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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

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Musen und Weise.
einem Sophos zu haben. Sie scheinen mir noch sehr
unklare Begriffe von der Weisheit zu besitzen."

"Jch bitte um Entschuldigung," begann ich wieder,
"aber Sie nennen sich einen Philosophen, und da ich
doch diesen Namen einführte --"

"Sie führten ihn ein?" Der Philosoph fixierte
mich, er schien mich für etwas gestört zu halten.

"Ja," sagte ich, "ich bin nämlich Pythagoras."

"Mein Bester," sagte der Philosoph, "kommen Sie zu
sich. Das ist ja eine durchaus mythische Persönlichkeit!"

"Kurz und gut," fuhr ich fort, "ich glaubte, Sie be-
schäftigten sich ausschließlich mit den Weisen -- gibt es
denn gar keine mehr? Jch hörte doch, es habe einer
in Egmond gelebt und einer im Haag, einer auch in
Königsberg?"

"Die sind lange tot," sagte der Philosoph trocken.
"Jch muß Sie sehr bitten, die Philosophie nicht fort-
während mit einer praktischen Anwendung ethischer Grund-
sätze zu verwechseln. Die Philosophie ist heutzutage eine
Wissenschaft, und wenn Sie mein Buch gelesen hätten,
so würden Sie das wissen."

"Worüber schreiben denn aber meine Nachfolger, wenn
nicht über die Weisheit?" fragte ich.

"Über andere Philosophen!" rief er. "Und ich
rate Jhnen dringend, sich ein wenig in der Geschichte
der Wissenschaften umzusehen. Adien, Herr --"

"-- Pythagoras," sagte ich und ging.

"Jch begab mich direkt hieher; denn wo sollte ich die
Weisheit noch suchen? Um aber nicht ganz unverrichteter

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Muſen und Weiſe.
einem Sophos zu haben. Sie ſcheinen mir noch ſehr
unklare Begriffe von der Weisheit zu beſitzen.“

„Jch bitte um Entſchuldigung,“ begann ich wieder,
„aber Sie nennen ſich einen Philoſophen, und da ich
doch dieſen Namen einführte —“

Sie führten ihn ein?“ Der Philoſoph fixierte
mich, er ſchien mich für etwas geſtört zu halten.

„Ja,“ ſagte ich, „ich bin nämlich Pythagoras.“

„Mein Beſter,“ ſagte der Philoſoph, „kommen Sie zu
ſich. Das iſt ja eine durchaus mythiſche Perſönlichkeit!“

„Kurz und gut,“ fuhr ich fort, „ich glaubte, Sie be-
ſchäftigten ſich ausſchließlich mit den Weiſen — gibt es
denn gar keine mehr? Jch hörte doch, es habe einer
in Egmond gelebt und einer im Haag, einer auch in
Königsberg?“

„Die ſind lange tot,“ ſagte der Philoſoph trocken.
„Jch muß Sie ſehr bitten, die Philoſophie nicht fort-
während mit einer praktiſchen Anwendung ethiſcher Grund-
ſätze zu verwechſeln. Die Philoſophie iſt heutzutage eine
Wiſſenſchaft, und wenn Sie mein Buch geleſen hätten,
ſo würden Sie das wiſſen.“

„Worüber ſchreiben denn aber meine Nachfolger, wenn
nicht über die Weisheit?“ fragte ich.

„Über andere Philoſophen!“ rief er. „Und ich
rate Jhnen dringend, ſich ein wenig in der Geſchichte
der Wiſſenſchaften umzuſehen. Adien, Herr —“

„— Pythagoras,“ ſagte ich und ging.

„Jch begab mich direkt hieher; denn wo ſollte ich die
Weisheit noch ſuchen? Um aber nicht ganz unverrichteter

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[131/0137] Muſen und Weiſe. einem Sophos zu haben. Sie ſcheinen mir noch ſehr unklare Begriffe von der Weisheit zu beſitzen.“ „Jch bitte um Entſchuldigung,“ begann ich wieder, „aber Sie nennen ſich einen Philoſophen, und da ich doch dieſen Namen einführte —“ „Sie führten ihn ein?“ Der Philoſoph fixierte mich, er ſchien mich für etwas geſtört zu halten. „Ja,“ ſagte ich, „ich bin nämlich Pythagoras.“ „Mein Beſter,“ ſagte der Philoſoph, „kommen Sie zu ſich. Das iſt ja eine durchaus mythiſche Perſönlichkeit!“ „Kurz und gut,“ fuhr ich fort, „ich glaubte, Sie be- ſchäftigten ſich ausſchließlich mit den Weiſen — gibt es denn gar keine mehr? Jch hörte doch, es habe einer in Egmond gelebt und einer im Haag, einer auch in Königsberg?“ „Die ſind lange tot,“ ſagte der Philoſoph trocken. „Jch muß Sie ſehr bitten, die Philoſophie nicht fort- während mit einer praktiſchen Anwendung ethiſcher Grund- ſätze zu verwechſeln. Die Philoſophie iſt heutzutage eine Wiſſenſchaft, und wenn Sie mein Buch geleſen hätten, ſo würden Sie das wiſſen.“ „Worüber ſchreiben denn aber meine Nachfolger, wenn nicht über die Weisheit?“ fragte ich. „Über andere Philoſophen!“ rief er. „Und ich rate Jhnen dringend, ſich ein wenig in der Geſchichte der Wiſſenſchaften umzuſehen. Adien, Herr —“ „— Pythagoras,“ ſagte ich und ging. „Jch begab mich direkt hieher; denn wo ſollte ich die Weisheit noch ſuchen? Um aber nicht ganz unverrichteter 9*

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/137>, abgerufen am 27.04.2024.