Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

so war dies ein Zeichen, daß mein Schlüssel gefahrlos
zu ihr führte.

Daheim fand ich einen Brief Desdemona's, ein
duftender Zweig aus einem indischen Walde. Ich schrieb
ihr innig zurück und ritt dann in das duftende Land
hinaus. Es hüpfte ein karger Frühling über die teut¬
schen Felder, aber es war doch ein grüner Junge mit
frischem Athem; ich vergaß die springende Jugend Spa¬
niens und ritt immer weiter und weiter. Erst nach
mehreren Tagen kam ich zurück. Wieder lag ein Stück
Himmel Desdemona's auf meinem Tische, daneben eine
trockne Einladung zur Soiree beim Fürsten. Ich ging
hin, aller sogenannte Adel der Stadt und Umgegend
hatte sich geputzt eingefunden sie machten Alle ernst¬
haft ihre Kapriolen und spielten ihre Puppenkomödie
aufs Beste, d. h. ohne allen Geist Wie sie sich ge¬
freut haben mögen, als sie nach Haus gekommen sind,
jeder auf seine Weise, der Eine, daß er sich keines
Schnitzers im Französischplappern erinnerte, der Andre,
daß der Fürst ihn auf die Schulter geklopft und ver¬
sichert habe, er sei noch ganz derselbe wie 1806, der
Dritte, daß er Niemand auf die Füße getreten, auch
nicht gefallen sei, die Erste, daß sie das zweite Paar

ſo war dies ein Zeichen, daß mein Schlüſſel gefahrlos
zu ihr führte.

Daheim fand ich einen Brief Desdemona's, ein
duftender Zweig aus einem indiſchen Walde. Ich ſchrieb
ihr innig zurück und ritt dann in das duftende Land
hinaus. Es hüpfte ein karger Frühling über die teut¬
ſchen Felder, aber es war doch ein grüner Junge mit
friſchem Athem; ich vergaß die ſpringende Jugend Spa¬
niens und ritt immer weiter und weiter. Erſt nach
mehreren Tagen kam ich zurück. Wieder lag ein Stück
Himmel Desdemona's auf meinem Tiſche, daneben eine
trockne Einladung zur Soirée beim Fürſten. Ich ging
hin, aller ſogenannte Adel der Stadt und Umgegend
hatte ſich geputzt eingefunden ſie machten Alle ernſt¬
haft ihre Kapriolen und ſpielten ihre Puppenkomödie
aufs Beſte, d. h. ohne allen Geiſt Wie ſie ſich ge¬
freut haben mögen, als ſie nach Haus gekommen ſind,
jeder auf ſeine Weiſe, der Eine, daß er ſich keines
Schnitzers im Franzöſiſchplappern erinnerte, der Andre,
daß der Fürſt ihn auf die Schulter geklopft und ver¬
ſichert habe, er ſei noch ganz derſelbe wie 1806, der
Dritte, daß er Niemand auf die Füße getreten, auch
nicht gefallen ſei, die Erſte, daß ſie das zweite Paar

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0144" n="154"/>
&#x017F;o war dies ein Zeichen, daß mein Schlü&#x017F;&#x017F;el gefahrlos<lb/>
zu ihr führte.</p><lb/>
          <p>Daheim fand ich einen Brief Desdemona's, ein<lb/>
duftender Zweig aus einem indi&#x017F;chen Walde. Ich &#x017F;chrieb<lb/>
ihr innig zurück und ritt dann in das duftende Land<lb/>
hinaus. Es hüpfte ein karger Frühling über die teut¬<lb/>
&#x017F;chen Felder, aber es war doch ein grüner Junge mit<lb/>
fri&#x017F;chem Athem; ich vergaß die &#x017F;pringende Jugend Spa¬<lb/>
niens und ritt immer weiter und weiter. Er&#x017F;t nach<lb/>
mehreren Tagen kam ich zurück. Wieder lag ein Stück<lb/>
Himmel Desdemona's auf meinem Ti&#x017F;che, daneben eine<lb/>
trockne Einladung zur Soir<hi rendition="#aq">é</hi>e beim Für&#x017F;ten. Ich ging<lb/>
hin, aller &#x017F;ogenannte Adel der Stadt und Umgegend<lb/>
hatte &#x017F;ich geputzt eingefunden &#x017F;ie machten Alle ern&#x017F;<lb/>
haft ihre Kapriolen und &#x017F;pielten ihre Puppenkomödie<lb/>
aufs Be&#x017F;te, d. h. ohne allen Gei&#x017F;t Wie &#x017F;ie &#x017F;ich ge¬<lb/>
freut haben mögen, als &#x017F;ie nach Haus gekommen &#x017F;ind,<lb/>
jeder auf &#x017F;eine Wei&#x017F;e, der Eine, daß er &#x017F;ich keines<lb/>
Schnitzers im Franzö&#x017F;i&#x017F;chplappern erinnerte, der Andre,<lb/>
daß der Für&#x017F;t ihn auf die Schulter geklopft und ver¬<lb/>
&#x017F;ichert habe, er &#x017F;ei noch ganz der&#x017F;elbe wie 1806, der<lb/>
Dritte, daß er Niemand auf die Füße getreten, auch<lb/>
nicht gefallen &#x017F;ei, die Er&#x017F;te, daß &#x017F;ie das zweite Paar<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0144] ſo war dies ein Zeichen, daß mein Schlüſſel gefahrlos zu ihr führte. Daheim fand ich einen Brief Desdemona's, ein duftender Zweig aus einem indiſchen Walde. Ich ſchrieb ihr innig zurück und ritt dann in das duftende Land hinaus. Es hüpfte ein karger Frühling über die teut¬ ſchen Felder, aber es war doch ein grüner Junge mit friſchem Athem; ich vergaß die ſpringende Jugend Spa¬ niens und ritt immer weiter und weiter. Erſt nach mehreren Tagen kam ich zurück. Wieder lag ein Stück Himmel Desdemona's auf meinem Tiſche, daneben eine trockne Einladung zur Soirée beim Fürſten. Ich ging hin, aller ſogenannte Adel der Stadt und Umgegend hatte ſich geputzt eingefunden ſie machten Alle ernſt¬ haft ihre Kapriolen und ſpielten ihre Puppenkomödie aufs Beſte, d. h. ohne allen Geiſt Wie ſie ſich ge¬ freut haben mögen, als ſie nach Haus gekommen ſind, jeder auf ſeine Weiſe, der Eine, daß er ſich keines Schnitzers im Franzöſiſchplappern erinnerte, der Andre, daß der Fürſt ihn auf die Schulter geklopft und ver¬ ſichert habe, er ſei noch ganz derſelbe wie 1806, der Dritte, daß er Niemand auf die Füße getreten, auch nicht gefallen ſei, die Erſte, daß ſie das zweite Paar

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/144
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/144>, abgerufen am 27.04.2024.