gieng
zurück, gerade zu seiner Frau Mutter,
bey welcher die beyden Fräulein und seine
Gemahlin waren. Er führte die ältere
Fräulein in ihr Zimmer, weil er ihr den
Bericht von seinem Besuch allein machen
wollte, und bat sie, ihn eine Zeitlang

bey

ne Schweſter, wie uͤbel bin ich mit deinem
vortrefflichen Herzen umgegangen! —

„P., was ſagen Sie! und wie koͤn-
nen Sie mein Herz durch einen ſolchen
Vorwurf zerreiſſen? Wenn Sie edelmuͤ-
thig ſind: ſoll ich es nicht auch ſeyn?
ſoll ich die Augen uͤber die Mienen des be-
nachbarten Adels zuſchlieſſen?

Sie ſollen es, wenn die Frage von
Jhrer Freude und Jhrem Gluͤck iſt.

„Was wollen Sie dann, daß ich
thun ſoll?

Daß Sie mich mit dem Auftrage zu-
ruͤck reiſen laſſen, mit meiner Mutter von
meinem Wunſche zu ſprechen, und daß
Sie zu uns kommen wollen, wenn ich
Jhnen ein Billet ſchicke.

Der Oberſte konnte nicht mehr reden;
er umarmte den Baron. Dieſer gieng
zuruͤck, gerade zu ſeiner Frau Mutter,
bey welcher die beyden Fraͤulein und ſeine
Gemahlin waren. Er fuͤhrte die aͤltere
Fraͤulein in ihr Zimmer, weil er ihr den
Bericht von ſeinem Beſuch allein machen
wollte, und bat ſie, ihn eine Zeitlang

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[28/0054] ne Schweſter, wie uͤbel bin ich mit deinem vortrefflichen Herzen umgegangen! — „P., was ſagen Sie! und wie koͤn- nen Sie mein Herz durch einen ſolchen Vorwurf zerreiſſen? Wenn Sie edelmuͤ- thig ſind: ſoll ich es nicht auch ſeyn? ſoll ich die Augen uͤber die Mienen des be- nachbarten Adels zuſchlieſſen? Sie ſollen es, wenn die Frage von Jhrer Freude und Jhrem Gluͤck iſt. „Was wollen Sie dann, daß ich thun ſoll? Daß Sie mich mit dem Auftrage zu- ruͤck reiſen laſſen, mit meiner Mutter von meinem Wunſche zu ſprechen, und daß Sie zu uns kommen wollen, wenn ich Jhnen ein Billet ſchicke. Der Oberſte konnte nicht mehr reden; er umarmte den Baron. Dieſer gieng zuruͤck, gerade zu ſeiner Frau Mutter, bey welcher die beyden Fraͤulein und ſeine Gemahlin waren. Er fuͤhrte die aͤltere Fraͤulein in ihr Zimmer, weil er ihr den Bericht von ſeinem Beſuch allein machen wollte, und bat ſie, ihn eine Zeitlang bey

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/54>, abgerufen am 29.04.2024.