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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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man sagen wird, du opferst deine Schwe-
ster einer übertriebenen Freundschaft auf,
und ich handle als Stiefmutter, da ich mei-
ne Einwilligung gebe?

"Liebe Mama! lassen Sie es immer
geschehen, unser Beweggrund wird uns
beruhigen, und das Glück meiner Schwe-
ster wird, neben den Verdiensten meines
Freundes, allein so deutlich in die Augen
glänzen, daß man aufhören wird, übel
zu denken."

Hierauf wurde Fräulein Sophie von
ihrem Bruder geholt. Sie warf sich ih-
rer Frau Mutter zu Füßen; die gute Da-
me umarmte sie: Liebe Fräulein Tochter,
sprach sie, Jhr Bruder hat mich versichert,
daß dieses Band nach Jhren Wünschen
wäre, sonst hätte ich nicht eingewilliget.
Es ist wahr, es fehlt dem Manne nichts
als eine edle Geburt. Aber, Gott segne
Sie beyde!

Jndessen war der Baron fort, er holte
den Obersten, welcher halb außer sich in
das Zimmer trat, aber gleich zu der alten
Dame gieng, ihr mit gebognem Knie die

Hände

man ſagen wird, du opferſt deine Schwe-
ſter einer uͤbertriebenen Freundſchaft auf,
und ich handle als Stiefmutter, da ich mei-
ne Einwilligung gebe?

„Liebe Mama! laſſen Sie es immer
geſchehen, unſer Beweggrund wird uns
beruhigen, und das Gluͤck meiner Schwe-
ſter wird, neben den Verdienſten meines
Freundes, allein ſo deutlich in die Augen
glaͤnzen, daß man aufhoͤren wird, uͤbel
zu denken.“

Hierauf wurde Fraͤulein Sophie von
ihrem Bruder geholt. Sie warf ſich ih-
rer Frau Mutter zu Fuͤßen; die gute Da-
me umarmte ſie: Liebe Fraͤulein Tochter,
ſprach ſie, Jhr Bruder hat mich verſichert,
daß dieſes Band nach Jhren Wuͤnſchen
waͤre, ſonſt haͤtte ich nicht eingewilliget.
Es iſt wahr, es fehlt dem Manne nichts
als eine edle Geburt. Aber, Gott ſegne
Sie beyde!

Jndeſſen war der Baron fort, er holte
den Oberſten, welcher halb außer ſich in
das Zimmer trat, aber gleich zu der alten
Dame gieng, ihr mit gebognem Knie die

Haͤnde
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[34/0060] man ſagen wird, du opferſt deine Schwe- ſter einer uͤbertriebenen Freundſchaft auf, und ich handle als Stiefmutter, da ich mei- ne Einwilligung gebe? „Liebe Mama! laſſen Sie es immer geſchehen, unſer Beweggrund wird uns beruhigen, und das Gluͤck meiner Schwe- ſter wird, neben den Verdienſten meines Freundes, allein ſo deutlich in die Augen glaͤnzen, daß man aufhoͤren wird, uͤbel zu denken.“ Hierauf wurde Fraͤulein Sophie von ihrem Bruder geholt. Sie warf ſich ih- rer Frau Mutter zu Fuͤßen; die gute Da- me umarmte ſie: Liebe Fraͤulein Tochter, ſprach ſie, Jhr Bruder hat mich verſichert, daß dieſes Band nach Jhren Wuͤnſchen waͤre, ſonſt haͤtte ich nicht eingewilliget. Es iſt wahr, es fehlt dem Manne nichts als eine edle Geburt. Aber, Gott ſegne Sie beyde! Jndeſſen war der Baron fort, er holte den Oberſten, welcher halb außer ſich in das Zimmer trat, aber gleich zu der alten Dame gieng, ihr mit gebognem Knie die Haͤnde

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/60>, abgerufen am 29.04.2024.