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Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846.

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Die Bernsteinhexe.
Marie (bei Seite).
Was geht Entsetzliches in mir vor!
Wittich.
Du wirfst mir vor, daß ich mein Wesen habe mit der
Kolken-Liese? Das hat gute Wege. 's war eine rohe
Kraft, die in ihr herrschte, die Deinige ist feiner und mir
näher verwandt. Die Kolken-Liese hat kaum noch zwei
mal vier und zwanzig Stunden zu leben, ihr Herz ist ver-
trocknet, seit sie oben im Streckelberge ihrem Kerl dem
Selden-Hinrich den Teufel auf den Hals gehetzt und ihr
Gesicht dabei dem glühenden Athem des Satans preis ge-
geben hat, sie lebt nur noch vom letzten Blutstropfen,
hörst Du?
Marie.
Jch entsetze mich vor Euch!
Wittich (sie loslassend und aufspringend).
Du bist abgeschmackt! So wisse denn, (leise) wenn Du
nicht meine Dämonenbraut werden willst gut und gerne,
so soll Dich die oberflächliche Welt dazu zwingen. Du
bist reif für die thörichten weltlichen Richter! Die ein-
fältigen Bauern zeigen bereits mit Fingern auf Dich, die
Kinder schreien hinter Dir: "Da geht die Hexe von Cose-
row!" und der abgeschmackte Bürgermeister von Usedom,
den ich heute Nacht noch holen lasse, verurtheilt Dich
morgenden Tages zum Scheiterhaufen für Deine Hexen-
künste -- glaubst Du Dies?
Die Bernſteinhexe.
Marie (bei Seite).
Was geht Entſetzliches in mir vor!
Wittich.
Du wirfſt mir vor, daß ich mein Weſen habe mit der
Kolken-Lieſe? Das hat gute Wege. ’s war eine rohe
Kraft, die in ihr herrſchte, die Deinige iſt feiner und mir
naͤher verwandt. Die Kolken-Lieſe hat kaum noch zwei
mal vier und zwanzig Stunden zu leben, ihr Herz iſt ver-
trocknet, ſeit ſie oben im Streckelberge ihrem Kerl dem
Selden-Hinrich den Teufel auf den Hals gehetzt und ihr
Geſicht dabei dem gluͤhenden Athem des Satans preis ge-
geben hat, ſie lebt nur noch vom letzten Blutstropfen,
hoͤrſt Du?
Marie.
Jch entſetze mich vor Euch!
Wittich (ſie loslaſſend und aufſpringend).
Du biſt abgeſchmackt! So wiſſe denn, (leiſe) wenn Du
nicht meine Daͤmonenbraut werden willſt gut und gerne,
ſo ſoll Dich die oberflaͤchliche Welt dazu zwingen. Du
biſt reif fuͤr die thoͤrichten weltlichen Richter! Die ein-
faͤltigen Bauern zeigen bereits mit Fingern auf Dich, die
Kinder ſchreien hinter Dir: „Da geht die Hexe von Coſe-
row!“ und der abgeſchmackte Buͤrgermeiſter von Uſedom,
den ich heute Nacht noch holen laſſe, verurtheilt Dich
morgenden Tages zum Scheiterhaufen fuͤr Deine Hexen-
kuͤnſte — glaubſt Du Dies?
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[90/0096] Die Bernſteinhexe. Marie (bei Seite). Was geht Entſetzliches in mir vor! Wittich. Du wirfſt mir vor, daß ich mein Weſen habe mit der Kolken-Lieſe? Das hat gute Wege. ’s war eine rohe Kraft, die in ihr herrſchte, die Deinige iſt feiner und mir naͤher verwandt. Die Kolken-Lieſe hat kaum noch zwei mal vier und zwanzig Stunden zu leben, ihr Herz iſt ver- trocknet, ſeit ſie oben im Streckelberge ihrem Kerl dem Selden-Hinrich den Teufel auf den Hals gehetzt und ihr Geſicht dabei dem gluͤhenden Athem des Satans preis ge- geben hat, ſie lebt nur noch vom letzten Blutstropfen, hoͤrſt Du? Marie. Jch entſetze mich vor Euch! Wittich (ſie loslaſſend und aufſpringend). Du biſt abgeſchmackt! So wiſſe denn, (leiſe) wenn Du nicht meine Daͤmonenbraut werden willſt gut und gerne, ſo ſoll Dich die oberflaͤchliche Welt dazu zwingen. Du biſt reif fuͤr die thoͤrichten weltlichen Richter! Die ein- faͤltigen Bauern zeigen bereits mit Fingern auf Dich, die Kinder ſchreien hinter Dir: „Da geht die Hexe von Coſe- row!“ und der abgeſchmackte Buͤrgermeiſter von Uſedom, den ich heute Nacht noch holen laſſe, verurtheilt Dich morgenden Tages zum Scheiterhaufen fuͤr Deine Hexen- kuͤnſte — glaubſt Du Dies?

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/96>, abgerufen am 29.04.2024.