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Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846.

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Die Bernsteinhexe.
Marie.
Das möcht' ich auch um Nichts in der Welt, aber --
Rüdiger.
Doch ein Aber?
Marie.
Ja, er ist doch garstig gegen alle anderen Menschen
und gegen meinen Vater und gegen den lieben Gott!
Rüdiger.
Was weiß denn Hinz, wie Kunz mit dem lieben Gott
steht. Mit dem hat Jeder seine eigne Liebschaft, und die
Zuschauer können's nicht beurtheilen.
Marie.
Ja, wenn Herr Wittich nur den lieben Gott liebte, da
wär's schon recht!
Rüdiger.
Wie närrisch! Ein so kluger Mann als Wittich, ein
Mann, der in Natur und Kunst so erfahren ist, wie kaum
ein Zweiter im Pommernlande, und soll die Größe Got-
tes verkennen. Gott nicht zu lieben, ist ja nicht blos
Nichtswürdigkeit, es ist ja auch Dummheit.
Marie.
Das mag wohl sein, aber die Diener Gottes mißhan-
delt er, das weiß ich gewiß. Damals, eh' der Schweden-
könig herüberkam über die See, und als die Kroaten ganz
Usedom aufgegessen hatten, als wir vor Krieg und Pesti-
lenz von Brombeeren leben und Tannenrinde für Brod
ansehen mußten, damals hat er's gezeigt, daß er nicht
Die Bernſteinhexe.
Marie.
Das moͤcht’ ich auch um Nichts in der Welt, aber —
Rüdiger.
Doch ein Aber?
Marie.
Ja, er iſt doch garſtig gegen alle anderen Menſchen
und gegen meinen Vater und gegen den lieben Gott!
Rüdiger.
Was weiß denn Hinz, wie Kunz mit dem lieben Gott
ſteht. Mit dem hat Jeder ſeine eigne Liebſchaft, und die
Zuſchauer koͤnnen’s nicht beurtheilen.
Marie.
Ja, wenn Herr Wittich nur den lieben Gott liebte, da
waͤr’s ſchon recht!
Rüdiger.
Wie naͤrriſch! Ein ſo kluger Mann als Wittich, ein
Mann, der in Natur und Kunſt ſo erfahren iſt, wie kaum
ein Zweiter im Pommernlande, und ſoll die Groͤße Got-
tes verkennen. Gott nicht zu lieben, iſt ja nicht blos
Nichtswuͤrdigkeit, es iſt ja auch Dummheit.
Marie.
Das mag wohl ſein, aber die Diener Gottes mißhan-
delt er, das weiß ich gewiß. Damals, eh’ der Schweden-
koͤnig heruͤberkam uͤber die See, und als die Kroaten ganz
Uſedom aufgegeſſen hatten, als wir vor Krieg und Peſti-
lenz von Brombeeren leben und Tannenrinde fuͤr Brod
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[61/0067] Die Bernſteinhexe. Marie. Das moͤcht’ ich auch um Nichts in der Welt, aber — Rüdiger. Doch ein Aber? Marie. Ja, er iſt doch garſtig gegen alle anderen Menſchen und gegen meinen Vater und gegen den lieben Gott! Rüdiger. Was weiß denn Hinz, wie Kunz mit dem lieben Gott ſteht. Mit dem hat Jeder ſeine eigne Liebſchaft, und die Zuſchauer koͤnnen’s nicht beurtheilen. Marie. Ja, wenn Herr Wittich nur den lieben Gott liebte, da waͤr’s ſchon recht! Rüdiger. Wie naͤrriſch! Ein ſo kluger Mann als Wittich, ein Mann, der in Natur und Kunſt ſo erfahren iſt, wie kaum ein Zweiter im Pommernlande, und ſoll die Groͤße Got- tes verkennen. Gott nicht zu lieben, iſt ja nicht blos Nichtswuͤrdigkeit, es iſt ja auch Dummheit. Marie. Das mag wohl ſein, aber die Diener Gottes mißhan- delt er, das weiß ich gewiß. Damals, eh’ der Schweden- koͤnig heruͤberkam uͤber die See, und als die Kroaten ganz Uſedom aufgegeſſen hatten, als wir vor Krieg und Peſti- lenz von Brombeeren leben und Tannenrinde fuͤr Brod anſehen mußten, damals hat er’s gezeigt, daß er nicht

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/67>, abgerufen am 29.04.2024.