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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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bensansichten und der vorgepredigten deutlich vor Augen
sahen, nach den äußersten Zipfeln griffen und um ja
das Gute zu thun, des Guten zu viel thaten und mit
geschlossenem Auge und plapperndem Munde hineinschrit¬
ten in die Nacht des Mysticismus. Derselbe Grund, der
den Indifferentismus erzeugte, schuf auch die Pietisterei,
sowie der Winter hier Eis und Schnee, dort Re¬
gen bringt."

"Gebt den Leuten Führer mit, welche unsere Spra¬
chen, unsere Länder kennen, dann werden sie nicht so
oder so irre gehen, unsere jungen alten Pfaffen sprechen
hebräisch oder sonst ein unverständlich todtes Idiom;
laßt sie mehr nach der Mode zuschneiden, laßt sie Fran¬
zösisch und Englisch lernen, modernisirt sie. Die Mode
steckt nicht blos im Schnitt des Kleides, dies ist nur
einer ihrer zufälligen Ausdrücke, sie ist die ewig junge
Kraft des menschlichen Herzens, der Trieb der Welt¬
geschichte, welcher die Erdkugel und mit ihr die Civili¬
sation bewegt."

"Dies sind Skizzen. Ich bin ein armer Balladen¬
dichter, sonst nichts. Sieh den Katholicismus an: wie
ein gestürzter, aber nicht gebeugter König ging er ein¬
her; er sprach nicht um Theilnahme an aber er fand

bensanſichten und der vorgepredigten deutlich vor Augen
ſahen, nach den äußerſten Zipfeln griffen und um ja
das Gute zu thun, des Guten zu viel thaten und mit
geſchloſſenem Auge und plapperndem Munde hineinſchrit¬
ten in die Nacht des Myſticismus. Derſelbe Grund, der
den Indifferentismus erzeugte, ſchuf auch die Pietiſterei,
ſowie der Winter hier Eis und Schnee, dort Re¬
gen bringt.“

„Gebt den Leuten Führer mit, welche unſere Spra¬
chen, unſere Länder kennen, dann werden ſie nicht ſo
oder ſo irre gehen, unſere jungen alten Pfaffen ſprechen
hebräiſch oder ſonſt ein unverſtändlich todtes Idiom;
laßt ſie mehr nach der Mode zuſchneiden, laßt ſie Fran¬
zöſiſch und Engliſch lernen, moderniſirt ſie. Die Mode
ſteckt nicht blos im Schnitt des Kleides, dies iſt nur
einer ihrer zufälligen Ausdrücke, ſie iſt die ewig junge
Kraft des menſchlichen Herzens, der Trieb der Welt¬
geſchichte, welcher die Erdkugel und mit ihr die Civili¬
ſation bewegt.“

„Dies ſind Skizzen. Ich bin ein armer Balladen¬
dichter, ſonſt nichts. Sieh den Katholicismus an: wie
ein geſtürzter, aber nicht gebeugter König ging er ein¬
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[139/0151] bensanſichten und der vorgepredigten deutlich vor Augen ſahen, nach den äußerſten Zipfeln griffen und um ja das Gute zu thun, des Guten zu viel thaten und mit geſchloſſenem Auge und plapperndem Munde hineinſchrit¬ ten in die Nacht des Myſticismus. Derſelbe Grund, der den Indifferentismus erzeugte, ſchuf auch die Pietiſterei, ſowie der Winter hier Eis und Schnee, dort Re¬ gen bringt.“ „Gebt den Leuten Führer mit, welche unſere Spra¬ chen, unſere Länder kennen, dann werden ſie nicht ſo oder ſo irre gehen, unſere jungen alten Pfaffen ſprechen hebräiſch oder ſonſt ein unverſtändlich todtes Idiom; laßt ſie mehr nach der Mode zuſchneiden, laßt ſie Fran¬ zöſiſch und Engliſch lernen, moderniſirt ſie. Die Mode ſteckt nicht blos im Schnitt des Kleides, dies iſt nur einer ihrer zufälligen Ausdrücke, ſie iſt die ewig junge Kraft des menſchlichen Herzens, der Trieb der Welt¬ geſchichte, welcher die Erdkugel und mit ihr die Civili¬ ſation bewegt.“ „Dies ſind Skizzen. Ich bin ein armer Balladen¬ dichter, ſonſt nichts. Sieh den Katholicismus an: wie ein geſtürzter, aber nicht gebeugter König ging er ein¬ her; er ſprach nicht um Theilnahme an aber er fand

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/151>, abgerufen am 30.04.2024.